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LXHAABB1870
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Das Schachturnier zu Baden-Baden 1870

Der unbekannte Schachmeister A. Stern

182 Seiten, gebunden, Rattmann, 1. Auflage 2006

19,90 €
Inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten
Final vergriffen
Vorwort

Im Jahre 1870 beschränkte der englische Fußballverband die Anzahl der Spieler pro Mannschaft von „15 bis 20" auf elf. Daran erinnert sich aber heute kaum ein Mensch mehr, ebenso nicht an die Spieler oder an die Spiele der damaligen Zeit. Was das mit Schach zu tun hat? Nichts - aber es zeigt uns, wie lange 135 Jahre alte Ereignisse wirklich zurückliegen können. Im Schach ist das ganz anders. Die heute vorliegenden Partien der bedeutendsten Spieler jener Epoche sind uns - trotz der inzwischen fortSchachtheorie und des gewandelten Spielstils - gedanklich ganz nahe, wenn wir sie nachspielen und nacherleben. Sie geben uns einen hervorragenden Einin die Denkweise der frühen Schachmeister. Doch was wissen wir über deren Zeit wirklich? Nun, das mag jeder für sich beantworten.
Das Debüt von London (1851) lag schon einige Zeit zurück, als das Turnierschach zu Beginn der 1860er Jahre einen raschen Aufschwung nahm. Den Höhepunkt dieser heute als „romantisch" bezeichneten Schachepoche, die von 1834 an (beginnend mit dem Wettkampf zwischen LaBourdonnais und McDonnell) rund 40 Jahre andauerte, bildete die Trilogie der internationalen Turniere von Paris 1867, Baden-Baden 1870 und Wien 1873. Über zwei davon existieren hervorragende Turnierbücher - letzteres ist durch den Olms-Nachdruck recht bekannt geworden.
Dagegen fand das erste internationale Turnier auf deutschem Boden keine gesonderte literarische Beachtung. Es stand schon vor seiner Eröffnung unter einem ungünstigen Stern, da es in die ersten Tage des Deutsch-französischen Krieges fiel und zudem in unmittelbarer Frontnähe stattfinden sollte, weshalb es sogar in Frage gestellt worden war. Die Partien dieses Turniers sind heute durchaus zugänglich; man findet sie in den gängigen Datenbanken. Doch das ist nicht der entscheidende Punkt. Berichte und Kommentare zum Turnier und den Partien sind, soweit überhaupt vorhanden, über verschiedene ältere Quellen verstreut und machen das Studium recht langwierig. Auch ist die Epoche der sogenannten Reichseinigungskriege, die zwischen 1864 und 1871 zum Zusammenwachsen Deutschlands führte, heute allgemein fast nicht mehr präsent. Dies musste ich zu meiner Schande an mir selbst feststellen: Mein Wissen darüber war noch bis vor kurzem in jeglicher Hinsicht praktisch Null. Diese beiden „Missstände" führten zum Entstehen dieses Buches. Es war aber nicht beabsichtigt, ein Turnierbuch zu imitieren, wie es anno 1870 möglicherweise hätte geschrieben werden können. Statt dessen wurden mehrere Ziele verfolgt:
1) Zusammenstellung aller verfügbaren Erkenntnisse zum Baden-Badener Turnier, eingeschlossen einen Vergleich mit den zeitnächsten großen Turnieren.
2) Präsentation aller verfügbaren Partien des Turniers unter Verwendung historischer Kommentare. Auf neue Analysen wurde nicht nur aus Mangel an Kompetenz versondern auch, um das damalige Schachverständnis besser ins Licht zu rücken. Der Leser ist jedoch eingeladen, sich seine eigenen Gedanken zu machen und mit allen verfügbaren Mitteln eigene Analysen zu erstellen. Vielleicht finden wir ja auch bald in der Schachpresse Abhandlungen aus berufeneren Federn!?
3) Zusammenfassung des geschichtlichen Hintergrunds und des Tagesgeschehens während des Turniers, das etwa zeitgleich mit der Kriegserklärung Frankreichs begann und ungefähr zeitgleich mit den ersten großen Schlachten endete.
Gerade durch diesen letzten Punkt wird sich das vorliegende stark von den meisten anderen Schachbüchern unterscheiden. Mancher Leser wird über die Häufung nicht-schachlicher Fakten erstaunt sein, zumal da es wenige vergleichbare Vorläufer gibt; und ich selbst muss gestehen, seinerzeit mit einer gewissen Verwunderung in den einKapiteln von Helmut Wietecks „Die Wiener Schachschule" einen Bericht über die Schlacht von Königgrätz vorgefunden zu haben. Das Konzept, auf diese Weise einen engeren Bezug zur damaligen Zeit herzustellen, erscheint mir aber recht interessant und - wie wir sehen werden - gerade in Bezug auf das Baden-Badener Turnier bedeutsam für das Verständnis einiger Vorgänge.
Wir bemerken zudem eine interessante chronologische Parallelität der Ereignisse im Turnier (spannender, sich zuspitzender Kampf um den Turniersieg) und der Aufim Krieg (eine Zeit der Ungewissheit zwischen der Kriegserklärung und dem Ausgang der ersten Schlachten).
Aufgrund des plötzlichen Kriegsausbruchs konnte das Turnier nicht den glanzvollen Verlauf nehmen, den sich sowohl die Ausrichter als auch die Schachwelt gewünscht hatten. Auch die Berichterstattung hat darunter gelitten - schon nach wenigen Tagen wurde der tägliche Abdruck der Turnierergebnisse in den Tageszeitungen, vermutlich unter dem Eindruck der sich immer mehr zuspitzenden Kriegslage, eingestellt. Zudem musste einer der Teilnehmer nach wenigen Runden, als Reservist einberufen, aus dem Turnier ausscheiden: Adolf Stern aus Ludwigshafen, der Lokalmatador und einzige süddeutsche Turnierteilnehmer. Er ist heute leider fast völlig in Vergessenheit geraten. Daher wurde seiner Biografie ein besonderes Kapitel gewidmet.
Die Kenntnis der Vergangenheit ist für die Gegenwart nicht ohne Bedeutung. Das gilt sowohl für die Weltgeschichte als auch die Geschichte des Schachs und insbesondere auch für das Schachspiel selbst. Schließlich ist die Schachtheorie im Grunde nicht mehr, aber auch nicht weniger als die statistische und wissenschaftliche Auswertung der bisher angewendeten Züge. Aus diesem Grunde sollten wir nicht auf die Partien herabsehen, die - weil sie vor langer Zeit und auf Basis eines anderen Erkenntnisgespielt wurden - zwar nicht dem heutigen Stand des Schachwissens entzu diesem jedoch entscheidend beigetragen haben. Dank der schachlichen Abenteuerlust und des Heroismus, den die führenden Spieler vor 135 Jahren am Brett an den Tag legten, sind die Partien der damaligen Zeit trotz aller Fehler auch heute noch durchaus interessant.
Leider kann dieses Buch nicht alle Fragen beantworten. Wir müssen uns eben mit dem begnügen, was uns überliefert wurde. Neben einigen Partien, die damals nicht abgedruckt wurden und somit verloren gegangen sind, lag die größte Schwierigkeit bei der Umsetzung des Konzepts darin, den chronologischen Ablauf des Turniers und die tatsächliche Reihenfolge der Partien zu rekonstruieren. Leider war das bei einigen Partien nicht möglich. Im Anhang wird dieses Problem näher erklärt.

Karlsruhe, im April 2006
Stefan Haas
Weitere Informationen
EAN 3880861900
Gewicht 500 g
Hersteller Rattmann
Breite 17,8 cm
Höhe 24,6 cm
Medium Buch
Erscheinungsjahr 2006
Autor Stefan Haas
Sprache Deutsch
Auflage 1
ISBN-10 3880861900
Seiten 182
Einband gebunden
007 Vorwort
Teil 1: Das Schachturnier zu Baden-Baden 1870
010 Einleitung - Die ersten Schachturniere
012 Warum gerade in Baden-Baden ?
015 Schach und Geld
019 Post, Presse und Turnierberichterstattung
022 Das Kongressprogramm
024 Das Turnierreglement
025 Die Turnierteilnehmer
034 Vor dem Turnier
037 Der Turnierverlauf
039 Der Turnierausgang
042 Rückblickende Betrachtungen
049 Der chronologische Ablauf
Teil 2: Der unbekannte Schachmeister Adolf Stern
132 Herkunft und erste Schachtaten
133 Baden-Baden und der Krieg
137 Nach dem Krieg
142 Comeback in Frankfurt 1878
148 Der Südwestdeutsche Schachbund
152 Schachmeister im Vorruhestand
157 Rückblick
Anhang: Abkürzungen / Schreibweise der frz. Ortsnamen / Internetverweise
160 Bibliografie
161 Abbildungen / Bild- und Faksimile-Quellen
162 Kleines geschichtliches / militärisches Lexikon
166 Einige weitere schachliche Kurzbiografien und Ergänzungen
168 Schachprobleme zur Darstellung von Schlachten?
170 Kongresse, Turniere und deren Sieger 1841-1880
172 Zur Abdruckreihenfolge der Partien von Baden-Baden 1870
174 Fortschrittstabelle des Turniers von Baden-Baden 1870
176 Die Partien des Turniers von Baden-Baden 1870
178 Historische Elo-Auswertung
179 Die Turnierteilnehmer von 1867, 1870 und 1873 / Statistik 1.e4 e5
180 Die Partien Adolf Sterns
181 Eröffnungsübersicht, Partien-Index
182 Danksagungen
Gute Tumierbücher haben heute Sel- eigentlich schade, gibt es doch nachgerade genügend Spitund Supertumiere, die es verhätten, der Nachwelt in Bucherhalten zu bleiben.
Umso mehr ist es zu begrüßen, dass der Karlsruher Stefan Haas mit einer schlappen zeitlichen Verzögerung von 136 Jahren ein Werk über das erste internationale Meistertumier auf deutschem Boden herausgehat. Den damaligen Zeitgefehlten offenbar Zeit und Muße für eine solche Chronik, fiel doch das Turnier Baden-Baden 1870 zeitmit dem Beginn des Deutsch-Französischen Krieges zusammen.
Der Autor hat in dreijähriger Rechersowohl die 68 in verschiedenen Quellen noch überlieferten Partien zusammengetragen (mitsamt diverzeitgenössischen Kommentaren und Analysen, welche den heute geStandard bei weitem nicht erreicht haben), als auch gewissermaßen ein Kriegstagebuch von Anfang Juli bis August 1870 rekonstruiert.
Unter dem Aspekt der Kriegsgefahr und erster Kampfhandlungen ist es nahezu ein Wunder, dass das Turnier zu Ende geführt werden konnte; während z.B. am 4.8.1870 in Baden-Baden die letzte von 18 Runden auswurde (zehn Teilnehmer spielten doppelrundig), tobte in ca. 50 Kilometer Entfernung (Luftlinie) die Schlacht bei Weißenburg (Wissembourg)/Schloss Geisberg mit na3000 Gefallenen auf beiden Seiten (S. 120).
Der 1. Teil des Buches befasst sich mit dem Turnier selbst, mit seiner Vorgeschichte, dem Reglement, den Preisen, dem ganzen Drumherum, mit den Kurzporträts der Teilnehmit allgemeinen Betrachtungen zum Turnierverlauf und -ausgang sowie mit dem chronologischen Abeinschließlich des Kriegstage(S. 10-131). Zusätzlich zu den 68 Turnierpartien führt der Aunoch sechs freie und Konsultatiauf (letztere waren dagang und gäbe).
Den Turniersieg machten die beiden stärksten Spieler der damaligen Epountereinander aus: Erster wurde Anderssen mit 13.0/18 vor Steinitz mit 12,5. Dahinter folgten Blackburne und Neumann (je 12,0), Louis Paulsen (9,5), de Vere und Winawer (je 8,5) vor Minckwitz und Rosenthal (je 7,0). Dem Tabellenletzten Adolf Stern aus Ludwigshafen (0.0/4) ist der 2. Teil gewidmet (S. 132-158): Dieser musste nach der zweiten Doppelrunde abreisen, da er als KöBayerischer Reservist zum
Kriegsdienst einberufen wurde.
Stern (1849-1907) war nicht nur ein Spieler von Meisterstärke, wie seine zweiten Plätze bei den Turnieren von Wiesbaden (1871) und Bad Ems (1871) beweisen, sondern fungierte auch als Gründungspräsident des Südwestdeutschen Schachbundes (1878) und als langjähriger Mitarder Deutschen SchachzeiKrankheitshalber zog er sich bereits im Alter von 40 Jahren vom Schach zurück. Der Verfasser prä25 Partien des „unbekannten Schachmeisters" zur Illustration seiSpielstärke.
Im umfangreichen Anhang (S. 159-182) finden sich u.a. ein kleines miärisch/geschichtliches Lexikon (S. 162-165), einige schachliche Kurz(S. 166 f.), ein Schachvon A. D. Moritz, welches die Schlacht von Wörth am 6.8.1870 symbolisieren soll (ein Matt in 10 Zügen, S. 168 f.), eine Übersicht beSchachkongresse 1841 bis 1880 (S. 170 f.) sowie technische Details zu den Baden-Badener Parund zur Rekonstruktion des Spielverlaufes (S. 172-177) sowie noch zwei „Schmankerl": eine histoElo-Auswertung (S. 178) errechnte z.B. für Anderssen 2744, für Steinitz 2742, für Blackburne 2668 und für Louis Paulsen 2627 Punkte; zudem hat der Autor zwölf internaTurniere von 1862 bis 1872 bezüglich der Häufigkeit Offener Spiele (1.e4 e5) ausgewertet (S. 179), wobei sich ein Anteil von 360/ 567 = 63,5 % ergab (in Baden-Basogar 76 %, wobei Spanisch und Evans-Gambit vorherrschten). Das äußerst sorgfältig zusammengestellund mit zahlreichen historischen Abbildungen und Konterfeis der Meister bereicherte Turnierbuch vereinen hervorragenden Einsowohl in die damaligen Zeitäufe als auch in das damalige Spitzenschach. Zusammen mit dem höchst gediegenen äußeren Erschei(Festeinband, FadenbinLesezeichen) wird es zu einer wahren Fundgrube für den Liebhader (Schach)Historie.

Dr. W. Schweizer, Rochade Europa 8/2006
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Für die Freunde historischer Turniekönnen wir fast in jeder Ausgabe einen Leckerbissen anbieten. Diesmal handelt es sich um ein Buch, das jüngst ganz in unserer Nähe geschriewurde und von einem Ereignis berichtet, das ebenfalls in unserer unmittelbaren Nachbarschaft stattgehat, allerdings vor sehr langer Zeit. Stefan Haas schreibt in seinem ersten Buch über eines der bedeuTurniere des 19. JahrhunBaden-Baden 1870.
Turniersieger wurde der damals 52-jährige Breslauer Adolf Anderssen, der oft als der erste inoffizielle Weltbezeichnet wird. Zweiter wurWilhelm Steinitz, später (1886 -1894) der erste offizielle Weltmeister. Auf den weiteren Plätzen folgten Blackburne, Neumann, L. Paulsen, de Vere, Winawer, Minckwitz, Rosentund Stern.
Letzterer wurde allerdings nach vier von achtzehn Runden zum Militär eingezogen, weil in diesen Tagen der deutsch - französische Krieg begann.
Stefan Haas hat bei der Kommentieder Partien zeitgenössische Veröffentlichungen verwendet, so zum Beispiel vom Turnierteilnehmer Minckwitz in der Deutschen Schachoder vom späteren Weltmeisterschaftsanwärter Zuckerin der Neuen Berliner Schachzei
Der Ausbruch des Krieges überschattete natürlich das Turnier, wobei die Grenzlage Baden - Badens zusätzlich die Situation erschwerte. Das Turnier konnte aber bis auf das schon erwähnte Ausscheiden von Adolf Stern ordnungsgemäß durchgeführt werden.
Stefan Haas berücksichtigte die außergewöhnlichen Umstände unter denen das Turnier statt fand, indem er auch die politische und die militärische Lage beschrieb, womit dieses Schachbuch auch gleichzeitig als Geschichtsbuch gelesen werden kann.
Der zweite Teil des Buches gibt Auskunft über das Leben des SchachAdolf Stern, dessen Leistung hauptsächlich in der Organisation von Vereinen und Verbänden bestand.
In Zusammenarbeit mit der SchachRattmann ist ein sehr schön gestaltetes Buch mit vielen Diagramund Bildern entstanden, das wir sehr empfehlen können.

Schach Markt 4/2006

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EINER DER LETZTEN HÖHEPUNKTE DER ROMANTISCHEN EPOCHE

VON HARRY SCHAACK

1870 fand in Baden Baden das erste große Internationale Turnier auf deutschem Boden statt. Mit den Teilnehmern Anderssen, Steinitz, Blackburne, Neumann, Paulsen, de Vere, Winawer, Minckwitz, Rosenthal und Stern maßen sich die besten Spieler der Welt in der deutschen Kurstadt. Obwohl diese Veranstaltung zu den letzten Höhepunkten der romantischen Epoche zählte und zusammen mit Paris 1867 und Wien 1873 eine Trilogie an ruhmreichen Turnieren aus den frühen Tagen des Schachgeschichte bildete, sind heute die bizarren Umstände der Durchführung des Turniers fast vergessen. Ein fehlendes Turnierbuch mag dazu beigetragen haben, vor allem aber der Deutsch-Französische Krieg.

Stefan Haas hat nun durch jahrelange Recherchen in badischen Archiven und Bibliotheken verschüttete Fakten zutage gefördert. Er bildet nicht nur das schachliche Geschehen ab, sondern stellt gleichzeitig die politische Situation dar. Ihm gelingt es, den Krieg von 1870/71 aus der Perspektive Baden-Badens zu schildern. Chronologisch werden die Ereignisse im Turniersaal mit den wichtigsten Kriegsereignissen konfrontiert. Die Publikation wird demnach vor allem Leser ansprechen, die nicht nur an Schachgeschichte, sondern auch am historischen Kontext interessiert sind.
Haas hat alle verfügbaren Partien mit samt den Originalkommentaren zusammengetragen, einige wenige sind bis heute unauffindbar und wohl für immer verloren. Vorbildlich ist der Anhang, indem sich Statistiken zu Turnieren und Kongressen zwischen 1841 und 1880 finden, zudem ein Glossar, Kurzbiographien, u.v.m.
Der zweite Teil des Buches ist der Biographie des heute vergessenen Schachspielers Adolf Stern gewidmet. Er war einer der Teilnehmer, musste aber nach nur vier Partien abreisen, weil ihn das bayrischen Regiment rekrutierte. Insofern hatte der Krieg auch direkte Auswirkungen auf das Turnier.
Mit der Würdigung Sterns wird gleichzeitig die Entstehung des Deutschen Schachbundes mit seinen Vorläufern geschildert. Obwohl sich Stern recht früh vom aktiven Schach zurückzog, war er als einer der frühen Funktionäre im Amt des Präsidenten des Mannheimer Schachclubs als auch als Redakteur der Süddeutschen Schachzeitung, sowie als Präsident des Süddeutschen Schachbundes tätig.

1870 steckte die Organisationen von Schachveranstaltungen noch in den Kinderschuhen. Nach den großen Turnieren von London 1851 und 1862 sowie dem Pariser Turnier von 1867, die alle mit den ersten Weltausstellungen verbunden waren, (wie übrigens auch Wien 1873), ging Baden einen anderen Weg. Es war nach Paris das zweite Turnier, das aus rein privater Initiative ins Leben gerufen wurde. Die damaligen Sponsoren waren Reiche und Adlige, an denen es dem bekannten Kurort nicht mangelte. Mit Fürst Stourza, der bereits drei Jahre zuvor das Pariser Turnier unterstützt hatte, war ein Adliger Vorsitzender des Kongresskomitees. Daneben trat Ignaz Kolisch, der in Paris noch siegreich war, als Hauptorganisator auf. Und der Schriftsteller Turgenjew, der in Baden seinen Wohnsitz hatte, begleitete das Amt des Vizepräsidenten. Durch die potenten Gönner konnte alleine für den ersten Preis die enorme Summe von 3000 Frcs. ausgelobt werden, gefolgt von 600 und 400 für den Dritten.
Obwohl alle organisatorischen Bedingungen zum Besten bestellt waren, überschatteten die aktuellen politischen Ereignissen das Schachtreiben von Anfang an. Der durch die Emser Depesche ausgelöste Deutsch-Französischen Krieg fiel mit dem Turierbeginn zusammen. Einzig die stillschweigende Übereinkunft der damals noch mit „Ehre” kämpfenden Truppen garantierte, keine Kurorte unter Beschuss zu nehmen, zumal Baden gerade bei französischen Gästen sehr beliebt war.
Die Szenerie muss skurril gewesen sein. Der Kurort war weitgehend verwaist, die meisten Gäste waren abgereist. Viele Einrichtungen waren geschlossen. Während sich die besten Spieler der Welt auf dem Schachbrett bekriegten, starben tausende Soldaten an der unweit gelegenen Front.
Wegen der zunehmenden Zuspitzung des Kriegsgeschehens kam die Berichterstattung über das Turnier nach einigen Tagen zum Erliegen. Als wichtigste Quelle gilt heute die Schachzeitung, in der der Turnierteilnehmer und Redakteur Johannes Minckwitz nach dem Turnier viele Fakten überliefert hat.
Es sind nicht zuletzt die zahlreichen Nebeninfos, die dieses Turnierbuch zu einem ausgezeichneten Werk machen. Der Autor geht z.B. der Frage nach, wieviel das Preisgeld in Baden umgerechnet Wert war. Man erfährt, dass es in der Kurstadt zu jener Zeit gleich zwei Telegrafen-Büros gab, von wo sich die politischen Neuigkeiten schnell verbreiteten.
Daneben ist in diesem Turnierbuch alles Wissenswertes wie Kurzbiographien der Teilnehmer ebenso wie das Kongressprogramm oder die Turnierregeln zusammengetragen. Ganz nebenbei erfährt man Details über andere Turniere jener Zeit. Die Organisatoren in Baden vermieden Fehler vorangegangener Veranstaltungen und verbesserten das Reglement. Die sportliche Einstellung war noch nicht kultiviert, weshalb sich bei früheren Rundenturnieren zahlreiche Teilnehmer vom Turnier zurückzogen, sobald sie keine Chancen mehr auf den Sieg hatten. Außerdem dauerten die Turniere in London 1851 und 1862 jeweils um die 50 Tage. Bei früheren Turnieren wie 1867 in Paris gab es keinen festen Rundenplan. Die Spieler suchten sich ihre Gegner bzw. bekamen einen anwesenden Teilnehmer zugeteilt; Abwesenheit blieb folgenlos. Daher spielten manche Teilnehmer zum Ausgleich mehrere Partien pro Tag. Freilich blieb es bei diesen Regularien nicht aus, dass viele Partien kampflos entschieden wurden. Daher gab es in Baden feste Rundenansetzungen; bei nicht Einhaltung verlor man kampflos.
In Paris 1867 wurde erstmals mit Zeitüberschreitung gespielt. Ein Vergehen führte aber nicht zum Partieverlust, sondern hatte „empfindliche” Geldstrafen zur Folge. Viele Teilnehmer konnten am Ende des Turniers die Zeche nicht zahlen. Auch in Baden war eine Partie nicht unbedingt verloren, wenn die Zeit um war (Plättchen gab es damals noch nicht). Die noch jungen Schachregeln nahm man noch nicht ganz so ernst, meist entschied die Kulanz.
Ein anderes Loch im damaligen Regelwerk war das Fehlen der Remisregel bei Zugwiederholung. Um sich ein Zeitpolster zu verschaffen, ergaben sich nicht selten schier nicht enden wollende Wiederholungssequenzen, die die Partien Stunden in die Länge zogen. Wie sehr eine solche Schikane auch in Baden nicht geringen Einfluss auf den Turnierausgang hatte, zeigt das erschütternde Partiendokument der Begegnung Steintz gegen Neumann. Eine Kuriosität, da Steinitz gleich mehrmals die Möglichkeit zur Schaukel nutzte. In einer 124-zügigen Mammutpartie rang er den bis dahin aussichtsreich postierte Neumann nieder, der nach eigenem Bekunden danach für den Rest des Turniers „zum Spielen unfähig” war.

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Es sind nicht nur die Fakten, sondern auch der Erzählstil des Autors, der stets den Spannungsbogen beibehält und die Lektüre nie langweilig macht. Mit dieser Publikation wiederaufersteht die gediegene Atmosphäre einer Kurstadt des 19. Jahrhunderts.
Ein kleiner Wermutstropfen ist der Verzicht auf direkte Quellenangaben im Text, wenngleich die zu Rate gezogenen Dokumente und Literatur in der Bibliographie aufgeführt sind. Dagegen sind die historischen Anmerkungen zu den Partien vorbildlich. Das in bewährter Qualität des Rattmann-Verlages gebundene Buch ist sehr empfehlenswert und bietet viele Details für den schachhistorisch Interessierten.

Bleibt abschließend zu bemerken, dass das Turnier zwar ein schachlicher Erfolg war, sich aber weitgehend unter Ausschluss der öffentlichen Wahrnehmung vollzog. In Baden gewann Anderssen vor Steinitz, Blackburne und Neumann. Der teilnehmende Rosenthal konnte nach dem Turnier zunächst nicht in seine Heimat Paris zurückkehren. Am Ende des Krieges nach Unterzeichnung des Friedensvertrages am 10. Mai 1871 in Frankfurt hatte Frankreich 140.000, Deutschland etwa 50.000 Tote zu beklagen. Hs