Artikelnummer
LOKEI1SC3
Autor
Der Linksspringer 1.Sc3
Studien einer alternativen Eröffnung
399 Seiten, gebunden, Kania, 1. Auflage 2003
Final vergriffen
Keinesfalls nur eine „unregelmäßige" Schacheröffnung ist der Zug 1.Sc3. So hat sich in Duellen um die Fernschachkrone eine rege theoretische Diskussion zum Linkspringer entfaltet, und am Ende verpaßte der Däne Ekebjaerg den Weltmeistertitel mit 1.Sc3 nur ganz knapp.
Nach einigen eher skizzenhaften Vorgängerwerken wird hier erstmals eine umfangreiche Theorie zu 1.Sc3 vorgelegt. Penibel geht der Autor alle Möglichkeiten durch und erklärt die entstehenden originellen Strukturen. Dabei zieht er immer wieder Vergleiche zu Stellungstypen aus gewöhnlichen Eröffnungen heran. Wie kein anderes Werk vermittelt dieses Buch Erkenntnisse zwischen den beiden so unverstandenen Welten: Der offiziell etablierten und der „alternativen" Eröffnungstheorie. Denn 1.Sc3 ist - im Unterschied beispielsweise zu 1.b4 - genau an dieser Schnittstelle angesiedelt. Dank umfassender Grundlageninformation ist das Werk ein Lehrbuch des Eröffnungsspiels schlechthin.
Gerade bei den Diskussionen zu Zugumstellungen und vorteilhaften Überleitungen erfährt man viel über das Wesen des Eröffnungskampfes. Auch derjenige, der nicht unbedingt künftig den Linksspringer spielen will, kann profitieren. So wird etwa der 1.e4-Spieler mit schlagkräftigen Nebenvarianten gegen Skandinavisch (1.e4 d5 2.Sc3), Caro-Kann, Französisch und die Aljechin-Verteidigung versorgt.
Was wird hier behandelt?
Das Buch behandelt die Eröffnung 1.Sc3.
Eröffnung? - Jawohl! Denn in den Augen vieler ist es nur ein Zug, der zwar spielbar sein mag, jedoch „ohne selbständige Bedeutung" zu 1.e4-Spielweisen überleitet.
In diesem Zusammenhang kommt mir Khalifmans fünfbändiges Epos 1.Nf3 -Opening for White according to Kramnik in den Sinn. Auf einer Odyssee über 1300 Seiten weist der FIDE-Exweltmeister nach, daß der „Rechtsspringer" 1.Sf3 ein guter Zug ist, aber keine Eröffnung! Denn es werden Eröffnungen behandelt wie Königsindisch, das Damengambit, Holländisch, Englisch, sogar Sizilianisch in Form des Maroczy-Systems, dazu ein paar wenige Spezialitäten wie Grünfeld-Indisch ohne d2-d4. In der Quintessenz stellt sich 1.Sf3 als ein trickreiches Überleitungssystem dar, mit welchem -grob vereinfacht - günstige Varianten der genannten Eröffnungen erreicht bzw. ungünstige vermieden werden können.
Wie steht es nun mit 1.Sc3 ? Nun, völlig ohne Überleitungen kommt man auch hier nicht aus. Typische Fragen, die sich dem 1.Sc3-Praktiker stellen, sind:
Soll er nach 1.Sc3 d5 2.e4 e6 ohne Umschweife mit 3.d4 zu Französisch überleiten oder aber Eigenbausysteme versuchen?
Soll er nach 1.Sc3 c5 gleich 2.e4 spielen, etwa mit einem geschlossenen Sizilianer (3.g3) oder Grand-Prix-Angriff (3.f4)? Oder später in den offenen Sizilianer überleiten: 2.Sf3 Sc6 (2...d6, 2...e6) 3.d4 c:d4 4.S:d4 und 5.e4? Oder aber nach Spezialvarianten Ausschau halten, dabei aber die Option e2-e4 samt Überleitung zu sizilianischen Hauptsystemen in der Hand behalten?
Soll er nach 1.Sc3 g6 schnurstracks zu 2.e4 zurückkehren, „wilde Sachen" wie 2.h4 spielen oder aber sich bezüglich seiner weiteren Absichten zunächst bedeckt halten, z.B. mit 2.Sf3 oder 2.g3?
Tatsächlich hat jeder führende 1.Sc3-Praktiker seine eigenen Antworten auf diese Fragen. Späte Übergänge zu 1.e4-Systemen sind oft voller Feinheiten. Für den potentiellen Umsteiger ist die Teilvermengung mit 1.e4 sogar ein Vorteil: Er kennt die Stellungen, mag zunächst mit 1.e4 e6/c6/Sf6 2.Sc3 anfangen, später 1.Sc3 mit häufigen und dann immer selteneren Überleitungen zu 1.e4-Systemen spielen.
Behandelt wird in diesem Buch alles, was nach 1.Sc3 aufs Brett kommen kann und einen irgendwie selbständigen Wert hat. Zudem diverse Spezialvarianten, die rein rechtlich zu 1.e4 gehören, in der Praxis jedoch öfters über 1.Sc3 entstehen und/oder Charakteristika dieser Eröffnung tragen. Ein Beispiel sind die Anti-Caro-Kann-Varianten 1.e4 c6 2.Sc3 d5 3.f4, 3.Sf3!? und 3.g3. Typischerweise werden solche Spielweisen in der herkömmlichen Eröffnungstheorie stiefmütterlich behandelt. Explizit ausgeschlossen ist 1.Sc3 d5 2.d4, z. B. 2...Sf6 3.Lg5 (Richter-Weressow) oder 3.e4 (Blackmar-Diemer-Gambit).
Neben den Überleitungen von 1.Sc3 nach 1.e4 gibt es auch solche in die andere Richtung, z. B. 1.e4 e5 2.Sf3 d5 3.Sc3!?, 1.e4 d5 2.Sc3!?, 1.d4 Sf6 2. Sc3 c5 3.Sf3 (eine Grundstellung aus Kapitel V ); auch 1.e4 c5 2.f4 d5 3.Sc3 ist eigentlich eine 1.Sc3-Stellung.
Die verkannte Eröffnung
Anders als unorthodoxe Eröffnungen wie 1.b4 oder 1.g4 schwächt 1.Sc3 keineswegs die Stellung und legt den Weißen auch nicht auf eine extravagante Strategie fest. Im Gegenteil, der Zug genügt perfekt den klassischen Eröffnungsgrundsätzen wie Entwicklung und Zentrum (Kontrolle von e4 und d5). Mithin mutet es seltsam an, daß 1.Sc3 (noch?) nicht als normaler Zug anerkannt wird. O.k., der c-Bauer wird verstellt, aber schließlich vergibt jeder Eröffnungszug irgendwelche Optionen. Um so mehr verblüffen Äußerungen wie die folgende:
„Wer weiß, vielleicht habe ich Léko zu früh abgeschrieben. Um ihn aus dem Schatten der anderen heraustreten zu lassen, genügt es vielleicht schon, daß Morosewitsch in der Begegnung gegen ihn so etwas wie 1.Sc3 aufs Brett knallt."
(llja Gorodetski am 20.7.2001 auf der inzwischen verblichenen Internet-Seite www. clubkasparov. com)
Indes geht die Ablehnung von 1.Sc3 in „geweihten" Kreisen einher mit der krassen Unkenntnis ihrer Möglichkeiten:
„TotoyBato" - „Velimirovich" - Internetschachklub (ICC) 8.2.2003
1.e4 e5 2.Sf3 d5 3.Sc3 d4 (siehe 1.Sc3 d5 2.e4 d4 3.Sce2 e5) 4.Se2 Sc6 5.Sg3 Ld6 (vgl. Partie 17&18) 6.Lc4 Sge7?? (DIAGRAMM) 7.0-0??
Geht nichtsahnend an 7.Lg5! 0-0 8.Dh5+- vorbei, auch 7...Tf8 8.S:h7 verspricht ein Massaker.
Hinter dem Pseudonym „Velimirovich" verbirgt sich kein Geringerer als Teimour Radschabow, der sich gerade für Linares warmspielte, wo er zum ersten Mal Kasparow bezwang. „TotoyBato" ist mir nicht bekannt, es sollte sich aber auch um einen starken Großmeister handeln. O.k., es war eine 3-Minuten-Blitzpartie, aber wenn man weiß, mit welch nachtwandlerischer Sicherheit Radschabow selbst mit wenigen Sekunden auf der Uhr spielt... Wer's prüfen mag - der ICC-Befehl search Totoybato-Velimirovich C40 sollte die Partie aus dem Archiv fischen.
In der Tat eröffnet 1.Sc3 außergewöhnlich gute Chancen auf einen Kurzsieg mittels „Springertaktik", dank der beschleunigten Entwicklung. Die ältere 1.Sc3-Literatur liest sich mithin wie eine Sammlung von Fallen und Kurzpartien. Indes steigt das schachliche Niveau ständig, auch und gerade in den mittleren und unteren Klassen, und auf so manchen „Patzer" eines Halbmeisters anno 1960 kann man beim heutigen Bezirksklassenspieler vergeblich warten -vom computerisierten Fernschach ganz zu schweigen. Dieses Buch soll daher den Linksspringer auf eine umfassende theoretische und strategische Basis stellen.
Zwischen den Welten
Mich reizte beim Thema insbesondere die einzigartige Zwitterstellung einer sogenannten „alternativen" Eröffnung mit dennoch klaren Verbindungslinien zu konservativen Eröffnungssystemen - vielleicht mein eigenes Leben reflektierend. 1.Sc3 gilt nach wie vor als „unorthodox", mit der entsprechend stiefmütterlichen Behandlung in konservativen Medien wie Enzyklopädie und Informator. Andererseits, viele entstehende Stellungen lassen sich nur dann einigermaßen zuverlässig bewerten, wenn man penibel mit Situationen aus der herkömmlichen Theorie vergleicht. In dieser Hinsicht mangelt es den Autoren aus der Ecke „Gambit & Unorthodox" oft genug an Bereitschaft und Kompetenz. Ich versuchte mein Bestes, zwischen den Erkenntnissen aus beiden Welten zu vermitteln.
Ein paar weitere methodische Dinge: Ich teile die in den von Nunn/Burgess produzierten Büchern konsequent verfolgte Maxime, per Zugumstellung mögliche Positionen nur an einer Stelle im Buch zu untersuchen; dies bedingt ein Querverweissystem. Großes Augenmerk habe ich auf die Zugrundelegung möglichst präziser und sinngebender Zugfolgen gelegt, bzw. es hat mitunter viel Kraft gekostet, diese zu ermitteln! Dunningtons Buch ist beispielsweise in dieser Hinsicht sehr lax.
„Zwischen den Welten" heißt es auch bei der Aufbereitung, nämlich einerseits mit Musterpartien und ausführlichen strategischen Erörterungen, andererseits ohne Abstriche bezüglich theoretischer Komplettheit. Meines Erachtens genügt es nicht, gute Pläne (= Vorsätze) zu kennen, penible Zugfolgenarbeit ist ebenso wichtig - sonst macht der Gegner einen Strich durch die gutgemeinte Rechnung. Gerade die „Wie-spielt-man"-Bücher sind in dieser Hinsicht oft zu blauäugig. Die so entstandenen 400 Seiten mögen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es noch zahlreiche ungeklärte Fragen bei Zug 5 und früher gibt. Im Hinblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen habe ich auch bei derzeit als ungünstig anzusehenden Abspielen alle verfügbaren Informationen angegeben.
Zurück zum Motto .Zwischen den Welten": Dieses mag - und das ist ganz gewollt so - auch für das Nebeneinander von Nah- und Fernschach stehen sowie bei den Spielstärken zwischen Weltklasse und mittelstarkem Amateur.
Zur Geschichte und zum Namen
Die erste Erwähnung fand der Zug 1.Sc3 bereits in der 1. Auflage (1843) des „Bilguer - Handbuch des Schach-spiels" durch Tassilo von Heydebrand und der Lasa. Die laut Adrian Harvey/ Stefan Bücker (Kaissiber 15) älteste dokumentierte 1.Sc3-Partie wurde etwas später gespielt, nämlich Kieseritzky - Desloges, Frankreich 1847 (S. 21). Napoleon - Madame de Remusat, Malmaison Castle 1804 (S. 10) ist wohl doch eher eine Fälschung. In etwas späteren Jahren wurde 1.Sc3 vereinzelt von Weltklassespielern aufs Brett gebracht, z. B. Blackburne - Noa, London 1883, oder Bogoljubow - Schubarew, St. Petersburg 1925. Doch das waren Einzelereignisse, vergleichbar zu den heutigen Tagen mit Morosewitsch-Kasparow, Frankfurt 2000 (Partie 83). Keineswegs Profispieler, sondern zunächst Amateure und später Fernschachgroßmeister brachten die Entwicklung der Eröffnung voran. So spielte ab etwa 1910 der Tscheche Johann Kotrc regelmäßig 1.Sc3, einige Zeit später dann der New Yorker Ted Dunst, bevor in den ersten Nachkriegsjahren der badische Meister Leonhard Hanke mit 1.Sc3 für Furore sorgte. Die weitere Geschichte ist dann mit den 1.Sc3-Helden der Gegenwart verbunden.
Namen hat die Eröffnung 1.Sc3 schon allerhand gehabt, und im Prinzip erfand jeder, der darüber publizierte, seine eigene Bezeichnung. Man kennt u.a. Rumänische, Kotrc-, Dunst-, Sleipner-und van-Geet-Eröffnung; ich habe mich schließlich für die neutrale, aus dem Randspringer stammende Bezeichnung Linksspringer entschieden.
Helden der Gegenwart
Von etwa 1965 bis heute bestimmen zwei Fernschachgroßmeister der Extraklasse die 1.Sc3-Szene: Ove Ekebjasrg, Dänemark, und Dick van Geet, Holland. Der extrovertierte Holländer hat selbst viel über die „van-Geet-Eröffnung" publiziert, bei ihm stehen die taktischen Tricks im Vordergrund. Von dem stillen Dänen ist nichts anderes als die blanken Notationen bekannt. Seine Partien indes strahlen eine strategische Tiefe aus, die innerhalb 1.Sc3 ihresgleichen sucht.
Bei der 14. Fernschach-WM 1994-2000 gelang Ekebjaerg beinahe der große Coup: Er holte 10 1/2 aus 14, davon 6 aus 7 in seinen Weißpartien mit 1.Sc3, und sah lange Zeit wie der sichere Sieger aus. Doch am Ende konnte ihn Tinu Yim (Estland), der aufgrund der langen Postlaufzeiten seine Partien viel später beendete, noch um einen halben Punkt überflügeln.
Neben van Geet und Ekebjasrg eröffnen auch die Fernschach-Großmeister Sarink, van Perlo und Hector ihre Partien regelmäßig mit 1.Sc3. Also fünf von etwa 200 Fernschach-GMs, dazu etliche weitere Fernschachspieler der 2400er-Klasse - man kann also fast von einer „Fernschach-Eröffnung" sprechen! Im Nahschach begann es, was internationales Niveau angeht, mit den IMs Sydor, Mestrovic und (erneut zu nennen) van Geet, siehe z.B. dessen Partie 14 gegen Spasski. Heute wenden einige Großmeister den Zug an, z.B. Bellon, Ermenkow, Hector (GM im Nah- und Fernschach!), Cs. Horvath, Raschkowski, Rogers, Schmaltz (nur 1.e4 d5 2.Sc3), Wi. Watson; ferner die vielleicht zukünftigen GMs Buhmann, Narciso und Schlindwein. Fast alle der Genannten genießen einen Ruf als „Freidenker" unter den Meistern.
Weitere Namen wären zu nennen, z.B. einige Holländer aus dem Umfeld von van Geet (Jongsma, Leeners, van Bellen), die Tübinger 1.Sc3-Schule um Frick, Schlenker und Moser oder der estnische Spezialist Aarne Hermlin. Und Anker Aasum, obwohl er selbst kein Meisterspieler ist. In seinem Buch findet sich einiges mehr zur 1.Sc3-Geschichte, einschließlich etlicher Kurzbiographien von Linksspringer-Liebhabern.
Zum Schluß möchte ich noch auf die Internetseite zum Buch hinweisen: www.kaniaverlag.deVitmMinksspringer.html
Harald Keilhack Schwieberdingen, März 2003, Vorwort
Nach einigen eher skizzenhaften Vorgängerwerken wird hier erstmals eine umfangreiche Theorie zu 1.Sc3 vorgelegt. Penibel geht der Autor alle Möglichkeiten durch und erklärt die entstehenden originellen Strukturen. Dabei zieht er immer wieder Vergleiche zu Stellungstypen aus gewöhnlichen Eröffnungen heran. Wie kein anderes Werk vermittelt dieses Buch Erkenntnisse zwischen den beiden so unverstandenen Welten: Der offiziell etablierten und der „alternativen" Eröffnungstheorie. Denn 1.Sc3 ist - im Unterschied beispielsweise zu 1.b4 - genau an dieser Schnittstelle angesiedelt. Dank umfassender Grundlageninformation ist das Werk ein Lehrbuch des Eröffnungsspiels schlechthin.
Gerade bei den Diskussionen zu Zugumstellungen und vorteilhaften Überleitungen erfährt man viel über das Wesen des Eröffnungskampfes. Auch derjenige, der nicht unbedingt künftig den Linksspringer spielen will, kann profitieren. So wird etwa der 1.e4-Spieler mit schlagkräftigen Nebenvarianten gegen Skandinavisch (1.e4 d5 2.Sc3), Caro-Kann, Französisch und die Aljechin-Verteidigung versorgt.
Was wird hier behandelt?
Das Buch behandelt die Eröffnung 1.Sc3.
Eröffnung? - Jawohl! Denn in den Augen vieler ist es nur ein Zug, der zwar spielbar sein mag, jedoch „ohne selbständige Bedeutung" zu 1.e4-Spielweisen überleitet.
In diesem Zusammenhang kommt mir Khalifmans fünfbändiges Epos 1.Nf3 -Opening for White according to Kramnik in den Sinn. Auf einer Odyssee über 1300 Seiten weist der FIDE-Exweltmeister nach, daß der „Rechtsspringer" 1.Sf3 ein guter Zug ist, aber keine Eröffnung! Denn es werden Eröffnungen behandelt wie Königsindisch, das Damengambit, Holländisch, Englisch, sogar Sizilianisch in Form des Maroczy-Systems, dazu ein paar wenige Spezialitäten wie Grünfeld-Indisch ohne d2-d4. In der Quintessenz stellt sich 1.Sf3 als ein trickreiches Überleitungssystem dar, mit welchem -grob vereinfacht - günstige Varianten der genannten Eröffnungen erreicht bzw. ungünstige vermieden werden können.
Wie steht es nun mit 1.Sc3 ? Nun, völlig ohne Überleitungen kommt man auch hier nicht aus. Typische Fragen, die sich dem 1.Sc3-Praktiker stellen, sind:
Soll er nach 1.Sc3 d5 2.e4 e6 ohne Umschweife mit 3.d4 zu Französisch überleiten oder aber Eigenbausysteme versuchen?
Soll er nach 1.Sc3 c5 gleich 2.e4 spielen, etwa mit einem geschlossenen Sizilianer (3.g3) oder Grand-Prix-Angriff (3.f4)? Oder später in den offenen Sizilianer überleiten: 2.Sf3 Sc6 (2...d6, 2...e6) 3.d4 c:d4 4.S:d4 und 5.e4? Oder aber nach Spezialvarianten Ausschau halten, dabei aber die Option e2-e4 samt Überleitung zu sizilianischen Hauptsystemen in der Hand behalten?
Soll er nach 1.Sc3 g6 schnurstracks zu 2.e4 zurückkehren, „wilde Sachen" wie 2.h4 spielen oder aber sich bezüglich seiner weiteren Absichten zunächst bedeckt halten, z.B. mit 2.Sf3 oder 2.g3?
Tatsächlich hat jeder führende 1.Sc3-Praktiker seine eigenen Antworten auf diese Fragen. Späte Übergänge zu 1.e4-Systemen sind oft voller Feinheiten. Für den potentiellen Umsteiger ist die Teilvermengung mit 1.e4 sogar ein Vorteil: Er kennt die Stellungen, mag zunächst mit 1.e4 e6/c6/Sf6 2.Sc3 anfangen, später 1.Sc3 mit häufigen und dann immer selteneren Überleitungen zu 1.e4-Systemen spielen.
Behandelt wird in diesem Buch alles, was nach 1.Sc3 aufs Brett kommen kann und einen irgendwie selbständigen Wert hat. Zudem diverse Spezialvarianten, die rein rechtlich zu 1.e4 gehören, in der Praxis jedoch öfters über 1.Sc3 entstehen und/oder Charakteristika dieser Eröffnung tragen. Ein Beispiel sind die Anti-Caro-Kann-Varianten 1.e4 c6 2.Sc3 d5 3.f4, 3.Sf3!? und 3.g3. Typischerweise werden solche Spielweisen in der herkömmlichen Eröffnungstheorie stiefmütterlich behandelt. Explizit ausgeschlossen ist 1.Sc3 d5 2.d4, z. B. 2...Sf6 3.Lg5 (Richter-Weressow) oder 3.e4 (Blackmar-Diemer-Gambit).
Neben den Überleitungen von 1.Sc3 nach 1.e4 gibt es auch solche in die andere Richtung, z. B. 1.e4 e5 2.Sf3 d5 3.Sc3!?, 1.e4 d5 2.Sc3!?, 1.d4 Sf6 2. Sc3 c5 3.Sf3 (eine Grundstellung aus Kapitel V ); auch 1.e4 c5 2.f4 d5 3.Sc3 ist eigentlich eine 1.Sc3-Stellung.
Die verkannte Eröffnung
Anders als unorthodoxe Eröffnungen wie 1.b4 oder 1.g4 schwächt 1.Sc3 keineswegs die Stellung und legt den Weißen auch nicht auf eine extravagante Strategie fest. Im Gegenteil, der Zug genügt perfekt den klassischen Eröffnungsgrundsätzen wie Entwicklung und Zentrum (Kontrolle von e4 und d5). Mithin mutet es seltsam an, daß 1.Sc3 (noch?) nicht als normaler Zug anerkannt wird. O.k., der c-Bauer wird verstellt, aber schließlich vergibt jeder Eröffnungszug irgendwelche Optionen. Um so mehr verblüffen Äußerungen wie die folgende:
„Wer weiß, vielleicht habe ich Léko zu früh abgeschrieben. Um ihn aus dem Schatten der anderen heraustreten zu lassen, genügt es vielleicht schon, daß Morosewitsch in der Begegnung gegen ihn so etwas wie 1.Sc3 aufs Brett knallt."
(llja Gorodetski am 20.7.2001 auf der inzwischen verblichenen Internet-Seite www. clubkasparov. com)
Indes geht die Ablehnung von 1.Sc3 in „geweihten" Kreisen einher mit der krassen Unkenntnis ihrer Möglichkeiten:
„TotoyBato" - „Velimirovich" - Internetschachklub (ICC) 8.2.2003
1.e4 e5 2.Sf3 d5 3.Sc3 d4 (siehe 1.Sc3 d5 2.e4 d4 3.Sce2 e5) 4.Se2 Sc6 5.Sg3 Ld6 (vgl. Partie 17&18) 6.Lc4 Sge7?? (DIAGRAMM) 7.0-0??
Geht nichtsahnend an 7.Lg5! 0-0 8.Dh5+- vorbei, auch 7...Tf8 8.S:h7 verspricht ein Massaker.
Hinter dem Pseudonym „Velimirovich" verbirgt sich kein Geringerer als Teimour Radschabow, der sich gerade für Linares warmspielte, wo er zum ersten Mal Kasparow bezwang. „TotoyBato" ist mir nicht bekannt, es sollte sich aber auch um einen starken Großmeister handeln. O.k., es war eine 3-Minuten-Blitzpartie, aber wenn man weiß, mit welch nachtwandlerischer Sicherheit Radschabow selbst mit wenigen Sekunden auf der Uhr spielt... Wer's prüfen mag - der ICC-Befehl search Totoybato-Velimirovich C40 sollte die Partie aus dem Archiv fischen.
In der Tat eröffnet 1.Sc3 außergewöhnlich gute Chancen auf einen Kurzsieg mittels „Springertaktik", dank der beschleunigten Entwicklung. Die ältere 1.Sc3-Literatur liest sich mithin wie eine Sammlung von Fallen und Kurzpartien. Indes steigt das schachliche Niveau ständig, auch und gerade in den mittleren und unteren Klassen, und auf so manchen „Patzer" eines Halbmeisters anno 1960 kann man beim heutigen Bezirksklassenspieler vergeblich warten -vom computerisierten Fernschach ganz zu schweigen. Dieses Buch soll daher den Linksspringer auf eine umfassende theoretische und strategische Basis stellen.
Zwischen den Welten
Mich reizte beim Thema insbesondere die einzigartige Zwitterstellung einer sogenannten „alternativen" Eröffnung mit dennoch klaren Verbindungslinien zu konservativen Eröffnungssystemen - vielleicht mein eigenes Leben reflektierend. 1.Sc3 gilt nach wie vor als „unorthodox", mit der entsprechend stiefmütterlichen Behandlung in konservativen Medien wie Enzyklopädie und Informator. Andererseits, viele entstehende Stellungen lassen sich nur dann einigermaßen zuverlässig bewerten, wenn man penibel mit Situationen aus der herkömmlichen Theorie vergleicht. In dieser Hinsicht mangelt es den Autoren aus der Ecke „Gambit & Unorthodox" oft genug an Bereitschaft und Kompetenz. Ich versuchte mein Bestes, zwischen den Erkenntnissen aus beiden Welten zu vermitteln.
Ein paar weitere methodische Dinge: Ich teile die in den von Nunn/Burgess produzierten Büchern konsequent verfolgte Maxime, per Zugumstellung mögliche Positionen nur an einer Stelle im Buch zu untersuchen; dies bedingt ein Querverweissystem. Großes Augenmerk habe ich auf die Zugrundelegung möglichst präziser und sinngebender Zugfolgen gelegt, bzw. es hat mitunter viel Kraft gekostet, diese zu ermitteln! Dunningtons Buch ist beispielsweise in dieser Hinsicht sehr lax.
„Zwischen den Welten" heißt es auch bei der Aufbereitung, nämlich einerseits mit Musterpartien und ausführlichen strategischen Erörterungen, andererseits ohne Abstriche bezüglich theoretischer Komplettheit. Meines Erachtens genügt es nicht, gute Pläne (= Vorsätze) zu kennen, penible Zugfolgenarbeit ist ebenso wichtig - sonst macht der Gegner einen Strich durch die gutgemeinte Rechnung. Gerade die „Wie-spielt-man"-Bücher sind in dieser Hinsicht oft zu blauäugig. Die so entstandenen 400 Seiten mögen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es noch zahlreiche ungeklärte Fragen bei Zug 5 und früher gibt. Im Hinblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen habe ich auch bei derzeit als ungünstig anzusehenden Abspielen alle verfügbaren Informationen angegeben.
Zurück zum Motto .Zwischen den Welten": Dieses mag - und das ist ganz gewollt so - auch für das Nebeneinander von Nah- und Fernschach stehen sowie bei den Spielstärken zwischen Weltklasse und mittelstarkem Amateur.
Zur Geschichte und zum Namen
Die erste Erwähnung fand der Zug 1.Sc3 bereits in der 1. Auflage (1843) des „Bilguer - Handbuch des Schach-spiels" durch Tassilo von Heydebrand und der Lasa. Die laut Adrian Harvey/ Stefan Bücker (Kaissiber 15) älteste dokumentierte 1.Sc3-Partie wurde etwas später gespielt, nämlich Kieseritzky - Desloges, Frankreich 1847 (S. 21). Napoleon - Madame de Remusat, Malmaison Castle 1804 (S. 10) ist wohl doch eher eine Fälschung. In etwas späteren Jahren wurde 1.Sc3 vereinzelt von Weltklassespielern aufs Brett gebracht, z. B. Blackburne - Noa, London 1883, oder Bogoljubow - Schubarew, St. Petersburg 1925. Doch das waren Einzelereignisse, vergleichbar zu den heutigen Tagen mit Morosewitsch-Kasparow, Frankfurt 2000 (Partie 83). Keineswegs Profispieler, sondern zunächst Amateure und später Fernschachgroßmeister brachten die Entwicklung der Eröffnung voran. So spielte ab etwa 1910 der Tscheche Johann Kotrc regelmäßig 1.Sc3, einige Zeit später dann der New Yorker Ted Dunst, bevor in den ersten Nachkriegsjahren der badische Meister Leonhard Hanke mit 1.Sc3 für Furore sorgte. Die weitere Geschichte ist dann mit den 1.Sc3-Helden der Gegenwart verbunden.
Namen hat die Eröffnung 1.Sc3 schon allerhand gehabt, und im Prinzip erfand jeder, der darüber publizierte, seine eigene Bezeichnung. Man kennt u.a. Rumänische, Kotrc-, Dunst-, Sleipner-und van-Geet-Eröffnung; ich habe mich schließlich für die neutrale, aus dem Randspringer stammende Bezeichnung Linksspringer entschieden.
Helden der Gegenwart
Von etwa 1965 bis heute bestimmen zwei Fernschachgroßmeister der Extraklasse die 1.Sc3-Szene: Ove Ekebjasrg, Dänemark, und Dick van Geet, Holland. Der extrovertierte Holländer hat selbst viel über die „van-Geet-Eröffnung" publiziert, bei ihm stehen die taktischen Tricks im Vordergrund. Von dem stillen Dänen ist nichts anderes als die blanken Notationen bekannt. Seine Partien indes strahlen eine strategische Tiefe aus, die innerhalb 1.Sc3 ihresgleichen sucht.
Bei der 14. Fernschach-WM 1994-2000 gelang Ekebjaerg beinahe der große Coup: Er holte 10 1/2 aus 14, davon 6 aus 7 in seinen Weißpartien mit 1.Sc3, und sah lange Zeit wie der sichere Sieger aus. Doch am Ende konnte ihn Tinu Yim (Estland), der aufgrund der langen Postlaufzeiten seine Partien viel später beendete, noch um einen halben Punkt überflügeln.
Neben van Geet und Ekebjasrg eröffnen auch die Fernschach-Großmeister Sarink, van Perlo und Hector ihre Partien regelmäßig mit 1.Sc3. Also fünf von etwa 200 Fernschach-GMs, dazu etliche weitere Fernschachspieler der 2400er-Klasse - man kann also fast von einer „Fernschach-Eröffnung" sprechen! Im Nahschach begann es, was internationales Niveau angeht, mit den IMs Sydor, Mestrovic und (erneut zu nennen) van Geet, siehe z.B. dessen Partie 14 gegen Spasski. Heute wenden einige Großmeister den Zug an, z.B. Bellon, Ermenkow, Hector (GM im Nah- und Fernschach!), Cs. Horvath, Raschkowski, Rogers, Schmaltz (nur 1.e4 d5 2.Sc3), Wi. Watson; ferner die vielleicht zukünftigen GMs Buhmann, Narciso und Schlindwein. Fast alle der Genannten genießen einen Ruf als „Freidenker" unter den Meistern.
Weitere Namen wären zu nennen, z.B. einige Holländer aus dem Umfeld von van Geet (Jongsma, Leeners, van Bellen), die Tübinger 1.Sc3-Schule um Frick, Schlenker und Moser oder der estnische Spezialist Aarne Hermlin. Und Anker Aasum, obwohl er selbst kein Meisterspieler ist. In seinem Buch findet sich einiges mehr zur 1.Sc3-Geschichte, einschließlich etlicher Kurzbiographien von Linksspringer-Liebhabern.
Zum Schluß möchte ich noch auf die Internetseite zum Buch hinweisen: www.kaniaverlag.deVitmMinksspringer.html
Harald Keilhack Schwieberdingen, März 2003, Vorwort
EAN | 3931192202 |
---|---|
Gewicht | 725 g |
Hersteller | Kania |
Breite | 15,5 cm |
Höhe | 21,7 cm |
Medium | Buch |
Erscheinungsjahr | 2003 |
Autor | Harald Keilhack |
Sprache | Deutsch |
Auflage | 1 |
ISBN-10 | 3931192202 |
ISBN-13 | LOKEI1SC3 |
Seiten | 399 |
Einband | gebunden |
003 Inhalt
004 Zeichenerklärung
005 Vorwort
009 Kapitel l: 1.Sc3 e5
043 Kapitel II: Der van-Geet-Angriff - 1.Sc3 d5 2.e4 d4 3.Sce2
135 Kapitel III: 1.Sc3 d5 2.e4 d:e4 3. S:e4
185 Kapitel IV: Die „Unechten Halboffenen" - 1.Sc3 d5 2.e4 c6, 2...e6 und 2...Sf6
258 Kapitel V: Gegen den Sizilianer - 1.Sc3 c5 2.Sf3
314 Kapitel VI: Alternativsysteme nach 1...e5/...d5/...c5
351 Kapitel VII: Verschiedene Antworten auf 1.Sc3
396 Variantenindex
399 Quellenverzeichnis
004 Zeichenerklärung
005 Vorwort
009 Kapitel l: 1.Sc3 e5
043 Kapitel II: Der van-Geet-Angriff - 1.Sc3 d5 2.e4 d4 3.Sce2
135 Kapitel III: 1.Sc3 d5 2.e4 d:e4 3. S:e4
185 Kapitel IV: Die „Unechten Halboffenen" - 1.Sc3 d5 2.e4 c6, 2...e6 und 2...Sf6
258 Kapitel V: Gegen den Sizilianer - 1.Sc3 c5 2.Sf3
314 Kapitel VI: Alternativsysteme nach 1...e5/...d5/...c5
351 Kapitel VII: Verschiedene Antworten auf 1.Sc3
396 Variantenindex
399 Quellenverzeichnis
Sind Sie mit Ihren Eröffnungssystemen zufrieden? Wenn ja, dann lesen Sie nicht weiter. Glauben Sie, dass ein Weißspieler sein gesamtes Eröffnungswissen aus einem einzigen Buch erlernen kann? Wenn nein, dann blättern Sie weiter. Sind Sie zudem ein kreativer Spieler, der sich mit den weißen Steinen auf Neuland wagt? Wenn ja, dann sind Sie der richtige Leser für diese Stellungnahme und Sie sollten in Ihrem Geldbeutel nachschauen, ob Sie noch 24,80 Euro übrig haben. Dafür erhalten Sie nämlich das Buch „Der Linksspringer 1.Sc3. Studien einer alternativen Schacheröffnung" von Harald Keilhack aus dessen Kania-Verlag (ISBN 3-931192-20-2). Dieses Werk kann, falls Sie bei der dritten Antwort aufrichtig waren, die Quelle für eine neue Dimension in Ihrem Schachverständnis sein und viele Ihrer Gegner in Staunen versetzen. Was rechtfertigt eine solche Erwartung? Ein wenig Statistik hilft. Der deutsche Schachbund hat ca. 94 000 Mitglieder; in der ersten und zweiten Bundesliga werden ca. 700 Spieler pro Jahr eingesetzt, d. h. 0,75% Spieler starten in einer Liga, in der 99% der Schachamateure nie antreten. Doch - wie die letzte unten angeführte Partie veranschaulicht - in allen Klassen von der Oberliga abwärts kann 1.Sc3 als ein probates Eröffnungssystem eingesetzt werden, häufig mit überraschenden Wirkungen, denn selbst Spieler mit DWZ um 2000 und mehr kennen sich auf dem Linksspringer-Terrain wenig aus. Das sollte, da Sie sich zu den Mutigen zählen, Anreiz genug sein, um in Keilhacks Hardcover mit 400 Seiten und Fadenbindung lange einen strapazierfähigen Begleiter zu finden.
Dort trifft man nicht nur auf obskure Partien von Eröffnungsfreaks, sondern in überraschend hoher Zahl auf Partien aus wichtigen Wettbewerben. In Fernschachkreisen ist 1. Sc3 bis auf Weltmeisterschaftslevel salonfähig. Insbesondere der niederländische Fernschach-GM Dick van Geet - nach dem die Eröffnung zuweilen benannt wird - hat sie mit einigen Landsleuten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Keilhack bevorzugt die Bezeichnung „Linksspringer", um viele andere Namengebungen auf einen Nenner zu vereinen. Natürlich stammen zahlreiche Ideen aus dem experimentierfreudigen, südwestdeutschen Umfeld der Tübinger Schule des „Randspringer"-Magazins. Aber unter Titelträgern tauchen die Varianten ebenfalls auf. Schon immer bedienten sich die üblichen Verdächtigen ihrer (z. B. Juan Bellon, lan Rogers, Roland Schmaltz, William Watson, Joel Benjamin,
Jonny Hector), also Spieler, die ein Faible für neue Wege haben. Ein Beispiel macht deutlich, dass selbst erfahrene Kämpen nicht immer standfest sind, wenn die „Freidenker" (Keilhack im Vorwort) auspacken.
J. Hector - W. Uhlmann [CIO]
Välby 1991
1. Sc3 d5 2. d4 e6 3. Sf3 Bleibt auf Vermeidungskurs gegen den normalen Franzosen. 3. ...c5 4. e4
(DIAGRAMM)
4. ...cxd4 Die Klassiker muss man kennen: 4. ...dxe4 5. Sxe4 cxd4 6. Dxd4 Dxd4 7. Sxd4 Sf6 8. Sxf6+ gxfö 9. Sb5 Kd8 10. Le3 Sc6 11. 0-0-0+ Ld7 12. g3 Kc8 13. Lg2 a6 14. Sd6+ Lxd6 15. Txd6, Grünfeld-Tattakower, Debrecen 1925. Wer würde da nicht mit Weiß spielen wollen?
5. Dxd4 Sc6 6. Lb5 Ld7 7. Dd2 dxe4 8. Sxe4 Sf6 9. Sxf6+ Dxf6 10. 0-0 a6 11. La4 Td8 12. Del Sd4 13. Lxd7+ Txd7 14. Sxd4 Dxd4 15. c3 Dd3 16. De5 Dd6 17. Dg5 h6 18. Dh5 Dd5 19. Dg4 h5 20. Da4 h4?! 21. h3 Ld6 22. Le3 Th5 23. Tfd1 De5 24. Dg4 g6 25. Tac1 Lc7? 26. Txd7 Kxd7 27. Df3 Ke7 28. Dxb7 Dd6 29. Db4 Dxb4 30. cxb4 Kd7 31. Kf1 Th5 32. Ke2 Le5 33. b3 Tb8 34. Tc4 Lf6 35. Tf4 1:0
Wolfgang Uhlmanns Vorgehen kann beispielhaft dafür stehen, wie Schwarzspieler nach Übergängen zu ihnen vertrauten Systemen ringen. Aber fast immer hat Weiß die Option, Bauernstruktur und Figurenaufmärsche nach seinen Vorstellungen festzulegen. „Zugumstellung'' heißt das Zauberwort und hierüber erfährt man in sieben Hauptkapiteln und entlang von 99 ausführlich analysierten, vollständigen Partien viel:
I 1. Sc3 e5
II 1. Sc3 d52. e4d43. Sce2
III 1. Sc3 d5 2. e4 exd4 3. Sxe4
IV 1. Sc3 d5 2. e4 c6, 2. .. .e6 und 2. .. .Sf6
V 1. Sc3c5 2. Sf3
VI Alternativsysteme nach 1. ...e5, 1. ...d5 und 1. ...c5
VII Verschiedene Antworten auf 1. Sc3
Als e4-Spieler ist man leicht im Vorteil, denn nicht selten kommen halboffene Varianten zustande. Aber auch Anhänger der Wiener Partie können nach 1. Sc3 Sf6 2. e4 e5 auf übliche Pfade einschwenken. Generell gilt, dass für einen Neuanfang zunächst ein erheblicher Arbeits- und Eingewöhnungsaufwand geleistet werden muss, aber ist die Basis gelegt, wächst das Zutrauen in die Stärke „der" Varianten und der Aktualisierungsbedarf nimmt ab. Keilhack hat das Material höchst instruktiv hergerichtet:
* Pläne, Aufstellungen, Zugfolgen usw. werden ungewöhnlich wortreich erklärt; historische Entwicklungslinien nicht vernachlässigt. Wer das Standardwerk des Autors zur Tarrasch-Variante im Damengambit kennt, wird nichts anderes erwartet haben. Aber die Visualisierung gelingt nun deutlich besser.
* Durchschnittlich drei bis vier Diagramme pro Doppelseite unterstützen den Lerneffekt.
* Viele Analysen wurden aus bekannten, aber auch weniger zugänglichen Quellen zusammengefügt und neu bewertet. Hinweise auf weitere Literatur und das Aufzeigen von Fehlern in früheren Publikationen sind ein Kennzeichen.
* Bisher wenig kohärent zusammengetragene Fernschachpartien bilden einen Eckpfeiler des Theoriestandes.
Angesichts dieser Präsentationsart wundert es nicht, dass ein enzyklopädieartiges Handbuch herauskam, das auch in Druck und Layout einen optisch gediegenen Eindruck hinterlässt. Und bei so viel Masse begegnet man auch Spielern der Extra-Klasse. Selbst im modernen, computergestützten Schach verschließen sich Super-Großmeister nicht dem Reiz des einstmals verpönten Seitenpfades. Diese Könner wissen, dass alte Dogmen heuer kaum mehr gelten: Peter Leko, Alexander Morosewitsch und Wassili Iwantschuk gehören als Weißspieler dazu. Doch auch frühere Generationen sind vertreten: Paul Keres, Wassili Smyslow, Bent Larsen, Jan Timman, Ulf Andersson, Robert Hübner, Mihai Suba, Ljubomir Ljubojevic, Vlastimil Hort haben vielleicht nicht immer mit 1. Sc3 eröffnet, strebten aber Stellungen an, die ein Linksspringer-Jünger erreichen kann und will. Klangvolle Namen der Schachhistorie sind anzutreffen: Jose Raoul Capablanca, Aaron Nimzowitsch und Rudolf Charousek belegen vorurteilsfreies Schachdenken.
Eine typische Linksspringer-Stellung ergibt z. B. 1. Sc3 c6 2. Sf3 d5 3. d3. die Leko und Karpow 2001 beim Amber-Schnellschachturnier durch Zugumstellung der ersten beide Züge erreichten.
P. Leko - A. Karpow [B 10]
Monte Carlo 2001
1. e4 c6 2. Sc3 d5 3. d3 e5 4. Sf3 d4 5. Se2 f6 6. g3 c5 7. Lg2 Sc6 8. 0-0 g5 9. c3 a5 10. cxd4 cxd4 11. Sd2 Le6 12. f4 a4 13. Sf3 h6 14. Ld2 Ld6 15. b4 Db6 16. fxg5 fxg5 17. Lxg5 hxg5 18. Sxg5 Sd8 19. Sxe6 Sxe6 20. h4 Th6 21. a3 Ke7 22. Tf5 Dc6 23. Dd2 De8 24. Taf1 Tc8 25. Lh3 Tc7 26. Da2 Td7 27. Kh2 Kd8 28. Sgl Kc8 29. Sf3 Se7 30. Txe5 Lxe5 31. Sxe5 Sc6 32. Sxd7 Dxd7 33. b5 Se7 34. Dd2 Sg8 35. Da5 Dd6 36. Lxe6+ Txe6 37. Tf8+ 1:0
Was passieren kann, wenn der Schwarzspieler nach dem „angetäuschten" Caro-Kann nicht in der Spur bleibt, zeigt eine Partie aus der Oberliga Baden, die nach Redak-tionsschluss, Anfang Februar 2003 gespielt wurde. Marcel Vingerling (DWZ 2233), der Niederländer in Reihen von Rochade Kuppenheim, eiferte gegen einen Spieler mit DWZ 1964 seinen Pionieren aus den flachen Landen nach.
M. Vingerling - M. Zinser [AOO] Oberliga Baden 2002/03
1. Sc3 c6 2. e4 e5 3. d4 Hier führt 3. Sf3 d6 4. d4 zu Stellungen vom Typ der Philidor-Verteidigung. 3. ...exd4 Wer will, der kann mit 3. .. .d6 4. Sge2 Sf6 5. g3 einen Fianchetto-Pirc anstreben. Optional ist 5. f3. 4. Dxd4 Ein prima Zug, wenn kein Springer nach c6 kann. 4. ...Df6 5. e5 Dg6 6. Sh3 d5 7. Sf4 Dg4 8. Le2 Dd7 9. 0-0 Se7 10. Te1 Sf5 11. Dd3 g6 12. Lg4 De7 13. Sfxd5 cxd5 14. Sxd5 Dd8 Die gehetzte Dame ist auf dem Ausgangsfeld zurück, doch Schwarz forciert bereits das Ende des Königs. 15. Sf6+ Ke7 16. Da3+ Ke617. Lxf5+ gxf5 18. Db3+ Ke7 19. Lg5 Da5 20. Se4+ Ke8 21. Sd6+ Lxd6 22. exd6+ Kd7 23. Te7+ Kxd6 24. Td1+ Kc6 25. Dc4+ 1:0
Der auf dem vom Berliner Schach-Karikaturisten Frank Stiefel gestalteten Titel neugierig durch das Brett brechende Springer hat mit seinem Rechtskollegen ganze Arbeit geleistet. Wann lassen Sie es krachen?
Harald Fietz, Schachmagazin 64 08/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Schachmagazin 64"
Mustergültig widerlegt
Schachverlag Kania, Schwieberdingen 2003
HARALD KEILHACK
Der Linksspringer 1.Sc3
UT: Studien einer alternativen Schach-Eröffnung.-400 S., über 500 Diagr. fester Einband, fig Notation, Quellenverzeichnis. Preis 24,80 Euro.
Nicht nur an Umfang übertrifft Der Linksspringer 1. Sc3 ganz klar sämtliche Vorgängerwerke über 1. Sc3, alle drei oder vier. Autor Harald Keilhack machte sich mit Die Trarrasch-Verteidigung (1993) und mit 1.... Sc6 aus allen Lagen (1995) schon einen guten Namen als Theoriebuch-Autor. Der neue Titel gefällt mir noch besser, und das nicht allein, weil 1. Sc3 für mein Repertoire mehr hergibt. Der Autor scheut keine Mühen, um den Stoff übersichtlich und verständlich zu präsentieren. Dabei kommen auch Eigenanalysen von FM Keilhack nicht zu kurz. Immer wieder gibt es auch ausführliche strategische Erklärungen, Kritik an Fehlern in der Literatur und Hinweise auf Zugumstellungen bzw. wie man sie zu eigenem Nutzen ausbeutet. Als Antwort auf 1. Sc3 d5 2. e4 c6 wird etwa 3. Df3 angeregt, die Goldman-Variante im Caro-Kann. Dr. Negeles Artikel in Kaissiber 15 wird auf 14 Seiten fleißig benutzt, dabei ausdrücklich gelobt („brilliert... mit umfangreicher Recherche aus alten Quellen") und zur weiteren Lektüre empfohlen.
Am meisten interessierte mich ein bestimmtes Gambit (B 02 AL 10.3), weil es meist unterschätzt wird: 1.Sc3 Sf6 2.e4 d5 3.d3!? „Von den Spezialisten für 'Unregelmäßiges' haben sich Hugh Myers und Stefan Bücker mit der Thematik befaßt", Keilhack. 3.... dxe4
Mit Hinweis auf die Ablehnungen 3. ... e6, 3. ... e5 und 3. ... Sc6 („am desillusionierendsten", Keilhack)
4. Lg5! exd3
„Es ist nicht klar, ob der Einschub von 4.... Lg4 5. Dd2 exd3 6. Lxd3 die Lage verbessert, z. B. 6.... Sbd7 7. D ...", Keilhack. In Myers - Bondar, Illinois-Meisterschaften2001 (Open), geschah 6.... c6, nun wäre 7. h3 Lh5 8. Lxf6 gxf6 9. f4 am besten, etwa 9. ... e6 10. g4 Lg6 11. f5 exf5 12. gxf5 Lh5 13. Sge2 mit Kompensation für den Bauern.
5. Lxd3 c6!?
Groteske Schacheröffhungen und das neue A Chess Explorer (s. oben) untersuchen Myers -J. Meyer, wo 5.... Sc6 folgte, Weiß jedoch im weiteren Verlauf in Vorteil kam (Remis in 47 Zügen).
Keilhack kann mit dem Tipp 5.... c6!? durchaus Recht haben. Weiß hat nun keine große Auswahl:
6. De1 Lg4 7.0 Lh5 8.0-0-0 Dc7 9. Sh3 Sbd7
(DIAGRAMM)
Der Linksspringer folgt weiter der Partie Santamaria-Stull, Dubai 1986 (Olympiade). Nach 10. The1 0-0-0 11. Lf4 e5! heißt es: „Zeigt, wie man ein solches Gambit handhaben soll...", weiter geht es mit 12. Lxe5 Sxe5 13. Dxe5 Ld6 14. Dd4 Kb8, sowie: „Die weiße Spielweise ist mustergültig widerlegt".
Dieses Urteil scheint mir zu hart. 10. Lf5! stellt Probleme: 10.... Lg6 (10.... e6 11. Lxe6 fxe6 12. Dxe6+ Le7 13. The1 Sf8 14. De3, etwa =) 11. Lxd7+ Sxd7 12. Td2 Td8 (12... Sf6 13. Lxf5 gxf6 14. Sb5) 13. Thd1 f6 (13.... h6 14. Sf4 Lh7 15. Se4) 14. Sf4 Lf7 15. Se6 Lxe6 16. Dxe6 De5 17. Dxe5 fxe5 18. Se4 mit ungefährem Ausgleich.
Stefan Bücker, Kaissiber (Ausgabe19) 2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Kaissiber
Es hat schon die eine oder andere Abhandlung über diese Eröffnung gegeben; aber man kann wohl sagen, dass 1.Sc3 in theoretischer Hinsicht mit diesem Werk erst richtig „entdeckt" wurde! In punkto Vollständigkeit des Materials und Gründlichkeit der Bearbeitung übertrifft es bei weitem alles Vorherige, auch z.B. die CD vor einigen Jahren des bisher als Theoriepapst geltenden FS-GM van Geet. Dabei ist das Buch keineswegs einseitig aus weißer Sicht geschrieben; es werden sogar diverse „Vorzeigevarianten" der bisherigen Sc3-Literatur in Frage gestellt oder gar entzaubert. Trotz des absolut seriösen Grundansatzes sind aber unorthodoxe, originelle oder gar chaotische Spielweisen keineswegs ausgeklammert, wenn auch sehr zu Recht mit deutlichen Hinweisen auf Risiken und Nebenwirkungen versehen...
Auch handwerklich gefällt mir das Buch rundum sehr gut; trotz des voluminösen Umfangs nehmen die Varianten nicht überhand, es gibt eindeutig genug Text, die Erklärungen sollten auch für die „breite Masse" gut verständlich sein - eine solide schachliche Allgemeinbildung vorausgesetzt. Besonders wichtig scheint mir, dass nicht nur die Sc3-typischen Varianten behandelt werden, sondern auch die möglichen Übergänge zu „normalen" e4-Eröffnungen (nur Damenbauerspiele wie etwa 1.Sc3 d5 2.d4, Richter-Weresow, bleiben außen vor). Konkret gibt es Material zu Caro-Kann, Französisch, Aljechin und zum Pirc/Modern-Komplex (daneben noch zahlreiche weniger häufige Überleitungen), das allerdings nicht dem „Mainstream" der Theorie folgt, aber eine relativ breite Auswahl von soliden bis giftigen Nebenvarianten anbietet. Damit wäre es denkbar, dass auch reine 1.e4-Spieler das Eine oder Andere aus diesem Buch in ihr Repertoire aufnehmen könnten. Eine Frage stellt sich natürlich vom schachtheoretischen Standpunkt aus: Ist diese Eröffnung eine so umfangreiche und gründliche Behandlung überhaupt „wert"? Vielleicht ist dazu interessant, dass 1.Sc3 gewissermaßen zwei Gesichter hat: Im Nahschach wurde es bisher meist von einer bestimmten alternativen Szene praktiziert (u.a. mit Stilblüten wie 1.Sc3 c5 2. Tbl oder 1.Sc3 Sf6 2.g4) und daher von der Theorie kaum ernst genommen; im Fernschach dagegen steht es schon seit längerer Zeit sogar bei Top-Spielern in WM-Turnieren hoch im Kurs. Das meiste und qualifizierteste Partiematerial des Buches findet man daher nicht in gängigen (Nahschach-) Theoriewerken, einiges wohl nicht einmal in Standard-Datenbanken - hier aber ist alles gesammelt. Wer bis jetzt keine nähere Beziehung zur Sc3-Szene hatte, wird staunen, wie viel Partien zu manchen vermeintlich exotischen Spielweisen vorliegen.
Noch eine nicht unwichtige Frage: Gibt es angesichts der vielen Überleitungen dennoch einen eigenen Charakter dieser Eröffnung, oder anders gesagt - was könnte einen dazu bringen, 1.Sc3 (mit seriösen Absichten) zu spielen und nicht 1.e4? Nun, z.B. nach 1.e4 ist l...c5 die eindeutig häufigste und mit Theorie überladene Antwort, nach 1.Sc3 c5 2.Sf3 nebst 3.d4 cxd4 4.Sxd4 aber lassen sich die meisten schwarzen Sizilianisch-Zugfolgen ohne simplen Übergang mit schnellem e4 (und oft durchaus pointiert) behandeln. Auch gibt es ganz selbstständige Systeme vor allem nach 1.Sc3 d5 2.e4, wo es für einen nicht speziell vorbereiteten Gegner keineswegs leicht ist, sich am Brett zurechtzufinden. Natürlich muss man auch klar feststellen, dass 1.Sc3 deswegen nicht gleich eine Wunderwaffe ist; bei manchen Überleitungen wie etwa 1.Sc3 d5 2.e4 Sf6 ist die weiße Auswahl schon reichlich eingeengt, auch kann Schwarz selbst versuchen, aus Überleitungs-Ideen Nutzen zu ziehen (lässt sich z.B. 1.Sc3 d5 2.e4 dxe4 3.Sxe4 nicht wie ein Caro-Kann unter Einsparung von c6 behandeln?). Die Details zu solchen Problemen kann man in einer Rezension natürlich nicht ausdiskutieren; mein Eindruck insgesamt: Man sollte mit Weiß keine Wunderdinge erwarten, aber als praxisorientierter Spielansatz verdient 1.Sc3 auch im Nahschach auf jeden Fall Beachtung.
FM Gerd Treppner, Rochade Europa 06/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Rochade Europa"
Früher als Spezialität extravaganter Eröffnungsfreaks mitunter belächelt, hat sich 1.Sc3 - der Linksspringer, so benannt vom Autor FM Harald Keilhack - zur seriösen Alternativmethode des Spielbeginns gemausert. Schon vor 150 Jahren von Kieseritzky erstmals angewandt, machte der holländische IM und Fernschach-GM Dick van Geet den Zug einer breiteren Schach-Öffentlichkeit bekannt. Heute spielen 1.^Sc3:
- Mutige Amateure, die ihre Gegner überraschen wollen; für jene hat wohl unser fleißiger Verfasser seine inhaltsreiche und gehaltvolle Monografie in erster Linie geschrieben. Allerdings können sich jetzt auch die Schwarzspieler besser darauf, vorbereiten!
- Starke Fernschachspieler wie van Geet oder der norwegische Vizeweltmeister von 1999, Ove Ekebjaerg (letzterer verzeichnet schon seit nahezu 40 (!) Jahren ausgezeichnete Erfolge mit 1.Sc3, obwohl alle Gegner von seiner Vorliebe wissen und sich exzessiv vorbereiten und analysieren können).
- Spielstarke „Edelamateure" vorwiegend aus dem tiefen Südwesten Deutschlands, von denen stellvertretend der Tübinger „Randspringer"-He-rausgeber Rainer Schlenker genannt sei.
- Schließlich experimentierfreudige GM wie Bent Larsen, lan Rogers, Jonny Hector, Joel Benjamin, Alexander Morosewitsch u.a., die gelegentlich auf 1.Sc3 zurückgreifen.
Der Autor hat in einer wahren Fleißarbeit und unter Beiziehung aller verfügbaren Quellen sämtliche relevanten (und auch selteneren, s. unten zu 6) und 7)) Fortsetzungen systematisiert und analysiert und präsentiert sie dem Leser in sieben Hauptkapiteln und nicht weniger als 46(!) Unter-Abschnitten:
1) 1.Sc3 e5 mit möglichen Übergängen zu Pirc, Schottisch und zur Wiener Partie (S. 9-42);
2) Der van-Geet-Angriff 1.Sc3 d5 2. e4 d4 3.Sce2, das klassische Kernstück der Linksspringer-Eröffnung, einschließlich ausführlicher Erläuterungen zur Strategie und mit Einschluss des Eidechsen-Angriffs mittels d3, g3, Lg2 und f4 (S. 43-134);
3) Das Abspiel 1.Sc3 d5 2.e4 d:e4 3.S:e4 mit relativ übersichtlichen Strukturen, welche jedoch auch zu taktischen Verwicklungen Anlass geben können (S. 135-184);
4) „Unechte" Abspiele als Nebenvarianten anderer Eröffnungen z.B. 1.Sc3 d5 2.e4 c6 (Caro-Kann), 2.e4 e6 (Französisch) und 2.e4 Sf6 (Aljechin-Verteidigung) (S. 185-257);
5) Gegen den Sizilianer mit 1.Sc3 c5 2.Sf3 (S. 258-313);
6) Seltenere Alternativ-Systeme wie 1.Sc3 e5 2.d4; 1.Sc3 d5 2.e3; 1.Sc3 d5 (oder ...c5) 2.f4 (Aasum-System); 1.Sc3 c5 2.d4 c:d4 3.D:d4 Sc6 4. Dh4; 1.Sc3 c5 2.g4/ Se4 (S. 314-350);
7) Verschiedene schwarze Antworten im 1.Zug wie 1...Sf6, 1...g6 und ...d6, 1...e6 und ...c6, 1...f5 2.e4!, 1....b6 und 1...a6 sowie 1...Sc6 (S. 351-395). Keilhack versorgt den Leser mit 99 ausführlich kommentierten Beispielpartien (nebst weiteren 121 vollständigen Spielen in den Anmerkungen) sowie mit sehr vielen Partiefragmenten mit jeder Menge Studienmaterial. Überdies erklärt er viele Zusammenhänge z.T. sehr ausführlich und hebt sich damit äußerst wohltuend vom heute Üblichen auf dem großen Markt der Eröffnungsliteratur ab.
Somit ist der „Linksspringer" - der auch rein äußerlich mit Festeinband und Fadenheftung höchst gediegen daherkommt - keineswegs als „sinistres" Werk eines Liebhabers unorthodoxer Anfangszüge einzustufen, sondern ganz im Gegenteil als höchst seriöse Leistung eines außergewöhnlich talentierten Autors zu würdigen, welche den Zug 1.Sc3 endgültig „salonfähig" gemacht haben dürfte. Für alle treuen Anhänger des Linksspringers und für alle, die es werden wollen, ist das Buch wohl absolut unverzichtbar! Zwei Partie-Beispiele auf höchster Ebene:
1) Ekebjaerg - Yim, Finale der 14. Fernschach-WM 1994-99 (Vizeweltmeister gegen Weltmeister!) (Partie Nr. 6 auf S. 28 ff): 1.Sc3 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 e:d4 4.S:d4 Sf6 5. Lg5 Lb4 6. S:c6 b:c6 7.Dd4! Le7 8.e4! 0-0 9. Ld3 h6 10.Lf4 d5! 11.0-0 d:e4 12. D:d8 T:d8 13.S:e4 Sd5 14.Le5 Sb4 15.Tfd1 S:d3 16.T:d3 T:d3 17.c:d3 La6 18.d4 Td8 19.Sc5 L:c5 Remis.
2) Morosewitsch - Kasparow, Schnellturnier Frankfurt 2000 (Partie Nr. 83 auf S. 340 ff, dort wie bei der vorigen Partie mit ausführlichen Kommentaren und Analysen): 1.Sc3 c5 2. d4 c:d4 3.D:d4 Sc6 4.Dh4 Sf6 (besser sind 3...e6(!) und 4...d5(!)) 5. Sf3 d5 6.Lg5 Da5 7.0-0-0 Le6 8. Ld2 g6 9.e4 d4 10.e5 Sg4 11.S:d4! S:d4 12.h3 L:g7 13.h:g4 L:e5 14.a3 Tc8 15.Ld3 Sb3+ 16.c:b3 L:c3 17. L:c3 T:c3+ 18.Kb1? T:b3 19. Dh2?! Dc3! 20.Db8+ Lc8 21.Td2 0-0 22.Dh2 h5 23.Thd1 L:g4 24.f3 Le6 25.g4 h:g4 26.f:g4 L:g4 27.Tg1 T:b2+ 28.T:b2 D:d3+ 29.Dc2 Dd7 30.Dd2 D:d2 31.T:d2 Lf3 32.Kb2 Lc6 33.Kc3 Kg7 34.Kb4 e5 35.a4 a6 36.a5 e4 37.Kc5 Te8 38.Te1 Te6 39.Kd4 f5 40.Th2 Kf6 41.Th8 Td6+ 42.Kc5 Td5+ 43.Kb6 Tb5+ 44.Kc7 T:a5 0:1.
Dr. Wolfgang Schweizer, Rochade Europa 07/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Rochade Europa"
Ein aus dem Rahmen des Üblichen fallendes Eröffnungsbuch, denn über weite Strecken leistet Harald Keilhack hier Pionierarbeit.
Seltsamerweise fristet 1.Sc3 bislang ein Schattendasein, obwohl der Zug gegen keinerlei Eröffnungsprinzipien verstößt. Dies gilt zumindest fürs Turnierschach - im Fernschach ist der Zug um vieles populärer, bis in höchste Regionen!
Aufgebaut ist das Buch in sieben Kapiteln rund um 99 Musterpartien. Die fünf Hauptkapitel besprechen 1.Sc3 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4, 1.Sc3 d5 2.e4 d4 3.Sce2, 1.Sc3 d5 2.e4 d:e4, 1.Sc3 d5 2.e4 c6, 2...e6, 2...Sf6, 1.Sc3 c5 2.Sf3 (gefolgt von d4 und/oder g3); dann folgen noch zwei Kapitel zu unüblicheren Systemen.
Viele halten 1.Sc3 bestenfalls für einen "Überleitungszug" zu 1.e4-Systemen, aber dem ist nicht so. Keilhack zeigt in fast allen Abspielen einen pointierten Seitenweg, mitunter ergeben sich tatsächlich Überleitungen zu 1 .e4-Stellungen - dann aber in für Weiß vorteilhafter Form! Insbesondere die Stellungen nach 1.Sc3 d5 2.e4 d4 3.Sce2 haben einen ganz eigenen Charakter.
Keilhack erklärt auf 25 Seiten "Einführung" den strategischen Gehalt, bevor es dann an die Varianten geht.
Originell ist auch die Zusammenstellung der Partien, wobei es zwischen Weltklasse (Morosewitsch -Kasparow), Historie (Nimzowitsch, Charousek usw.), Fernschach und Kaffeehausschach bunt hin und her geht.
Das Buch ist weder trivial noch einäugig oder überoptimistisch, wie es bei Titeln aus dem Genre "Gambit&Seltenes" leider so oft der Fall ist. Keilhack verkauft 1.Sc3 keineswegs als "Wunderwaffe" - vielmehr steht bei ihm ein tiefgründiges Studium des Eröffnungsspiels schlechthin sowie die Vermittlung der Erkenntnisse der "offiziellen" und der "alternativen" Eröffnungstheorie im Vordergrund.
Bestechend sind die Vergleichsstudien, z.B. zum sizilianischen Grand-Prix-Angriff bzw. diversen Königsindisch-Formen oder zu Farbvertauschungen. Wie schon bei seinem jetzt neu aufgelegten Buch zur Tarrasch-Verteidigung hinterfragt Keilhack ständig die Zusammenhänge. Kein Vergleich zu den üblichen Eröffnungswerken, wo vieles scheinbar für selbstverständlich genommen wird und die Autoren sich mehr mit Feinheiten im 15. oder 20. Zug beschäftigen - in Stellungen, die der Normalsterbliche ohnehin kaum einmal aufs Brett bekommen wird.
Erfreulich sind auch die umfangreiche Recherche, die Eröffnungsmagazine wie "Kaissiber" und "Randspringer" sowie Internetquellen miteinschließt, sowie die vielen Eigenanalysen.
Obwohl die vielen Erklärungen sowie einige Essays den Stoff auflockern, muss sich der potenzielle Käufer darüber im Klaren sein, dass das Buch
sprichwörtlich kein "Leichtgewicht" ist. Die relativ eng bedruckten 400 Seiten bieten eine riesige Stoffülle. Zum Aufbau eines eigenen 1.Sc3-Repertoires müssten vielleicht 150 Seiten durchgearbeitet werden - dies ist kein Repertoire-Buch, Keilhack bietet vielmehr fast überall Alternativen für den Anziehenden an, je nach Geschmack des Weißspielers.
Selbst der reine 1.e4-Spieler mag profitieren, insbesondere gegen Caro-Kann, Französisch, Aljechin-Verteidigung und Skandinavisch (1.e4 d5 2.Sc3!) hat Keilhack von der Theorie vernachlässigte Nebenvarianten anzubieten.
Die Verarbeitung mit Festeinband ist auf dem gewohnt hohen Kania-Niveau. Der Preis ist angesichts des Umfangs äußerst moderat.
Schachmarkt 03/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Schachmarkt"
Dort trifft man nicht nur auf obskure Partien von Eröffnungsfreaks, sondern in überraschend hoher Zahl auf Partien aus wichtigen Wettbewerben. In Fernschachkreisen ist 1. Sc3 bis auf Weltmeisterschaftslevel salonfähig. Insbesondere der niederländische Fernschach-GM Dick van Geet - nach dem die Eröffnung zuweilen benannt wird - hat sie mit einigen Landsleuten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Keilhack bevorzugt die Bezeichnung „Linksspringer", um viele andere Namengebungen auf einen Nenner zu vereinen. Natürlich stammen zahlreiche Ideen aus dem experimentierfreudigen, südwestdeutschen Umfeld der Tübinger Schule des „Randspringer"-Magazins. Aber unter Titelträgern tauchen die Varianten ebenfalls auf. Schon immer bedienten sich die üblichen Verdächtigen ihrer (z. B. Juan Bellon, lan Rogers, Roland Schmaltz, William Watson, Joel Benjamin,
Jonny Hector), also Spieler, die ein Faible für neue Wege haben. Ein Beispiel macht deutlich, dass selbst erfahrene Kämpen nicht immer standfest sind, wenn die „Freidenker" (Keilhack im Vorwort) auspacken.
J. Hector - W. Uhlmann [CIO]
Välby 1991
1. Sc3 d5 2. d4 e6 3. Sf3 Bleibt auf Vermeidungskurs gegen den normalen Franzosen. 3. ...c5 4. e4
(DIAGRAMM)
4. ...cxd4 Die Klassiker muss man kennen: 4. ...dxe4 5. Sxe4 cxd4 6. Dxd4 Dxd4 7. Sxd4 Sf6 8. Sxf6+ gxfö 9. Sb5 Kd8 10. Le3 Sc6 11. 0-0-0+ Ld7 12. g3 Kc8 13. Lg2 a6 14. Sd6+ Lxd6 15. Txd6, Grünfeld-Tattakower, Debrecen 1925. Wer würde da nicht mit Weiß spielen wollen?
5. Dxd4 Sc6 6. Lb5 Ld7 7. Dd2 dxe4 8. Sxe4 Sf6 9. Sxf6+ Dxf6 10. 0-0 a6 11. La4 Td8 12. Del Sd4 13. Lxd7+ Txd7 14. Sxd4 Dxd4 15. c3 Dd3 16. De5 Dd6 17. Dg5 h6 18. Dh5 Dd5 19. Dg4 h5 20. Da4 h4?! 21. h3 Ld6 22. Le3 Th5 23. Tfd1 De5 24. Dg4 g6 25. Tac1 Lc7? 26. Txd7 Kxd7 27. Df3 Ke7 28. Dxb7 Dd6 29. Db4 Dxb4 30. cxb4 Kd7 31. Kf1 Th5 32. Ke2 Le5 33. b3 Tb8 34. Tc4 Lf6 35. Tf4 1:0
Wolfgang Uhlmanns Vorgehen kann beispielhaft dafür stehen, wie Schwarzspieler nach Übergängen zu ihnen vertrauten Systemen ringen. Aber fast immer hat Weiß die Option, Bauernstruktur und Figurenaufmärsche nach seinen Vorstellungen festzulegen. „Zugumstellung'' heißt das Zauberwort und hierüber erfährt man in sieben Hauptkapiteln und entlang von 99 ausführlich analysierten, vollständigen Partien viel:
I 1. Sc3 e5
II 1. Sc3 d52. e4d43. Sce2
III 1. Sc3 d5 2. e4 exd4 3. Sxe4
IV 1. Sc3 d5 2. e4 c6, 2. .. .e6 und 2. .. .Sf6
V 1. Sc3c5 2. Sf3
VI Alternativsysteme nach 1. ...e5, 1. ...d5 und 1. ...c5
VII Verschiedene Antworten auf 1. Sc3
Als e4-Spieler ist man leicht im Vorteil, denn nicht selten kommen halboffene Varianten zustande. Aber auch Anhänger der Wiener Partie können nach 1. Sc3 Sf6 2. e4 e5 auf übliche Pfade einschwenken. Generell gilt, dass für einen Neuanfang zunächst ein erheblicher Arbeits- und Eingewöhnungsaufwand geleistet werden muss, aber ist die Basis gelegt, wächst das Zutrauen in die Stärke „der" Varianten und der Aktualisierungsbedarf nimmt ab. Keilhack hat das Material höchst instruktiv hergerichtet:
* Pläne, Aufstellungen, Zugfolgen usw. werden ungewöhnlich wortreich erklärt; historische Entwicklungslinien nicht vernachlässigt. Wer das Standardwerk des Autors zur Tarrasch-Variante im Damengambit kennt, wird nichts anderes erwartet haben. Aber die Visualisierung gelingt nun deutlich besser.
* Durchschnittlich drei bis vier Diagramme pro Doppelseite unterstützen den Lerneffekt.
* Viele Analysen wurden aus bekannten, aber auch weniger zugänglichen Quellen zusammengefügt und neu bewertet. Hinweise auf weitere Literatur und das Aufzeigen von Fehlern in früheren Publikationen sind ein Kennzeichen.
* Bisher wenig kohärent zusammengetragene Fernschachpartien bilden einen Eckpfeiler des Theoriestandes.
Angesichts dieser Präsentationsart wundert es nicht, dass ein enzyklopädieartiges Handbuch herauskam, das auch in Druck und Layout einen optisch gediegenen Eindruck hinterlässt. Und bei so viel Masse begegnet man auch Spielern der Extra-Klasse. Selbst im modernen, computergestützten Schach verschließen sich Super-Großmeister nicht dem Reiz des einstmals verpönten Seitenpfades. Diese Könner wissen, dass alte Dogmen heuer kaum mehr gelten: Peter Leko, Alexander Morosewitsch und Wassili Iwantschuk gehören als Weißspieler dazu. Doch auch frühere Generationen sind vertreten: Paul Keres, Wassili Smyslow, Bent Larsen, Jan Timman, Ulf Andersson, Robert Hübner, Mihai Suba, Ljubomir Ljubojevic, Vlastimil Hort haben vielleicht nicht immer mit 1. Sc3 eröffnet, strebten aber Stellungen an, die ein Linksspringer-Jünger erreichen kann und will. Klangvolle Namen der Schachhistorie sind anzutreffen: Jose Raoul Capablanca, Aaron Nimzowitsch und Rudolf Charousek belegen vorurteilsfreies Schachdenken.
Eine typische Linksspringer-Stellung ergibt z. B. 1. Sc3 c6 2. Sf3 d5 3. d3. die Leko und Karpow 2001 beim Amber-Schnellschachturnier durch Zugumstellung der ersten beide Züge erreichten.
P. Leko - A. Karpow [B 10]
Monte Carlo 2001
1. e4 c6 2. Sc3 d5 3. d3 e5 4. Sf3 d4 5. Se2 f6 6. g3 c5 7. Lg2 Sc6 8. 0-0 g5 9. c3 a5 10. cxd4 cxd4 11. Sd2 Le6 12. f4 a4 13. Sf3 h6 14. Ld2 Ld6 15. b4 Db6 16. fxg5 fxg5 17. Lxg5 hxg5 18. Sxg5 Sd8 19. Sxe6 Sxe6 20. h4 Th6 21. a3 Ke7 22. Tf5 Dc6 23. Dd2 De8 24. Taf1 Tc8 25. Lh3 Tc7 26. Da2 Td7 27. Kh2 Kd8 28. Sgl Kc8 29. Sf3 Se7 30. Txe5 Lxe5 31. Sxe5 Sc6 32. Sxd7 Dxd7 33. b5 Se7 34. Dd2 Sg8 35. Da5 Dd6 36. Lxe6+ Txe6 37. Tf8+ 1:0
Was passieren kann, wenn der Schwarzspieler nach dem „angetäuschten" Caro-Kann nicht in der Spur bleibt, zeigt eine Partie aus der Oberliga Baden, die nach Redak-tionsschluss, Anfang Februar 2003 gespielt wurde. Marcel Vingerling (DWZ 2233), der Niederländer in Reihen von Rochade Kuppenheim, eiferte gegen einen Spieler mit DWZ 1964 seinen Pionieren aus den flachen Landen nach.
M. Vingerling - M. Zinser [AOO] Oberliga Baden 2002/03
1. Sc3 c6 2. e4 e5 3. d4 Hier führt 3. Sf3 d6 4. d4 zu Stellungen vom Typ der Philidor-Verteidigung. 3. ...exd4 Wer will, der kann mit 3. .. .d6 4. Sge2 Sf6 5. g3 einen Fianchetto-Pirc anstreben. Optional ist 5. f3. 4. Dxd4 Ein prima Zug, wenn kein Springer nach c6 kann. 4. ...Df6 5. e5 Dg6 6. Sh3 d5 7. Sf4 Dg4 8. Le2 Dd7 9. 0-0 Se7 10. Te1 Sf5 11. Dd3 g6 12. Lg4 De7 13. Sfxd5 cxd5 14. Sxd5 Dd8 Die gehetzte Dame ist auf dem Ausgangsfeld zurück, doch Schwarz forciert bereits das Ende des Königs. 15. Sf6+ Ke7 16. Da3+ Ke617. Lxf5+ gxf5 18. Db3+ Ke7 19. Lg5 Da5 20. Se4+ Ke8 21. Sd6+ Lxd6 22. exd6+ Kd7 23. Te7+ Kxd6 24. Td1+ Kc6 25. Dc4+ 1:0
Der auf dem vom Berliner Schach-Karikaturisten Frank Stiefel gestalteten Titel neugierig durch das Brett brechende Springer hat mit seinem Rechtskollegen ganze Arbeit geleistet. Wann lassen Sie es krachen?
Harald Fietz, Schachmagazin 64 08/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Schachmagazin 64"
Mustergültig widerlegt
Schachverlag Kania, Schwieberdingen 2003
HARALD KEILHACK
Der Linksspringer 1.Sc3
UT: Studien einer alternativen Schach-Eröffnung.-400 S., über 500 Diagr. fester Einband, fig Notation, Quellenverzeichnis. Preis 24,80 Euro.
Nicht nur an Umfang übertrifft Der Linksspringer 1. Sc3 ganz klar sämtliche Vorgängerwerke über 1. Sc3, alle drei oder vier. Autor Harald Keilhack machte sich mit Die Trarrasch-Verteidigung (1993) und mit 1.... Sc6 aus allen Lagen (1995) schon einen guten Namen als Theoriebuch-Autor. Der neue Titel gefällt mir noch besser, und das nicht allein, weil 1. Sc3 für mein Repertoire mehr hergibt. Der Autor scheut keine Mühen, um den Stoff übersichtlich und verständlich zu präsentieren. Dabei kommen auch Eigenanalysen von FM Keilhack nicht zu kurz. Immer wieder gibt es auch ausführliche strategische Erklärungen, Kritik an Fehlern in der Literatur und Hinweise auf Zugumstellungen bzw. wie man sie zu eigenem Nutzen ausbeutet. Als Antwort auf 1. Sc3 d5 2. e4 c6 wird etwa 3. Df3 angeregt, die Goldman-Variante im Caro-Kann. Dr. Negeles Artikel in Kaissiber 15 wird auf 14 Seiten fleißig benutzt, dabei ausdrücklich gelobt („brilliert... mit umfangreicher Recherche aus alten Quellen") und zur weiteren Lektüre empfohlen.
Am meisten interessierte mich ein bestimmtes Gambit (B 02 AL 10.3), weil es meist unterschätzt wird: 1.Sc3 Sf6 2.e4 d5 3.d3!? „Von den Spezialisten für 'Unregelmäßiges' haben sich Hugh Myers und Stefan Bücker mit der Thematik befaßt", Keilhack. 3.... dxe4
Mit Hinweis auf die Ablehnungen 3. ... e6, 3. ... e5 und 3. ... Sc6 („am desillusionierendsten", Keilhack)
4. Lg5! exd3
„Es ist nicht klar, ob der Einschub von 4.... Lg4 5. Dd2 exd3 6. Lxd3 die Lage verbessert, z. B. 6.... Sbd7 7. D ...", Keilhack. In Myers - Bondar, Illinois-Meisterschaften2001 (Open), geschah 6.... c6, nun wäre 7. h3 Lh5 8. Lxf6 gxf6 9. f4 am besten, etwa 9. ... e6 10. g4 Lg6 11. f5 exf5 12. gxf5 Lh5 13. Sge2 mit Kompensation für den Bauern.
5. Lxd3 c6!?
Groteske Schacheröffhungen und das neue A Chess Explorer (s. oben) untersuchen Myers -J. Meyer, wo 5.... Sc6 folgte, Weiß jedoch im weiteren Verlauf in Vorteil kam (Remis in 47 Zügen).
Keilhack kann mit dem Tipp 5.... c6!? durchaus Recht haben. Weiß hat nun keine große Auswahl:
6. De1 Lg4 7.0 Lh5 8.0-0-0 Dc7 9. Sh3 Sbd7
(DIAGRAMM)
Der Linksspringer folgt weiter der Partie Santamaria-Stull, Dubai 1986 (Olympiade). Nach 10. The1 0-0-0 11. Lf4 e5! heißt es: „Zeigt, wie man ein solches Gambit handhaben soll...", weiter geht es mit 12. Lxe5 Sxe5 13. Dxe5 Ld6 14. Dd4 Kb8, sowie: „Die weiße Spielweise ist mustergültig widerlegt".
Dieses Urteil scheint mir zu hart. 10. Lf5! stellt Probleme: 10.... Lg6 (10.... e6 11. Lxe6 fxe6 12. Dxe6+ Le7 13. The1 Sf8 14. De3, etwa =) 11. Lxd7+ Sxd7 12. Td2 Td8 (12... Sf6 13. Lxf5 gxf6 14. Sb5) 13. Thd1 f6 (13.... h6 14. Sf4 Lh7 15. Se4) 14. Sf4 Lf7 15. Se6 Lxe6 16. Dxe6 De5 17. Dxe5 fxe5 18. Se4 mit ungefährem Ausgleich.
Stefan Bücker, Kaissiber (Ausgabe19) 2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Kaissiber
Es hat schon die eine oder andere Abhandlung über diese Eröffnung gegeben; aber man kann wohl sagen, dass 1.Sc3 in theoretischer Hinsicht mit diesem Werk erst richtig „entdeckt" wurde! In punkto Vollständigkeit des Materials und Gründlichkeit der Bearbeitung übertrifft es bei weitem alles Vorherige, auch z.B. die CD vor einigen Jahren des bisher als Theoriepapst geltenden FS-GM van Geet. Dabei ist das Buch keineswegs einseitig aus weißer Sicht geschrieben; es werden sogar diverse „Vorzeigevarianten" der bisherigen Sc3-Literatur in Frage gestellt oder gar entzaubert. Trotz des absolut seriösen Grundansatzes sind aber unorthodoxe, originelle oder gar chaotische Spielweisen keineswegs ausgeklammert, wenn auch sehr zu Recht mit deutlichen Hinweisen auf Risiken und Nebenwirkungen versehen...
Auch handwerklich gefällt mir das Buch rundum sehr gut; trotz des voluminösen Umfangs nehmen die Varianten nicht überhand, es gibt eindeutig genug Text, die Erklärungen sollten auch für die „breite Masse" gut verständlich sein - eine solide schachliche Allgemeinbildung vorausgesetzt. Besonders wichtig scheint mir, dass nicht nur die Sc3-typischen Varianten behandelt werden, sondern auch die möglichen Übergänge zu „normalen" e4-Eröffnungen (nur Damenbauerspiele wie etwa 1.Sc3 d5 2.d4, Richter-Weresow, bleiben außen vor). Konkret gibt es Material zu Caro-Kann, Französisch, Aljechin und zum Pirc/Modern-Komplex (daneben noch zahlreiche weniger häufige Überleitungen), das allerdings nicht dem „Mainstream" der Theorie folgt, aber eine relativ breite Auswahl von soliden bis giftigen Nebenvarianten anbietet. Damit wäre es denkbar, dass auch reine 1.e4-Spieler das Eine oder Andere aus diesem Buch in ihr Repertoire aufnehmen könnten. Eine Frage stellt sich natürlich vom schachtheoretischen Standpunkt aus: Ist diese Eröffnung eine so umfangreiche und gründliche Behandlung überhaupt „wert"? Vielleicht ist dazu interessant, dass 1.Sc3 gewissermaßen zwei Gesichter hat: Im Nahschach wurde es bisher meist von einer bestimmten alternativen Szene praktiziert (u.a. mit Stilblüten wie 1.Sc3 c5 2. Tbl oder 1.Sc3 Sf6 2.g4) und daher von der Theorie kaum ernst genommen; im Fernschach dagegen steht es schon seit längerer Zeit sogar bei Top-Spielern in WM-Turnieren hoch im Kurs. Das meiste und qualifizierteste Partiematerial des Buches findet man daher nicht in gängigen (Nahschach-) Theoriewerken, einiges wohl nicht einmal in Standard-Datenbanken - hier aber ist alles gesammelt. Wer bis jetzt keine nähere Beziehung zur Sc3-Szene hatte, wird staunen, wie viel Partien zu manchen vermeintlich exotischen Spielweisen vorliegen.
Noch eine nicht unwichtige Frage: Gibt es angesichts der vielen Überleitungen dennoch einen eigenen Charakter dieser Eröffnung, oder anders gesagt - was könnte einen dazu bringen, 1.Sc3 (mit seriösen Absichten) zu spielen und nicht 1.e4? Nun, z.B. nach 1.e4 ist l...c5 die eindeutig häufigste und mit Theorie überladene Antwort, nach 1.Sc3 c5 2.Sf3 nebst 3.d4 cxd4 4.Sxd4 aber lassen sich die meisten schwarzen Sizilianisch-Zugfolgen ohne simplen Übergang mit schnellem e4 (und oft durchaus pointiert) behandeln. Auch gibt es ganz selbstständige Systeme vor allem nach 1.Sc3 d5 2.e4, wo es für einen nicht speziell vorbereiteten Gegner keineswegs leicht ist, sich am Brett zurechtzufinden. Natürlich muss man auch klar feststellen, dass 1.Sc3 deswegen nicht gleich eine Wunderwaffe ist; bei manchen Überleitungen wie etwa 1.Sc3 d5 2.e4 Sf6 ist die weiße Auswahl schon reichlich eingeengt, auch kann Schwarz selbst versuchen, aus Überleitungs-Ideen Nutzen zu ziehen (lässt sich z.B. 1.Sc3 d5 2.e4 dxe4 3.Sxe4 nicht wie ein Caro-Kann unter Einsparung von c6 behandeln?). Die Details zu solchen Problemen kann man in einer Rezension natürlich nicht ausdiskutieren; mein Eindruck insgesamt: Man sollte mit Weiß keine Wunderdinge erwarten, aber als praxisorientierter Spielansatz verdient 1.Sc3 auch im Nahschach auf jeden Fall Beachtung.
FM Gerd Treppner, Rochade Europa 06/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Rochade Europa"
Früher als Spezialität extravaganter Eröffnungsfreaks mitunter belächelt, hat sich 1.Sc3 - der Linksspringer, so benannt vom Autor FM Harald Keilhack - zur seriösen Alternativmethode des Spielbeginns gemausert. Schon vor 150 Jahren von Kieseritzky erstmals angewandt, machte der holländische IM und Fernschach-GM Dick van Geet den Zug einer breiteren Schach-Öffentlichkeit bekannt. Heute spielen 1.^Sc3:
- Mutige Amateure, die ihre Gegner überraschen wollen; für jene hat wohl unser fleißiger Verfasser seine inhaltsreiche und gehaltvolle Monografie in erster Linie geschrieben. Allerdings können sich jetzt auch die Schwarzspieler besser darauf, vorbereiten!
- Starke Fernschachspieler wie van Geet oder der norwegische Vizeweltmeister von 1999, Ove Ekebjaerg (letzterer verzeichnet schon seit nahezu 40 (!) Jahren ausgezeichnete Erfolge mit 1.Sc3, obwohl alle Gegner von seiner Vorliebe wissen und sich exzessiv vorbereiten und analysieren können).
- Spielstarke „Edelamateure" vorwiegend aus dem tiefen Südwesten Deutschlands, von denen stellvertretend der Tübinger „Randspringer"-He-rausgeber Rainer Schlenker genannt sei.
- Schließlich experimentierfreudige GM wie Bent Larsen, lan Rogers, Jonny Hector, Joel Benjamin, Alexander Morosewitsch u.a., die gelegentlich auf 1.Sc3 zurückgreifen.
Der Autor hat in einer wahren Fleißarbeit und unter Beiziehung aller verfügbaren Quellen sämtliche relevanten (und auch selteneren, s. unten zu 6) und 7)) Fortsetzungen systematisiert und analysiert und präsentiert sie dem Leser in sieben Hauptkapiteln und nicht weniger als 46(!) Unter-Abschnitten:
1) 1.Sc3 e5 mit möglichen Übergängen zu Pirc, Schottisch und zur Wiener Partie (S. 9-42);
2) Der van-Geet-Angriff 1.Sc3 d5 2. e4 d4 3.Sce2, das klassische Kernstück der Linksspringer-Eröffnung, einschließlich ausführlicher Erläuterungen zur Strategie und mit Einschluss des Eidechsen-Angriffs mittels d3, g3, Lg2 und f4 (S. 43-134);
3) Das Abspiel 1.Sc3 d5 2.e4 d:e4 3.S:e4 mit relativ übersichtlichen Strukturen, welche jedoch auch zu taktischen Verwicklungen Anlass geben können (S. 135-184);
4) „Unechte" Abspiele als Nebenvarianten anderer Eröffnungen z.B. 1.Sc3 d5 2.e4 c6 (Caro-Kann), 2.e4 e6 (Französisch) und 2.e4 Sf6 (Aljechin-Verteidigung) (S. 185-257);
5) Gegen den Sizilianer mit 1.Sc3 c5 2.Sf3 (S. 258-313);
6) Seltenere Alternativ-Systeme wie 1.Sc3 e5 2.d4; 1.Sc3 d5 2.e3; 1.Sc3 d5 (oder ...c5) 2.f4 (Aasum-System); 1.Sc3 c5 2.d4 c:d4 3.D:d4 Sc6 4. Dh4; 1.Sc3 c5 2.g4/ Se4 (S. 314-350);
7) Verschiedene schwarze Antworten im 1.Zug wie 1...Sf6, 1...g6 und ...d6, 1...e6 und ...c6, 1...f5 2.e4!, 1....b6 und 1...a6 sowie 1...Sc6 (S. 351-395). Keilhack versorgt den Leser mit 99 ausführlich kommentierten Beispielpartien (nebst weiteren 121 vollständigen Spielen in den Anmerkungen) sowie mit sehr vielen Partiefragmenten mit jeder Menge Studienmaterial. Überdies erklärt er viele Zusammenhänge z.T. sehr ausführlich und hebt sich damit äußerst wohltuend vom heute Üblichen auf dem großen Markt der Eröffnungsliteratur ab.
Somit ist der „Linksspringer" - der auch rein äußerlich mit Festeinband und Fadenheftung höchst gediegen daherkommt - keineswegs als „sinistres" Werk eines Liebhabers unorthodoxer Anfangszüge einzustufen, sondern ganz im Gegenteil als höchst seriöse Leistung eines außergewöhnlich talentierten Autors zu würdigen, welche den Zug 1.Sc3 endgültig „salonfähig" gemacht haben dürfte. Für alle treuen Anhänger des Linksspringers und für alle, die es werden wollen, ist das Buch wohl absolut unverzichtbar! Zwei Partie-Beispiele auf höchster Ebene:
1) Ekebjaerg - Yim, Finale der 14. Fernschach-WM 1994-99 (Vizeweltmeister gegen Weltmeister!) (Partie Nr. 6 auf S. 28 ff): 1.Sc3 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 e:d4 4.S:d4 Sf6 5. Lg5 Lb4 6. S:c6 b:c6 7.Dd4! Le7 8.e4! 0-0 9. Ld3 h6 10.Lf4 d5! 11.0-0 d:e4 12. D:d8 T:d8 13.S:e4 Sd5 14.Le5 Sb4 15.Tfd1 S:d3 16.T:d3 T:d3 17.c:d3 La6 18.d4 Td8 19.Sc5 L:c5 Remis.
2) Morosewitsch - Kasparow, Schnellturnier Frankfurt 2000 (Partie Nr. 83 auf S. 340 ff, dort wie bei der vorigen Partie mit ausführlichen Kommentaren und Analysen): 1.Sc3 c5 2. d4 c:d4 3.D:d4 Sc6 4.Dh4 Sf6 (besser sind 3...e6(!) und 4...d5(!)) 5. Sf3 d5 6.Lg5 Da5 7.0-0-0 Le6 8. Ld2 g6 9.e4 d4 10.e5 Sg4 11.S:d4! S:d4 12.h3 L:g7 13.h:g4 L:e5 14.a3 Tc8 15.Ld3 Sb3+ 16.c:b3 L:c3 17. L:c3 T:c3+ 18.Kb1? T:b3 19. Dh2?! Dc3! 20.Db8+ Lc8 21.Td2 0-0 22.Dh2 h5 23.Thd1 L:g4 24.f3 Le6 25.g4 h:g4 26.f:g4 L:g4 27.Tg1 T:b2+ 28.T:b2 D:d3+ 29.Dc2 Dd7 30.Dd2 D:d2 31.T:d2 Lf3 32.Kb2 Lc6 33.Kc3 Kg7 34.Kb4 e5 35.a4 a6 36.a5 e4 37.Kc5 Te8 38.Te1 Te6 39.Kd4 f5 40.Th2 Kf6 41.Th8 Td6+ 42.Kc5 Td5+ 43.Kb6 Tb5+ 44.Kc7 T:a5 0:1.
Dr. Wolfgang Schweizer, Rochade Europa 07/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Rochade Europa"
Ein aus dem Rahmen des Üblichen fallendes Eröffnungsbuch, denn über weite Strecken leistet Harald Keilhack hier Pionierarbeit.
Seltsamerweise fristet 1.Sc3 bislang ein Schattendasein, obwohl der Zug gegen keinerlei Eröffnungsprinzipien verstößt. Dies gilt zumindest fürs Turnierschach - im Fernschach ist der Zug um vieles populärer, bis in höchste Regionen!
Aufgebaut ist das Buch in sieben Kapiteln rund um 99 Musterpartien. Die fünf Hauptkapitel besprechen 1.Sc3 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4, 1.Sc3 d5 2.e4 d4 3.Sce2, 1.Sc3 d5 2.e4 d:e4, 1.Sc3 d5 2.e4 c6, 2...e6, 2...Sf6, 1.Sc3 c5 2.Sf3 (gefolgt von d4 und/oder g3); dann folgen noch zwei Kapitel zu unüblicheren Systemen.
Viele halten 1.Sc3 bestenfalls für einen "Überleitungszug" zu 1.e4-Systemen, aber dem ist nicht so. Keilhack zeigt in fast allen Abspielen einen pointierten Seitenweg, mitunter ergeben sich tatsächlich Überleitungen zu 1 .e4-Stellungen - dann aber in für Weiß vorteilhafter Form! Insbesondere die Stellungen nach 1.Sc3 d5 2.e4 d4 3.Sce2 haben einen ganz eigenen Charakter.
Keilhack erklärt auf 25 Seiten "Einführung" den strategischen Gehalt, bevor es dann an die Varianten geht.
Originell ist auch die Zusammenstellung der Partien, wobei es zwischen Weltklasse (Morosewitsch -Kasparow), Historie (Nimzowitsch, Charousek usw.), Fernschach und Kaffeehausschach bunt hin und her geht.
Das Buch ist weder trivial noch einäugig oder überoptimistisch, wie es bei Titeln aus dem Genre "Gambit&Seltenes" leider so oft der Fall ist. Keilhack verkauft 1.Sc3 keineswegs als "Wunderwaffe" - vielmehr steht bei ihm ein tiefgründiges Studium des Eröffnungsspiels schlechthin sowie die Vermittlung der Erkenntnisse der "offiziellen" und der "alternativen" Eröffnungstheorie im Vordergrund.
Bestechend sind die Vergleichsstudien, z.B. zum sizilianischen Grand-Prix-Angriff bzw. diversen Königsindisch-Formen oder zu Farbvertauschungen. Wie schon bei seinem jetzt neu aufgelegten Buch zur Tarrasch-Verteidigung hinterfragt Keilhack ständig die Zusammenhänge. Kein Vergleich zu den üblichen Eröffnungswerken, wo vieles scheinbar für selbstverständlich genommen wird und die Autoren sich mehr mit Feinheiten im 15. oder 20. Zug beschäftigen - in Stellungen, die der Normalsterbliche ohnehin kaum einmal aufs Brett bekommen wird.
Erfreulich sind auch die umfangreiche Recherche, die Eröffnungsmagazine wie "Kaissiber" und "Randspringer" sowie Internetquellen miteinschließt, sowie die vielen Eigenanalysen.
Obwohl die vielen Erklärungen sowie einige Essays den Stoff auflockern, muss sich der potenzielle Käufer darüber im Klaren sein, dass das Buch
sprichwörtlich kein "Leichtgewicht" ist. Die relativ eng bedruckten 400 Seiten bieten eine riesige Stoffülle. Zum Aufbau eines eigenen 1.Sc3-Repertoires müssten vielleicht 150 Seiten durchgearbeitet werden - dies ist kein Repertoire-Buch, Keilhack bietet vielmehr fast überall Alternativen für den Anziehenden an, je nach Geschmack des Weißspielers.
Selbst der reine 1.e4-Spieler mag profitieren, insbesondere gegen Caro-Kann, Französisch, Aljechin-Verteidigung und Skandinavisch (1.e4 d5 2.Sc3!) hat Keilhack von der Theorie vernachlässigte Nebenvarianten anzubieten.
Die Verarbeitung mit Festeinband ist auf dem gewohnt hohen Kania-Niveau. Der Preis ist angesichts des Umfangs äußerst moderat.
Schachmarkt 03/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Schachmarkt"
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