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LMMARGDBIS

Geheimnisse der Bauernführung im Schach

224 Seiten, kartoniert, Gambit

12,95 €
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Das Schachspiel verdankt den Bauern seine außergewöhnliche strategische Tiefgründigkeit. Diese bescheidenen Figuren können im Schachkampf viele verschiedene Funktionen annehmen. Sie können Blockadefiguren sein, Rammböcke, Helden, die berei sind, sich selbst zu opfern und sie können sogar in die königlichen Ränge aufsteigen. Wenn man sie allerdings falsch behandelt, können sie schwach werden und für den gegnerischen Angriff eine Zielscheibe darstellen.
In diesem Buch erläutert der erfahrene Großmeister und Trainer Drazen Marovic die facettenreiche Natur des Bauern. Durch die Untersuchung hochklassiger Partien aus der Großmeisterpraxis bewaffnet er den Leser mit einem Arsenal von Konzepten für die Beherrschung der Bauernführung, die ihm dabei helfen sollen, die Stellungen auf dem Brett richtig einzuschätzen.

Dieses Buch enthält Kapitel über
Isolierte Bauern
Hängende Bauern
Freibauern
Doppelbauern
Bauernketten
Bauerninseln

Drazen Marovic ist ein Großmeister aus Kroatien, der Medaillen sowohl als Spieler als auch als Trainer für verschiedene Nationalmannschaften gewonnen hat. Unter seinen Schülern befinden sich Bojan Kurajica, der U20 Weltmeister von 1965, und AI Modiahki von Katar, der erste Großmeister von Arabien. Marovic besitzt immense Erfahrung als Autor, Redakteur und Fernsehkommentator über Schach. Er ist gegenwärtig Trainer der kroatischen Nationalmannschaft.

Einführung

„[Bauern] sind die Seele des Spiels: Sie allein formen den Angriff und die Verteidigung...". Viele zeitgenössische Schachbegeisterte waren sicher sehr erstaunt, als sie diese gewichtige Feststellung von Philidor gelesen hatten, die den bescheidenen Bauern solche Ehre angedeihen ließ, von denen Philidors berühmte Vorgänger, Greco und die italienische Schachschule, so wenig hielten. Philidors kleine Broschüre wurde in London 1749 veröffentlicht und ist unter dem Titel ihrer ersten Ausgabe - „L'analyze des echecs" - immer noch bekannt.
Es verging viel Zeit, bevor die von Philidor geäußerten Ideen in ihrer vollen Tragweite verstanden wurden. Der berühmte französische Musiker und Schachspieler betrachtete die Rolle der Bauern allerdings aus einem unkonventionellen Blickwinkel, der seiner Zeit weit voraus war. Philidor wollte harmonische Beziehungen zwischen den Bauern und den Figuren hergestellt wissen, und dies warf neues Licht auf Themen wie Entwicklung und Zentrum.
Philidor praktizierte, was er empfahl: Bestimmte Bauernformationen waren wohlbekannte charakteristische Eigenschaften seines Stils. Im Gegensatz zu den Gedanken der italienischen Schule, die das Figurenspiel sehr betonte, verstand er die tiefliegenden Verbindungen zwischen Bauern und Figuren, die jedem ernst zu nehmenden Plan zu Grunde liegen. Dieser Stil war weder beeindruckend noch elegant und doch besser als Grecos Fallen und falsche Analysen. Es war vielmehr ein Stil, der durch ein Anheben des Niveaus der Verteidigung ankündete, dass kunstvolle, aber ungerechtfertigte Angriffe an Boden verlieren.
Als Konsequenz, die sich hauptsächlich aus der großen Bedeutung der Bauern ergab, erhielt das Spiel neue Charakterzüge - Gleichgewicht und Zurückhaltung - dieselben, die im 18. Jahrhundert so hoch geschätzt wurden. Alle zu Grunde liegenden Entwicklungen des intellektuellen und künstlerischen Lebens dieses Jahrhunderts waren erfüllt von gesundem Menschenverstand und Zurückhaltung. Wenn man auf diesen Mann zurückblickt, auf sein Spiel und seine Lehrwerke, dann kann man die vorherrschende Tendenz der Zeit erkennen, die auf das Klare, das Einfache, das Regelmäßige und das Harmonische ausgerichtet war.
Nicht viele Spieler folgten in Philidors Fußstapfen. Man muss weit ins nächste Jahrhundert vordringen, um mit Howard Staunton einen weiteren großen Spieler zu finden, der solche wichtigen Fragen der Bauernbehandlung, wie Spiel gegen Doppelbauern oder Blockade untersucht hat. Er verbreitete Philidors Ansichten über Bauernformationen und formulierte Ideen, die Aron Nimzowitsch und Richard Reti mehr als ein halbes Jahrhundert später weiter vertiefen würden. Natürlich hatte auch Philidors Zeitalter seine Mängel. Die Philosophie von Ordnung und Disziplin war seit dem Ende des 17. Jahrhunderts entwickelt worden. Dies hat eine tiefe Spur in den schönen Künsten und in der Literatur hinterlassen, war aber ebenso wenig dynamisch wie rational. Auf dem Schachbrett zeigt dieser Zeitabschnitt ein Interesse daran, das Spiel auf die statischen positionellen Werte zu reduzieren. Es ist daher nicht überraschend, dass die folgende Periode der Romantiker im Schach nicht auf diesen Vorgaben aufbaute.
Die Epoche von Adolf Anderssen und Paul Morphy hegte andere Überzeugungen. Um es ganz knapp auszudrücken, war ihre Epoche durch eine starke Bewegung weg von der intellektuellen zu einer neuen, emotionalen Kultur geprägt, in der das Ziel der Kunst im Allgemeinen nicht darin bestand zu lehren, sondern zu unterhalten, und die Freiheit der Disziplin und den persönlichen Geschmack den Stereotypen vorzuziehen. Die führenden Schachspieler teilten dieses allgemeine geistige Klima und versuchten nicht, in der guten Tradition des gesunden Menschenverstandes wie Philidor eine Reihe allgemeiner Regeln aufzustellen. Sie verließen sich auf ihre Gefühle und ihre Intuition. Eine Schachpartie war vor allem ein Ergebnis des persönlichen Geschmacks, eine individuelle Schöpfung. Weil er nicht durch strenge Regeln eingeschränkt wurde, war der Schachstil dieser Zeit frei und dynamisch. Schachkombinationen waren als Symbol dieser Zeit eine Frage des Glaubens und des Optimismus, man kann sagen, des Herzens und nicht des gesunden Menschenverstandes. Bauern verloren ihre Bedeutung und Wichtigkeit für den Aufbau des Spieles. Es hieß nicht länger, dass Bauern Angriff und Verteidigung prägten. Das Zentrum verschwand häufig schnell, die Partien wurden offene Schlachten, in denen die Bauern nur Kanonenfutter waren und das rationale Aufbauen von Zentralformationen verschwunden war.
Es ist nicht schwierig, aus diesen Charakterzügen die verborgene Beziehung zwischen Schach und anderen Formen herzustellen, in denen sich die Romantik ausdrückte, als sie wie eine gewaltige Welle über Europa hinwegfegte. Im Schach kam sie mit der üblichen Verzögerung, aber sie kam mit großer Macht und in vollständiger Harmonie mit den allgemeinen Tendenzen dieser Bewegung, wie sie in der Literatur, der Kunst und vor allem auf ihrem natürlichsten Gebiet, der Musik, ausgedrückt wurden.
Dennoch war es nicht verwunderlich, dass das Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Wendung brachte. Im 19. Jahrhunderts gab es eine sehr betonte Tendenz, die Fülle des vorhandenen Wissens systematisch zu formulieren und allgemeine Entwicklungsgesetze auszudrücken. Es ist kein Zufall, dass Wilhelm Steinitz zu dieser Epoche gehört. Er kam als Gesetzgeber und das Herz seiner Lehre war ein Gesetz des Gleichgewichts. Gemäß Steinitz bleibt eine Schachpartie ausgeglichen, bis ein Fehler oder eine Reihe kleinerer Ungenauigkeiten das Gleichgewicht stören und die eine oder andere Seite in Vorteil bringen. Dieses allgemeine Gesetz nahm die Form praktischer Ratschläge und verschiedener Maximen an. Steinitz bestand auf dem Aufbau von Stellungen und daher auf den Elementen, aus denen sich der positioneile Vorteil herleitet. Zusammen mit schwachen Feldern, offenen Linien, dem Läuferpaar usw. kam die Sprache erneut auf die Bauern. Die Bauern wurden sozusagen wieder zum Leben erweckt. Um das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, musste man um das Zentrum kämpfen, es besetzen, an ihm Teil haben, 1 d4 wurde mit 1. ...d5 beantwortet, die starken Punkte im Zentrum wurden so lange aufrecht erhalten, wie normale Entwicklung hinter der zentralen Bauernstruktur möglich war, die sehr wichtig wurde. Sie war fest, symmetrisch und brachte Einfluss auf die vitalen Zentralfelder. Das Damengambit und verwandte Systeme kamen sehr in Mode und den Bauern wurde neues Leben eingehaucht.
Es gab jedoch bei einer Reihe großer Spieler und Theoretiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts Veränderungen in ihrem Schachstil. Sie nannten sich selbst „hypermodern" und revoltierten gegen den herrschenden trockenen und etwas dogmatischen Stil der Anhänger von Steinitz. Die Gründer dieser Schule, Aron Nimzowitsch und Richard Rèti, veröffentlichten Meisterwerke über diese Entwicklung, welche als Schachrevolution bezeichnet werden kann. Nimzowitsch schrieb Mein System und Reti Die neuen Ideen im Schachspiel. Die Hypermodernen erhoben sich gegen Regeln und Routine und warnten: „Es gibt keine allgemeinen, immer gültigen Regeln". „Wir sind an den Ausnahmen, nicht an den Regeln interessiert", beschreibt das Motto dieser Bewegung. Wenn man sich die vielen Bezeichnungen und Einschätzungen ansieht, die Nimzowitsch eingeführt hat, stellt man fest, dass das Herz dieser neuen Lehre in der neuen Konzeption des Zentrums und der Bauernstrukturen liegt. Während das klassische Schach eine Symmetrie der Bauern anstrebte, führten die Hypermodernen das Konzept der Kontrolle des Zentrums durch Figuren ein. Die zurückhaltende Behandlung der Bauern in der frühen Partiephase führte zu einer ganzen Reihe neuer Eröffnungssysteme. Gleichzeitig wurden zum ersten Mal in der Geschichte des Schachs alle möglichen Bauernformationen in allen Partiephasen untersucht. Unser heutiges Wissen geht zu einem großen Teil auf Aron Nimzowitsch zurück. In Mein System erlebten die Bauern glorreiche Tage. Die neue Zentrumslehre stellte sie und ihre Zusammenarbeit mit den Figuren in den Vordergrund.
Ironischerweise war Nimzowitschs Philosophie des Zentrums jedoch der Beginn eines wichtigen Prozesses in den Fundamenten des modernen Schachs - die klassischen Bauernformationen wurden allmählich verdrängt und durch die modernen, asymmetrischen Bauernstrukturen ersetzt. Typischerweise wurde dieser Prozess in der Mitte des 20. Jahrhunderts, im Einklang mit den allgemeinen künstlerischen und intellektuellen Trends, stärker. Nach dem 2. Weltkrieg zeigte sich diese Tendenz in modernen Eröffnungssystemen wie Sizilianisch und Benoni.
Tatsächlich gingen David Bronstein und Isaak Boleslawski bereits zu Beginn der 1940er und 1950er Jahre weiter als Nimzowitsch und vertraten die Auffassung, dass Schwarz weder Symmetrie im Zentrum anstreben noch versuchen sollte, es zu kontrollieren. Sie meinten, man sollte das Zentrum dem Weißen überlassen, zuerst die grundlegende Entwicklung so schnell wie möglich beenden und danach versuchen, das gegnerische Zentrum festzulegen und mittels Angriffen von der Seite zu unterminieren.
Der Schlüssel bestand darin, das Zentrum festzulegen, also eine Blockade zu errichten, um dem Zentrum sein dynamisches Potenzial zu entziehen. Sie verließen sich auf die einfache universelle Wahrheit, das alles, was blockiert und immobil ist, eine Tendenz hat, schwächer zu werden. Genau diese Vorschläge führten zur Einführung neuer, moderner Eröffnungssysteme, von denen die Königsindische Verteidigung besonders herausragte.
So erreichen wir die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und sind uns des ständigen Flusses und Wechsels der herrschenden Trends bewusst: Mal werden die Angriffs- mal die Verteidigungsmöglichkeiten ausgekundschaftet. Es ist interessant, dass die Kunstgeschichte demselben Muster folgte. Es gibt eine ständige Wiederholung des typischen Prozesses vom Strengen zum Freien, vom Einfachen zum Komplexen, vom Geschlossenen zum Offenen, vom Statischen zum Dynamischen.
In diesem ständigen Wandel der Mode im Schach, der statischen und dynamischen Faktoren, sehe ich die innere Logik der Entwicklung des Schachs. Jede der Epochen, die ich betrachtet habe, trug bei ihrem Untergang den Keim der neuen Zeit in sich und jede wurde von einem Stil, einem Verständnis des Spiels beherrscht. In diesem Sinne war das 20. Jahrhundert jedoch wesentlich anders. Wie die Kunst des 20. Jahrhunderts ist auch das Schach durch eine Vielzahl verschiedener Stile gekennzeichnet. Zur selben Zeit und am selben Ort existieren starke stilistische Unterschiede nebeneinander - eine komplexe Ansammlung von Ideen und Einstellungen.
Das Schicksal der Bauern im Schach, ihr Aufstieg und Fall, ist stark mit den Mustern des Wechsels verwoben. Auf die Epochen, in denen die Bauern gering geschätzt wurden, folgten solche, in denen das rationale Spiel auf ihnen aufbaute. Unsere Zeit hat die Erfahrungen früherer Jahrhunderte absorbiert und den inneren Wert der Bauern und die verschiedenen Rollen, die sie im Schach spielen können, voll verstanden. Heutzutage wissen wir, dass sie in der Tat das Rückgrat der Eröffnungssysteme bilden und dass es in der Tat die Bauern sind, die Angriff und Verteidigung prägen!
Die Intention Ihres Autors besteht darin, die Natur der Bauern und die Grundformationen, in denen sie auftreten, zu untersuchen. Mein Ziel besteht nicht darin, jeden einzelnen Aspekt der verschiedenen Bauernformationen mit unzähligen Beispielen aus der Meisterpraxis genau zu beleuchten und dem Leser so beizubringen, was er in jedem Einzelfall tun soll. Es gibt keine Regeln, die das komplexe Leben eines Bauern im Schach ganz beschreiben oder sichere, stets gültige Ratschläge vermitteln würden. Außerdem fürchte ich, dass die Untersuchung zu vieler Fälle die Dinge nur verwirren würde.
Ich möchte stattdessen die veränderliche, vieldeutige Natur der Bauern beleuchten, die stets von den Umständen abhängt, in denen sie aufgerufen werden, ihre Pflicht zu erfüllen. Das volle Verständnis dieser Beziehungen wird uns helfen, den richtigen Weg in unseren eigenen Partien zu finden.
Wir werden aus Partien lernen, deren Klarheit und Einfachheit der Gedanken bemerkenswert sind. Wir werden sie zunächst analysieren und sehen, wie die Bauern sich unter den Umständen geschlagen haben. Daraus werden wir dann wertvolle Schlussfolgerungen ziehen. Ich glaube, dass es unumgänglich ist, das Phänomen der Bauernstrukturen, besonders derjenigen im Zentrum, anhand ganzer Partien zu untersuchen. Denn nur dann liegt der ganze Prozess offen vor uns: Wir sehen, wie die Strukturen entstanden sind, was aus ihnen geworden ist und was dem ganzen Vorgang zu Grunde lag. Das Ergebnis lohnt sich auf alle Fälle: Wir können die aus dem Thema abzuleitende allgemeine Lehre verstehen.
Ich messe dem allgemeinen Verständnis hohe Bedeutung bei. Wenn wir etwas gut verstanden und im Gedächtnis abgespeichert haben, wird es uns stets helfen, den richtigen Plan zu finden, selbst wenn wir keine genauen Varianten und theoretischen Neuerungen kennen, und obwohl uns der unseren Entscheidungen zu Grunde liegende, mentale Prozess nicht bewusst ist. Wenn wir auf der Grundlage allgemeinen Wissens allgemeine Pläne formulieren können, dann ist die Berechnung konkreter Möglichkeiten einfacher und fruchtbarer. Wir sollten niemals vergessen, dass uns nur das tiefe Verständnis der allgemeinen Gesetze, die das Spiel regieren, ermöglicht, so große Fähigkeiten und eine so ausgefeilte Intuition zu erlangen, dass es uns möglich wird, die Regeln zu brechen und über sie hinaus zu sehen.
Weitere Informationen
EAN 9781901983814
Gewicht 275 g
Hersteller Gambit
Breite 14,5 cm
Höhe 21 cm
Medium Buch
Autor Drazen Marovic
Sprache Deutsch
ISBN-10 1901983811
ISBN-13 9781901983814
Seiten 224
Einband kartoniert
Diagramme 220
004 Symbole
005 Einführung
010 1 Isolierte Bauern
054 2 Hängende Bauern
082 3 Freibauern
112 4 Doppelbauern
142 5 Rückständige Bauern
185 6 Bauernketten
207 7 Bauerninseln
223 Index der Spieler
224 Index der Eröffnungen

Das achte und vorerst letzte Buch aus der Serie der ins Deutsche übersetzten Lehrbücher aus dem Gambit Verlag. Das Original Understanding Pawn Play in Chess erschien im Jahre 2000.
Zur Themenstellung: Das Werk des kroatischen Großmeisters handelt von typischen Bauernstrukturen. Im einzelnen wären dies, in der Reihenfolge seiner sieben Kapitel: Der isolierte Damenbauer. Die Hängebauern d+c (z.B. Ba2/c4/d4/f2/g2/h2 gegen Ba7/b6/e6/f7/g7/h7). Freibauern; hier sieht man die unterschiedlichsten Strukturen. Doppelbauern, meist der verdoppelte c-Bauer nach Lb5:Sc6 b7:c6 oder Lb4:Sc3 b2:c3. Rückständige Bauern, z.B. der Bauer d6 in Sizilianisch-, Igel- oder Königsindisch-Strukturen mit ...e5:d4). Bauernketten - insbesondere Französisch- und Königsindisch-Strukturen mit d4-d5). Bauerninseln, hier kehrt z.B. der Isolani zurück.
Zu solchen Themen gibt es natürlich reichlich Vorgängerliteratur, insbesondere Baburin: Winning Pawn Structures, Batsford 1998 (Isolani und Hängebauer), Slotnik: Typische Stellungen im Mittelspiel, Schmaus 1987 (Isolani, Minoritätsangriff, rückständiger Bauer d6, königsindische Bauernkettenstrategie) und Uhlmann/Schmidt: Bauernschwächen, Sportverlag 1984 (Isolani, rückständiger Bd6 im Igel, usw.). Natürlich hat auch „der Watson" (Geheimnisse der modernen Schachstrategie) einiges zu diesen Fragen zu bieten.
Um es vorwegzunehmen: Baburins Darstellung überzeugt mich weit mehr, und auch die beiden älteren Werke brauchen sich vor der Neuerscheinung nicht zu verstecken.
Marovic verwendet überwiegend Beispiele, die entweder aus den genannten Büchern und/oder anderen älteren Strategielehrbüchern (Suetin, Euwe, Pachmann usw.) bekannt sind. Zugleich versäumt er es, moderne Aspekte hinzuzufügen. Man sehe z.B. den Klassiker Janowski - Capablanca, New York 1916, mit dem überraschenden Läuferrückzug ...Lf5-d7. In Der Weg zur Verbesserung im Schach (siehe Schach 2/2003) gibt Yermolinsky einen ironisch-frischen Kommentar, dem steht die bieder-altbackene Darstellung von Marovic gegenüber. Man hat es schon Tausend Mal so oder ähnlich gelesen. Moderne Aspekte der Bauernführung wie beispielsweise das auffallend häufige g2-g4 in verschiedenen Eröffnungssystemen bleiben unberücksichtigt.
Ich vermisse bei Marovic auch einen Versuch der Systematisierung von Motiven. Nach jeweils 10-20 aneinandergereihten Beispielen folgen jeweils anderthalb Seiten Zusammenfassung, die wenig über Allgemeinplätze hinauskommen. Baburins penible Aufgliederung nach typischen Motiven in den Isolanistellungen (vom Vorstoß d4-d5 über typische Figurenopfer bis hin zum Turmschwenk Te1-h3/g3) überzeugt mich weit mehr. Auch vermengt Marovic kritiklos zwei Gruppen von Isolanistellungen; nämlich solche, wo die gegen den Isolani spielende Partei den c-Bauern (1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 c5 4.e:d5 e:d5) behält und solche, wo es der e-Bauer ist (1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.c:d5 e:d5). M.E. haben diese beiden Typen eine unterschiedliche Charakteristik. Die Partie Awerbach - Matanovic, Belgrad 1961, zeigt ein typisches Leichtfigurenendspiel mit dem Isolani. Die Besprechung bei Baburin ist viel tiefgründiger, zudem ist Marovic bei der Eröffnung nicht auf der Höhe (7...Le7 - ?! Marovic - ist in Ordnung, dafür geht Marovic über die Ungenauigkeit 11...Le7?! statt 11...La7 hinweg). Auch der Eröffnungshinweis bei Euwe - Capablanca, AVRO 1938, riecht stark danach, als sei er aus einem alten Buch übernommen. Karpows Lieblingszug 8...Sa6! scheint Marovic nicht zu kennen.
Fazit: Gerade im Vergleich mit der Originalität und geistigen Frische der anderen Gambit-Lehrbücher (Watson, Yermolinsky, Christiansen) bin ich von diesem Werk enttäuscht. Solides Standardmaterial auf dem Stand der siebziger bis achtziger Jahre und keinen Deut mehr. Ein moderner Autor sollte mehr leisten, als aus älteren Strategiebüchern und Partiesammlungen (z.B. Karpow) Beispiele herauszusuchen und in loser Reihenfolge aneinanderzuhängen; bei nur formal überarbeiteten Kommentaren. Für erfahrene Leser verzichtbar. Wer erst in das Studium typischer Mittelspielstellungen einsteigt, mag sich an dieses oder andere Bücher halten.
Harald Keilhack, für Zeitschrift Schach

REZENSIONEN DER ENGLISCHEN AUSGABE ("Understanding Pawn Play in Chess"):
Drazen Maovic ist Großmeister und derzeit Trainer der kroatischen Nationalmannschaft. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Autor, Herausgeber und Fernseh-Kommentator. Das vorliegende Buch ist seine erste Arbeit für Gambit Publications Ltd. Alle Veröffentlichungen aus dieser Reihe, die wir Ihnen bisher vorgestellt haben, sind von höchster Qualität, z.B. Understanding the Grünfeld von Rowson oder Secrets od Practical Chess von John Nunn.

Understanding Pawn Play in Chess ist ein ausgezeichnetes Lehrbuch des Positionsspiels. Behandelt werden die Themen isolierter Bauern, hängende Bauern, Freibauern, Doppelbauern, rückständige Bauern, Bauernketten und Bauerninseln. Jedes Kapitel beginnt mit einer ausführlichen Einleitung, danach folgt der Hauptteil mit vielen gut kommentierten Partien und am Ende rundet eine Zusammenfassung den jeweiligen Abschnitt ab. Das Buch enthält 122 Partien aus der Turnierpraxis fast aller berühmten Schachmeister bis zum Jahre 1999.

Fazit: Sehr lehrreich und sehr unterhaltam, für fortgeschrittene Schachfreunde mit englischen Sprachkenntnissen ohne Einschränkung empfehlenswert.
Schach Markt 1/2001


„Die Bauern sind die Seele des Spiels: Sie allein formen den Angriff und die Verteidigung...".
Revolutionäres schrieb der Opernkomponist und geniale Schachspieler Philidor 1749 in seinem kleinen Schachbuch L'analyze des echecs. Aber die Zeit war nicht reif für seine Erkenntnisse - erst Steinitz griff Philidors Ideen auf, mehr als 100 Jahre später. Die Einführung in das vorliegende Lehrbuch ist zugleich ein eleganter fünfseitiger Schnellkurs in schachlicher Ideengeschichte.
Understanding Pawn Play in Chess erschien 2000, so der Titel der englischen Erstausgabe. Autor ist der jetzt 65-jährige kroatische Großmeister Drazen Marovic. Er arbeitet seit vielen Jahren als Schachtrainer: Bojan Kurajica wurde unter seinen Fittichen U20-Weltmeister (1965), und AI Modiahki aus Katar der erste GM Arabiens. Zur Zeit trainiert Marovic die kroatische Nationalmannschaft. Nebenbei ist er routinierter Autor, für April hat der Verlag das nächste Marovic-Buch angekündigt: Secrets of Positional Chess. Das vorliegende Paperback ist das (vorläufig?) letzte einer Serie von acht GAMBIT-Büchern, die ins Deutsche übertragen wurden. Redaktionell verantwortlich dafür ist WFM Petra Nunn, die deutsche Ehefrau von John Nunn. Wir werden bald sehen, ob die Nunn-Truppe damit am deutschsprachigen Markt für Schachbücher Fuß fassen kann. Zu wünschen wäre es im Interesse aller Schachfreunde und Leser hier zu Lande.
Der Inhalt
Einführung (5 S.)
Isolierte Bauern (44 S.)
Hängende Bauern (28 S.)
Freibauern (30 S.)
Doppelbauern (30 S.)
Rückständige Bauern (43 S.)
Bauernketten (22 S.)
Bauerninseln (16 S.)
Index (Spieler, Eröffnungen)
Marovic erklärt die Vor- und Nachteile von sieben typischen Bauernstrukturen anhand von 121 Partien. Es ist eine bunte Mischung aus Klassikern und Neuem der letzten 150 Jahre: von Staunton gegen den Bristol Chess Club (Fernpartie 1844/45) bis Kramnik gegen Anand (Dos Hermanas 1999). Im ganzen Buch findet sich übrigens nur eine Partie vom Autor selbst. Marovic stellt also bekannte Namen und Partien vor. Das muss kein Nachteil sein: Zum einen sind die Erklärungen zu den Zügen unterschiedlich, je nach Blickwinkel und Anliegen eines Autors - und Marovic bleibt immer dicht an seinem Thema, den Bauern im Mittelspiel. Zum anderen wird das Wiedererkennen und Speichern bestimmter Strukturen und Verfahren gleich mittrainiert. Und die Menge solcher aus dem Großhirn abrufbarer Muster (engl. pattern) ist es, die den Meister vom Amateur unterscheidet.
Alle Partien stellt Marovic komplett vor. Seine Anmerkungen beschränken sich nicht auf die kritischen Phasen - er kommentiert immer ab Eröffnung. So lernt der Leser die Bauernstruktur von der Eröffnung her kennen und verstehen. Die Erläuterungen sind manchmal knapp aber ausreichend; illustriert ist das Ganze mit 45-mm-Diagrammen. Marovic schreibt im konservativen Stil früherer Jahrzehnte, vergleichbar Suetin oder Kotow - besonders unterhaltsam, oder gar provokativ wie bei Yermolinsky (Der Weg zur Verbesserung im Schach), geht es nicht zu. Hier ein Beispiel aus dem Kapitel „Isolierte Bauern" - das Buch behandelt nur den Damenbauer-Isolani:

Botwinnik - Zagoriansky Swerdlovsk 1943 [Englische Eröffnung]
(Diagramm)
Weiß: Kg1, De5, Td1, d4, Lf3, Bauern a2, b3, e3, f2, g4, h3;
Schwarz: Kg8, Dc5, Td7, d8, Le6, Bauern a5, b6, d5, f7, g7, h6
Stellung nach 25.g4!

Diesen zu einem wichtigen Zeitpunkt gespielten Zug sollte man sich merken. Die Stellung zeigt die Spielmethode gegen einen blockierten Isolani in sehr instruktiver Weise. In dem Moment, in dem alle schwarzen Kräfte den schwachen Bauern d5 verteidigen müssen, eröffnet Weiß am Königsflügel eine zweite Front. Angriffe dieser Art sind prinzipiell sehr gefährlich, weil sie unternommen werden, wenn die passive Stellung der verteidigenden Figuren die Chancen verringert, erfolgreich Widerstand zu leisten. 25...Dc6 Man beachte, dass Schwarz sich dem Angriff nicht mit 25...Dd6? entgegenstellen kann, weil e4 nach dem Damentausch Material gewinnt - ein weiterer Grund, weshalb der Bauer d5 blockiert werden muss. Zitatende.
26.g5 hxg5 27.Dg5 f6 28.Dg6 Lf7 29.Dg3 f5 30.Dg5 De6 31.Khl De5 32.Tg1 Tf8 33.Dh6 Tb8 34. Th4 Kf8 35.Dh8+ Lg8 36.Tf4 Tbb7 37.Tg5 Tf7 38.Dh5 Da1+ 39.Kg2 g6 40.Dxg6 Lh7 41.Dd6+ Tbe7 42.Dd8+ 1:0
Zum Schluss jedes Kapitels gibt der Autor dem Leser eine Zusammenfassung mit auf den Weg; er nennt sie „Einige allgemeine Beobachtungen". Wer jetzt prägnante, fett gedruckte Merksätze und Tipps erwartet zu rückständigen Bauern oder B-Ketten, der wird enttäuscht: Marovics „Beobachtungen" wirken an einigen Stellen widersprüchlich, der Leser wird manchmal eher verwirrt aus dem Kapitel entlassen. Im letzten Teil („Bauerninseln") fehlen sie ganz. Viele zähe, unpersönliche „man-Sätze" („Man sollte...", „Man verteidigt...") ermüden zusätzlich beim Nachvollziehen von Marovics „allgemeine Beobachtungen". Die Lehrpartien sind insgesamt gut gewählt, der Autor lüftet einige „Geheimnisse der Bauernführung" tatsächlich - der Buchtitel hält sein Versprechen.
Gelungen ist auch das Register: Wie bei allen neueren Gambit-Büchern zeigt der Spielerindex auf einen Blick, wer Weiß und wer Schwarz hatte. Der Eröffnungsindex nennt nur die Eröffnungsnamen, den ECO kennt das Buch nicht.
Ansonsten ist das DIN-A5-Paperback auch in seiner Ausstattung in Ordnung: Layout und Typografie mit zweispaltiger figuriner Notation, Druck und Bindung sind gut. Am Papier wurde gespart; dass Nunn und sein Team besseres kennen, zeigten sie gerade erst bei Jesper Halls Schachtraining für angehende Champions. Vergleichen wir das Marovic-Buch mit seinen Konkurrenten im Bücherregal: Da wäre zuerst Hans Kmoch, Die Kunst der Bauernführung. Ein Klassiker, schwere theoretische Kost mit exotischen Zutaten in Form eigenwilliger Wortschöpfungen („Leukopenie"). Alexander Baburin (Winning Pawn Structures) konzentriert sich auf den Damenbauer-Isolani und Andrew Soltis (Pawn Structure Chess) kümmert sich vor allem um die Bauern in Verbindung mit bestimmten Eröffnungen.
FAZIT: Drazen Marovic erklärt die wichtigsten Bauernstrukturen, er kommentiert verständlich - für den ambitionierten Amateur ist sein Buch die Erste Wahl. Und wer die rund 120 Partien und 220 Seiten studiert hat und nun fast alles zu wissen glaubt über die Bauern in Ketten und die freien, die doppelten und die isolierten - den nimmt der Kroate gleich wieder an die Hand: der Folgeband heißt Dynamic Pawn Play in Chess (2001).

Dr. Erik Rausch Rochade Europa 3/2003


Der Grundsatz „Die Bauern sind die Seele des Spiels" stammt von Philidor (1726-1795) und ist immer noch aktuell. Wie wichtig die Bauern im Positionsspiel sind, erklärt dieses Buch. Der Autor - ein Großmeister aus Kroatien -erläutert in seiner Arbeit die Problematik von isolierten Bauern, hängenden Bauern, Freibauern, Doppelbauern, Bauernketten und Bauerninseln. Alle Themen sind lehrreich vorgestellt und mit vielen interessanten praktischen Beispielen ergänzt. Ein Muss für die Schachfreunde, die mit den Problemen der Grundlagen der Strategie noch nicht vertraut sind. Das Buch ist auch für Schachtrainer sehr praktisch. Die englische Ausgabe wurde schon im Heft 2/2002, Seite 97 vorgestellt.

Jerzy Konikowski Fernschach International 01/03


Die Bauern sind bekanntlich die Seele des königliches Spiels, und so ist es sehr erfreulich, dass Gambit Publications jetzt auch eine deutsche Ausgabe des schönen Lehrbuches "Understanding Pawn Play in Chess" von Drazen Marovic herausgebracht hat.
Denn darin beschäftigte sich der Großmeister und erfahrene Trainer Marovic mit den verschiedenen Erscheinungsformen der Bauern und den sich daraus ergebenden Vor- und Nachteilen für beide Seiten.Das Buch ist unter dem Namen "Geheimnisse der Bauernführung im Schach" erschienen und beschäftigt sich in sieben Kapiteln sehr ausführlich mit den Themen isolierte Bauern, hängende Bauern, Freibauern, Doppelbauern, rückständige Bauern, Bauernketten und Bauerninseln.
In über 120 sehr gut ausgewählten und schön kommentierten Partien arbeitet der Autor alle wesentlichen Aspekte mit beeindruckender Klarheit und Anschaulichkeit heraus.
So entsteht ein objektives Bild von den Chancen und Risiken, die in den verschiedenen Strukturen verborgen sind, gleichzeitig lernt der Leser, wie stark die Bauern das Spiel der Figuren beeinflussen können.
Das Material in diesem Buch ist rundum überzeugend und bietet einer breiten Schicht an Spielern eine gute Möglichkeit, ihr Spiel auf ein gesundes und schlagkräftiges positionelles Wissen aufzubauen.
Mit dem jetzt vorliegenden "Geheimnisse der Bauernführung im Schach" hat die zunächst auf acht Bücher ausgelegte Reihe mit deutschen Übersetzungen erfolgreicher Lehrbücher aus dem Hause Gambit Publications ihr Ende erreicht.
Ob sie in Zukunft noch erweitert wird bleibt abzuwarten, an interessanten Kandidaten wie beispielsweise Drazen Marovics Nachfolgewerk "Dynamic Pawn Play in Chess" (siehe Ausgabe 6/01) fehlt es sicher nicht.

Schachmarkt 02/2003


Drazen Marovic ist einer jener Schachexperten, die eine Menge vom Schach verstehen, aber aus den unterschiedlichsten Gründen (mal sind es die Nerven, mal gesundheitliche Probleme) als Turnierspieler nicht so ganz den Gipfel erklommen haben (den GM-Titel hat er aber schon erreicht, wenngleich er nicht zur ersten Garde zählt). Dafür zeichnet er sich durch ein Talent aus, das zum Bücherschreiben nicht unabdingbar, für das Verfassen eines Lehrbuchs aber sehr wünschenswert ist, er kann nämlich sein Wissen didaktisch gut verständlich formulieren. Diese Fähigkeit hat sich der inzwischen 65-jährige Trainer der kroatischen Nationalmannschaft als langjähriger Chefredakteur der Schachzeitschrift Sahovski Vjesnik erworben; die gut gemachte Publikation hat leider die Wirren des jugoslawischen Bürgerkriegs nicht überstanden.
Im vorliegenden Werk, das sowohl vom Titel als auch von der Thematik her an einen Klassiker erinnert (Hans Kmoch: Kunst der Bauernführung) und einen Vergleich mit diesem nicht zu scheuen braucht, kommentiert Marovic Musterpartien, in denen die Bauernstruktur im Mittelspunkt steht. Das Material ist nach thematischen Kreisen geordnet, in sieben Kapiteln werden typische Bauernstrukturen wie Isolani, hängende Bauern, rückständige Bauern usw. unter die Lupe genommen und anhand von hochklassigen, vortrefflich kommentierten Partien erläutert.
Mehr als alle Worte sagt die folgende Leseprobe:

Bauerninseln
Nach der recht langen Diskussion der verschiedenen elementaren Typen von Bauern ist uns die direkte Beziehung zwischen der Solidität von Bauernstrukturen und dem allgemeinen Zustand von Stellungen klar geworden. Es ist eine tiefliegende Beziehung, und man kann ohne Übertreibung sagen, dass man sie berücksichtigen muss, wenn man objektive Urteile fällen will. Außer dem positiven und negativen Wert bestimmter Bauernformationen gibt es jedoch noch eine weitere Eigenschaft von Bauern, die unser Urteil in signifikanter Weise beeinflusst. Ich rede über das, was Jose Raul Capablanca islas de peones (Bauerninseln) genannt hat. Eine Bauerninsel ist eine Gruppe von Bauern, die von den übrigen Bauern abgeschnitten ist.

(DIAGRAMM)

In obigem Diagramm hat Weiß drei Bauerninseln, Schwarz zwei. Je mehr Bauerninseln man hat, desto exponierter sind in der Regel die Bauern und desto schwieriger ist es, sie zu verteidigen und umgekehrt: Je weniger Bauerninseln man hat, desto kompakter und stärker ist normalerweise die eigene Struktur.
Man sollte die Bedeutung dieses Themas nicht unterschätzen. Die folgenden instruktiven Partien werden uns dabei helfen, die Bedeutung und den Wert von Bauerninseln zu verstehen.

Abgelehntes Damengambit (D 21)
E. Cohn - Rubinstein
St. Petersburg, 1909
1. d4 d5 2. Sf3 c5 3. c4 dxc4 4. dxc5 Dxd1+ 5. Kxd1 Sc6 6. e3 Lg4 7. Lxc4 e6 8. a3 Lxc5 9. b4 Ld6 10. Lb2 Sf6 11. Sbd2 Ke7
12.
Ke2 Le5
Cohn ist schwächer als sein Gegner und weiß dies offensichtlich auch. Daher spielt er von Beginn an auf Remis. Schwarz reagiert gut. Der Vormarsch der weißen Bauern am Damenflügel hat die Stellung des Weißen etwas geschwächt und der Abtausch der schwarzfeldrigen Läufer betont dies in ruhiger Manier.
13. Lxe5 Sxe5 14. Thc1 Tac8 15. Lb3 Thd8 16. Sc4 Sxc4 17. Txc4 Txc4 18. Lxc4 Se4 19. Ke1 Lxf3 20. gxf3 Sd6 21. Le2?!
21. Ld3 war richtig, aber Weiß ist sich der Bedeutung der subtilen Änderung in seiner Bauernstruktur nach dem Abtausch auf f3 nicht bewusst.
21. ...Tc8 22. Kd2 Sc4+ 23. Lxc4 Txc4 24. Te1?

(DIAGRAMM)

Dies stimmt mit Cohns vorigem Spiel und seinem Wunsch überein, ein Remis zu erzielen. Er übersieht jedoch einen wichtigen Punkt: Seine Bauernstruktur besteht aus drei Bauerninseln und ist nicht so gut wie die seines Gegners. Wir werden sehen, warum dieses scheinbar unwichtige Detail entscheidend sein wird.
24. ...Txc1 25. Kxc1 Kf6 26. Kd2 Kg5 27. Ke2
Man kann leicht ausrechnen, dass Weiß zu spät kommt, wenn er auf den Bauern b7 losgeht. Er muss sich beeilen, um den schwachen Punkt in seiner Bauernstruktur zu decken - den Bauern h2.
27. ...Kh4 28. Kf1 Kh3 29. Kg1 e5 30. Kh1
Weiß muss passiv abwarten und seine Züge wiederholen, weil er seine Bauerninsel h2 decken muss. Er kann kein Tempo am Damenflügel gewinnen, und er kann nicht 30. e4 spielen, wegen 30. ...g5 31. Kh1 h5 32. Kg1 h4 33. Kh1 g4 34. fxg4 Kxg4 35. Kg2 h3+, wonach der Bauer e4 fällt.
30. ...b5 31. Kg1 f5 32. Kh1 g5 33. Kg1 h5 34. Kh1 g4 35. e4
Nach 35. fxg4 fxg4! gefolgt von ...h4 und ...g3 wird der schwarze König den e-Bauern schlagen, was leicht gewinnt.
35. ...fxe4 36. fxe4
Falls 36. fxg4, dann gewinnt Schwarz durch 36. ...hxg4 37. Kg1 e3 38. fxe3 e4 39. Kh1 g3 usw.
36. ...h4 37. Kg1 g3 38. hxg3 hxg3 0:1
39. f4 exf4 40. e5 ist wegen 40. .. .g2 41. e6 Kg3 42. e7 f3 nebst Matt zu langsam. Man sollte sich vor zu vielen Bauerninseln in der eigenen Struktur hüten. Stattdessen sollte die Struktur kompakt und gesund sein! Rubinsteins Lektion ist unvergesslich.

Wie oft kommt eine Bauernstruktur analog der oben abgebildeten in Ihrer Praxis vor? Gehören Sie zur älteren Generation, dann war dies bestimmt schon oft der Fall, gehören Sie zu den jungen Lesern, so warten noch viele ähnliche Stellungen auf Sie. Nützlich ist das Material auf jeden Fall, der Interpret Rubinstein war einer der größten Endspielkünstler überhaupt, und der Kommentator Marovic hat ordentliche Arbeit geleistet.
Fazit: Eines der besten Bücher zu dem o. g. Thema.

Schach-Magazin 64 08/2003


Das achte und vorerst letzte Buch aus der Serie der ins Deutsche übersetzten Lehrbücher aus dem Gambit Verlag. Das Original, Understanding Pawn Play in Chess, erschien im Jahre 2000.
Zur Themenstellung: Das Werk des kroatischen Großmeisters handelt von typischen Bauernstrukturen. Im einzelnen sind dies (in der Reihenfolge der sieben Kapitel): Der isolierte Damenbauer. Die Hängebauern d+c (z. B. a2/c4/d4/f2/g2/h2 gegen a7/ b6/e6/f7/g7/h7). Freibauern (hier sieht man die unterschiedlichsten Strukturen). Doppelbauern (meist der verdoppelte c-Bauer nach Lb5:Sc6, b7:c6 oder Lb4:Sc3, b2:c3). Rückständige Bauern (z. B. der Bauer d6 in Sizilianisch-, Igel- oder Königsindisch-Strukturen mit e5:d4). Bauernketten (besonders Französisch- und Königsindisch-Strukturen mit d4-d5). Bauerninseln (hier kehrt z. B. der Isolani zurück).
Zu diesen Themen gibt es natürlich reichlich Vorgängerliteratur, insbesondere Baburin Winning Pawn Structures, Batsford 1998 (Isolani und Hängebauer), Slotnik Typische Stellungen im Mittelspiel, Schmaus 1987 (Isolani, Minoritätsangriff, rückständiger d6, königsindische Bauernkettenstrategie) und Uhlmann/Schmidt Bauernschwächen, Sportverlag 1984 (Isolani, rückständiger d6 im Igel usw.). Auch Watsons Geheimnisse der modernen Schachstrategie hat einiges zu diesen Fragen zu bieten. Um es vorwegzunehmen: Baburins Darstellung überzeugt mich weit mehr, und auch die beiden älteren Werke brauchen sich vor der Neuerscheinung nicht zu verstecken.
Marovic verwendet überwiegend Beispiele, die entweder aus den genannten Büchern und/oder anderen älteren Strategielehrbüchern (Suetin, Euwe, Pachmann) bekannt sind. Zugleich versäumt er es, moderne Aspekte hinzuzufügen. Man siehe z. B. den Klassiker Janowski-Capablanca, New York 1916, mit dem überraschenden Läuferrückzug Lf5-d7. In Der Weg zur Verbesserung im Schach (vgl. Schach 2/2003) gibt Yermolinsky einen ironisch-frischen Kommentar, dem die bieder-altbackene Darstellung von Marovic gegenübersteht. Man hat es schon Tausend Mal so oder ähnlich gelesen. Moderne Aspekte der Bauernführung, wie beispielsweise das auffallend häufige g2-g4 in verschiedenen Eröffnungssystemen, bleiben unberücksichtigt.
Ich vermisse bei Marovic auch einen Versuch der Systematisierung von Motiven: Nach jeweils 10-20 aneinandergereihten Beispielen folgen jeweils eineinhalb Seiten Zusammenfassung, die wenig über Allgemeinplätze hinauskommen. Baburins penible Aufgliederung nach typischen Motiven in den Isolanistellungen (vom Vorstoß d4-d5 über typische Figurenopfer bis hin zum Turmschwenk Te1-h3/g3) überzeugt mich weit mehr. Auch vermengt Marovic kritiklos zwei Gruppen von Isolanistellungen; nämlich solche, in denen die gegen den Isolani spielende Partei den c-Bauern behält (1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sd2 c5 4. e:d5 e:d5) und solche, bei denen es der e-Bauer ist (1. d4 d5 2. c4 e6 3. Sc3 c5 4. c:d5 e:d5). M. E. haben diese beiden Typen eine unterschiedliche Charakteristik. Die Partie Awerbach-Matanovic, Belgrad 1961, zeigt ein typisches Leichtfigurenendspiel mit dem Isolani. Die Besprechung bei Baburin ist viel tiefgründiger, zudem ist Marovic bei der Eröffnung nicht auf der Höhe (7... Le7 - ?! Marovic - ist in Ordnung, dafür geht er über die Ungenauigkeit 11... Le7?! statt 11... La7 hinweg). Auch der Eröffnungshinweis bei Euwe-Capablanca, AVRO 1938, riecht stark danach, als sei er aus einem alten Buch übernommen. Karpows Lieblingszug 8... Sa6! scheint Marovic nicht zu kennen.
Fazit: Gerade im Vergleich mit der Originalität und geistigen Frische der anderen Gambit-Lehrbücher (Watson, Yermolinsky, Christiansen) bin ich von diesem Werk enttäuscht. Solides Standardmaterial auf dem Stand der siebziger bis achtziger Jahre, kein Deut mehr. Ein moderner Autor sollte mehr leisten als aus älteren Strategiebüchern und Partiesammlungen (z. B. Karpow) Beispiele herauszusuchen und in loser Reihenfolge aneinanderzureihen; bei nur formal überarbeiteten Kommentaren. Für erfahrene Leser verzichtbar.

Harald Keilhack, Schach 06/2003
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Schach"


"Die Bauern sind die Seele des Spiels" schrieb Philidor -Opernkomponist und stärkster Schachspieler seiner Epoche- bereits 1749 in seinem Werk, L'analyze des echecs.' Das damals Revolutionäre gehört heute zum Handwerkszeug aller: Ohne tiefes Verständnis der Führung der scheinbar schwächsten Figur auf dem Brett ist keine Meisterschaft denkbar. Der 65-jährige kroatische Großmeister Marovic ist ein erfahrener Trainer und langjähriger Chefredakteur der Schachzeitschrift Sahovski Vjesnik. In 7 Kapiteln beschäftigt er sich ausführlich mit den Themen isolierte Bauern, hängende Bauern, Freibauern, Doppelbauern, rückständige Bauern, Bauernketten und Bauerninseln. Hierzu werden in über 120 gut ausgewählten Partien alle wesentlichen Aspekte klar und anschaulich heraugearbeitet. Wieder ein hervorragendes Werk aus der Serie deutscher Übersetzungen des Londoner Gambit-Verlags, an dessen "großzügige" Preispolitik man sich offenbar gewöhnen muss.

Wolfgang Franz
ekz-Informationsdienst 07/2003


Der kroatische GM ist vor allem durch seine Trainerarbeit bekannt geworden. Einer seiner besten Schüler waren der Ex-WM U20 Bojan Kurajica und - seit neuestem - der erste arabische Großmeister AI Modiahki aus Quatar. Er trainierte auch längere Zeit das kroatische Nationalteam. Einen guten Ruf hat sich Marovic auch durch die beiden instruktiven Bücher über die Kunst der Bauernführung erworben (beide bei Gambit: „ Understanding Pawn Play in Chess" und „Dynamic Pawn Play in Chess"). Mit „Geheimnisse der Bauernführung" liegt nun auch eine deutschsprachige Ausgabe vor.
Zur Themenstellung: Das Werk des 65-jährigen Kroaten ist in zwei Kapitel aufgeteilt und beschäftigt sich im ersten Part mit der folgenden anspruchsvollen Aufgabe:
- Erkennen von schwachen bzw. starken Felder,
- Stärken und Schwächen von Linien/ Diagonalen,
- Schwächen auf der zweiten und der Grundreihe,
- Vorpostenposten und
- Statische Schwächen und Angriff.
Im zweiten Teil geht Marovic auf die Stärken und Schwächen von allen Figuren ein und bildet mit knapp 100 Seiten das Herzstück des Bands. Im Gegensatz zu seinen letzten zwei Büchern verwendet der Autor instruktives neues Material um z.B. das schwierige Unterfangen - Was sind schwache oder gute Felder? - im ersten Teil des Buches darzustellen. Die vorgestellten Beispiele sind nach einem klar zu erkennenden Konzept geordnet. D. h. Marovics Aufgaben beginnen mit der Klassik und enden mit den dynamischen Idee des heutigen Turnierschachs. Als eher schwächeren Positionsspieler wurden mir gerade im ersten Kapitel die Augen geöffnet. Denn der Trainer zeigt mit den Beispielen nicht nur auf, was gute bzw. schlechte Felder sind, sondern zeigt auch warum diese Vorteile zu dauerhaften Vorteilen fuhren.
Ein weiterer Vorteil ist, dass es dem Autor gelingt in einer relativ einfachen Schachsprache die komplizierten Sachverhalte verständlich zu vermitteln. In vielen Hinweisen bekommt der gelehrige Positionsspieler zusätzlich die Essenz aus den o.g. Bauernführungsbüchern geboten.
Der zweite Teil hätte nach meinem Geschmack etwas abgespeckt werden können. Zwar sind dort gerade, wenn es um die Rolle des Königs im Mittelspiel geht, viele für mich neue und verblüffende Beispiele aufgeführt, jedoch hätte er getrost auf die vielen altbekannten Beispiele verzichten können und somit den m.E. sehr viel schwierigeren ersten auffüllen können. Trotz dieser positiven Aspekte vermisse ich den Versuch der Systematisierung von Motiven. Nach den gut erklärten Beispielen folgt am Kapitelende keine Zusammenfassung, die vor allem im ersten Teil notwendig gewesen wäre. Einer weitverbreiteten Unsitte verfällt der Kroate leider auch, indem er keine weiteren verwandten Lehrbücher in der Bibliografie aufführt.

Fazit: Trotz der erwähnten Nachteile ist das Positionsbuch nur wärmstens zu empfehlen. Den potenziellen Nutzerkreis würde ich von DWZ 1800 bis 2350 sehen. Auf Grund des textorientierten Erklärungsmusters sollte der interessierte Käufer schon ein gutes Abiturenglisch besitzen, um aus dem Buch den richtigen Nutzen zu ziehen. Das Werk eignet sich auch hervorragend für Trainerzwecke, wobei ich auf Grund des anspruchsvollen Materials die Zielgruppe mit A-B Lizenz festlegen würde.

FM Jürgen Brustkern, Rochade Europa 08/2003