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LXSOLST2000

Super Tournaments 2000

446 Seiten, kartoniert, Chess Stars, 2001

27,50 €
Inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten
Final vergriffen
Weitere Informationen
EAN 9548782197
Gewicht 650 g
Hersteller Chess Stars
Breite 12,5 cm
Höhe 17,4 cm
Medium Buch
Erscheinungsjahr 2001
Autor Sergei Soloviov
Sprache Englisch
ISBN-10 9548782197
Seiten 446
Einband kartoniert
CONTENTS

007 Preface

010 CORUS (Wijk aan Zee)
"Same game, new name"

049 LINARES
Khalifman:"Old notebook story"

086 JAFFA CLASSIC (Denpasar, Bali)
Khalifman: "Two debuts and "French fries"

104 LEONID STEIN MEMORIAL (Lviv)
lvanchuk: "In our country people are very interested in this game"

123 BOSNA (Sarajevo)
Shirov and Co. have lagged behind Kasparov

146 TORNEO MAGISTRAL de AJEDREZ MERIDA (Mexico)
The strongest tournament in the history of Mexico

161 "DORTMUNDER SCHACHTAGE" (Dortmund)
"Junior" in Dortmund

204 BIEL
Svidler: "Biel is a trademark in the chess world"

244 MONTECATINI TERME
Bareev: "lvanchuk scored his +3 easily"

252 RUBINSTEIN MEMORIAL (Polanica Zdroj)
Gelfand: "The tournament is very strong, one of the strongest this year"

297 1st FIDE WORLD CUP (Shenyang, China)
Anand: "I like the knockout system"

351 ESSENT (Hoogeveen)
Khalifmans: "A Year after Las Vegas"

370 WORLD CHESS CHAMPIONSHIP (New Delhi/Tehran)
Anand - the 15th World Chess Champion!

434 Epilogue

442
Index of Openings

444 Index of Opponents
Die wichtigsten Schachturniere 2000 - mit 300 kommentierten Partien?
IM Sergei Soloviov und der junge ost-europäische Verlag Chess Stars haben sich einiges vorgenommen mit ihren Super Tournaments 2000. Hinter dem Projekt stehen neben Autor Soloviov auch der Ex-Weltmeister Alexander Chalifman und sein Team von der St. Petersburg Grandmaster School.

Inhalt
Super Tournaments 2000 berichtet chronologisch über zwölf der weltweit bedeutendsten Schachturniere 2000 und über die 15. FIDE-Weltmeisterschaft. Die Kategorien reichen von 16 bis 21. Turniere mit reduzierter Bedenkzeit und solche mit PC-Hilfen (Advanced Chess) wurden ausgeschlossen. Die Autoren stellen jedes Turnier kurz vor mit der üblichen Ergebnistabelle, Notizen vor Ort und Spieler-Interviews.
Den weitaus größten Teil des Buches aber machen die 300 Partien aus. Soweit namentlich genannt, kommentierten die Großmeister A. Chalifman, S. Ivanov, A. Kochyev, K. Sakaev und L. Yudasin. Einige Zahlen zu den Partien: Anand ist mit 44 P. vertreten, Schirow mit 43, Chalifman 36, Kramnik, Leko und Svidler je 22 und Kasparow mit 20 Partien.
Die Spielsaison eröffnet Super Tournaments 2000 am 15. Januar mit Kasparows Grünfeld-Indisch gegen Kortschnoi (Wijk aan Zee, 1. Rd.). Der 69-Jährige hält 54 Züge stand. Ausklingen lassen die Autoren das Schachjahr 2000 an Heiligabend: Am 24.12. gewinnt Anand die vierte Finalpartie gegen Schirow und wird der 15. FIDE-Weltmeister.
Lassen wir Buch und schachliche Superlative 2000 Revue passieren: Das Corus/Wijk aan Zee im Januar bildet den Auftakt mit Kasparov, Kramnik, Anand, Leko und anderen Super-GM. Der Holländer Van der Berg und sein Turnier werden flott abgefertigt: Obwohl 14 Top-Spieler mit einem Elo-Mittel knapp unter 2700 antreten, wird mit 19 Partien von gespielten 91 nur etwa ein Fünftel vorgestellt. Dabei teilt Super Tournaments 2000 Wijk die Kategorie 21 zu - ein Patzer. Das Elo-Mittel war 2697, die korrekte Kategorie ist daher nur 18. (Weitere redaktionelle Fehler dieser Art wurden im Buch nicht gefunden).
Vom winterlichen Holland zog die Karawane der Super-GM ins wärmere Andalusien zum Ciudad de Linares (Spanien). Mit Kategorie 21 (Elo-2752) war Linares Rating-bezogen auch schon der Höhepunkt 2000. Chalifman berichtet in persönlichen Notizen und erzählt seine , Notebook Story'. Alle 30 Partien werden kommentiert, eigene Partien von Chalifman selbst - und so ausführlich, wie sonst nicht mehr im Buch: Seine Gewinnpartie gegen Leko beansprucht neun Seiten. Über die hohe Remisquote (77%) und das insgesamt wenig spektakuläre Schach geht Chalifman dezent hinweg. Und der Gewinner? Kasparow und Kramnik sind am Schluss punktgleich vorn.
Es ist April, auf Bali im fernen Indonesien findet das Japfa Classic, Denpasar statt (Kat.16). Judith Polgar spielt groß auf und gewinnt vor den Weltmeistern Chalifman und Karpow.
Wieder zurück in Europa, berichtet das Buch anschließend aus der Ukraine vom Leonid Stein Memorial, Lviv mit Kat.17 (Lviv = Lvov = Lwow = das galizische Lemberg). Es wird zum großen Heimspiel für Vassili Ivanchuk, der mit 7 aus 10 vor seinen Lviv-Mitbürgern Beliavski und Romanishin gewinnt. Chalifman nimmt nicht teil - das Buch beschränkt sich auf 19 Seiten und 10 Partien.
Lviv überschneidet sich zeitlich mit dem nächsten Superturnier, Bosna / Sarajevo. Die zwölf Teilnehmer mit Elo-Mittel 2702 (= Kat.19) sind eine inter-essante Mischung von Kasparow bis zum 17-jährigen Bacrot. Hier gewinnt Garry sein 6. Spitzenturnier in Folge knapp vor Adams und Schirow; der muss auf seinen ersten Partiegewinn gegen Intimfeind Kasparow weiter warten. Super Tournaments 2000 informiert nur über 12 der 66 Partien.
Das einzige Superturnier der westlichen Hemisphäre veranstaltet die mexikanische Stadt Merida: Das Torneo Magistral de Ajedrez. Es wird ein kleines Turnier der Kat.17 mit vier Teilnehmern; Schirow gewinnt vor J. Polgar.
Die Dortmunder Schachtage (Kat.19, Elo 2703, 10 TN): Neben Kramnik, Anand und Chalifman spielen Hübner, Leko ... und zwischendrin das Alien Junior 6 mit einer Rechenleistung von 2,8 Mio. Pos./sek. Die anwesende Fachpresse ist sich einig: Junior spielt grottenschlecht. Am Ende holt er trotzdem 50 %, Turnierleistung 2703. Das Buch berichtet über alle Dortmund-Partien und sind die Remisen auch noch so kurz.
Im Juli geht es dann nach Biel in die Schweiz (Kat.16, 6 TN). Der souveräne Sieger Peter Svidler meint im Buch-Interview über seine Landsleute: „In the Russian intelligentsia they have two eternal questions: Who is to blame and what to do?".
Die Auswahl der Partien ist nicht immer plausibel: Während alle Biel-Partien vorhanden sind, wird vom nächsten und höherklassigen Kat.-17-Turnier in Montecatini Terme (Italien) nur über fünf Partien (von 28) auf wenigen Seiten berichtet. Interessant ist hier u.a. die Partie Lputian - Ivanchuk mit dem „Paukenschlag eines weltfremden Genies", so GM Pfleger mit fetter Überschrift in einer großen dt. Sonntagszeitung. Er meinte Ivanchuks Schläge 15. ...e3!! und 24. ...Ta4! Diese wichtige Partie fehlt im Buch [s. RE 9/2000, 54].
Das Rubinstein Memorial, Polanica Zdroj (Polen, Kat.17) ist wieder vollständig vorhanden. Ironischer Kommentar zum 9-zügigen Remis Federow - Markowski in der 7. Runde sinngemäß: Die Partie sei wichtig, weil der Weißrusse Fedorov (Elo 2646) damit seine Verlustserie von sechs Nullen in Folge beenden konnte.
Der FIDE World Cup, Shenyang (China) begann die Vorrunde mit vier 4 Gruppen zu je sechs Kandidaten. Von den 60 Partien informiert das Buch über 22. Die nachfolgenden k.-o.- Matches der Zwischenrunden und das Finale Anand - Bareev (Anand gewinnt) sind komplett, soweit normale Bedenkzeiten gesetzt waren.
Inzwischen ist Herbst und wir kommen zum Essent, Hoogeveen mit der Kat. 16 und vier Teilnehmern. Hier gewinnt Chalifman und kommentiert seine Partien selbst.
Noch während Hoogeveen begann das Brain Games Match, London zwischen Kasparow und Kramnik (6,5:8,5). Super Tournaments 2000 erwähnt das Match kurz im Vorwort und in einem Necessary Epilogue to the ' World Championship' am Buchende. Die Autoren sinngemäß: 2000 hätten viele Matches stattgefunden, darunter auch jenes des neuen FIDE-WM A. Chalifman gegen P. Leko und „... the other with the strongest player of the last years, G. Kasparov. Both of them lost these matches". (Chalifman hatte im Januar in Budapest gegen Leko 1,5:4,5 verloren). Soviel im Buch zu K&K in London.
Buch und Jahr nähern sich dem Ende. Das letzte Kapitel berichtet auf 70 Seiten mit 33 Partien über die k.o.-Fights um die FIDE-WM 2000 in New Delhi und Teheran. Aufgelockert werden die Partien durch Kurzberichte und Gespräche mit Spielern nach den Knock-out-Runden - der Leser soll sich einfühlen in die Stimmung vor Ort. Der Show-down beginnt Ende November mit 88 GM und 12 IM. Am 24. Dez. ist noch einer übrig: Anand, der neue FIDE-Weltmeister.
Super Tournaments 2000 schließt mit einem achtseitigen „Notwendigen Nachwort zur Weltmeisterschaft". Darin rechtfertigt Chalifman seinen WM-Titel: „A World Champion and the strongest player in the world is not the same thing"; dazu informiert eine Tabelle über alle Finalkämpfe seit Steinitz gegen Zukertort 1886 in den USA.

Kommentare
Nichts vom sprödeeffizienten Informator, kaum Kürzel und Symbole im Text. Die Kommentare sind rein sprachliche. Sie sind anschaulich formuliert in weniger anspruchsvollem Englisch, d.h. viel Grundwortschatz neben schachspezifischen Wörtern und Formulierungen. Zuerst war ich skeptisch, doch je mehr ich mich in dieses Turnierbuch einlas, umso mehr lernte ich die Kommentare der verschiedenen Autoren schätzen. Der eine trägt seine Überlegungen eher knapp vor, der andere mehr im lockeren Konversationsstil. Züge werden gepriesen, neutral kritisiert oder auch einmal spöttisch verrissen.
Reduziert um Begleittexte, entfallen auf jede Partie durchschnittlich 1,4 Seiten. Das ist nicht viel; auch beschränken sich die Varianten oft auf wenige Züge. Doch reicht das meist aus, um die Anmerkungen verständlich zu machen; dazu gibt es auf jeder Seite ein Diagramm (4x4 cm, gute Grafik). Sucht der Leser aber tiefere Analysen von mehr als drei Seiten, wird er nur selten fündig (Chalifman-Partien nannte ich bereits).
Die Autoren bemühen sich, den Leser in der Partie zu halten. Und das gelingtsinigen von ihnen gut: Ihre Kommentare motivieren zum Nachspielen, zum Selber-Tüfteln an kritischen Stellen -und sie unterhalten. Der Stil mancher Anmerkungen lässt gelegentlich etwas ran David Bronstein aufblitzen und seinem legendären Turnierbuch zu Zürich 1953. Auch dort finden sich nicht eben viele Varianten, dafür mehr Erläuterungen zu Drohungen, Felderschwächen oder Plänen...

Form:
Wie erwähnt, Super Toumaments 2000 meidet konsequent den Informator-Stil. Sucht der Leser aber im Register nach Eröffnungsnamen, dann sucht er vergeblich. Ohne Informator-ECO-Code läuft nichts. Auch in den Partieköpfen wird mancher die Eröffnungsnamen vermissen: Trompovsky-Angriff klingt einfach interessanter, ist informativer und motiviert mehr als das abstrakte Kürzel A 45 als einzige Angabe.
Sicher, der fortlaufende ECO-Code im Register ist praktisch: Alle Partienummern zu ähnlichen Eröffnungen ECO-logisch geordnet auf einen Blick. Trotzdem sollten Schachbücher mit vielen Partien, wie dieses hier, den vereinfachten ECO entschlüsselt im Anhang mitführen. Eine Seite würde genügen. Vermutlich weiß nicht jeder Leser auf Anhieb, dass zum Beispiel B10 bis B19 im Klartext Caro-Kann meint oder Nimzo-lndisch bei E20 anfängt und E59 aufhört.
Testen wir, was die Register der 300-Partien-Sammlung sonst noch leisten: „Nenne mir die Nummern aller Schwarz-Partien Anands gegen Schirow". Keine Auskunft. Andere Verlage sind hier weiter und rüsten ihre Bücher mit komfortablen Suchhilfen aus. Eine einfachere Frage: „Alle Weiß-Partien von J. Polgar?". Wieder nichts. Der Leser muss zufrieden sein, dass er im Index überhaupt erfährt, ob und welche der 300 Partie-Nummern eine Beziehung zu Frau Polgar unterhalten. Das ist zu wenig.
Gedruckt wurde das Buch auf einfachem 80g-Kopierpapier. Immerhin ist dieses Material für farbige Textmarker besser geeignet als das oft grobfaserige Papier vieler englischer Schachbücher. Im vorliegenden Exemplar sollte das Papier kräftiger sein: Der Textspiegel der Rückseite schimmert durch.
Der Zeilenumbruch im Blocksatz ist unprofessionell. Oft wirken Wörter gesperrt gedruckt ('ausgetrieben'), was Lesefluss und Schriftbild stört (am manuellen Zeilenumbruch wurde gespart). Die formalen Schachbuch-Standards setzen einige deutschsprachige Verlage (z.B. Olms, Beyer u.a.), zumindest was die Ausstattung in Druck, Papier und Bindung angeht. Daran sollte sich Chess Stars künftig auch orientieren -nicht nur an deren Preisen.

Fazit:
Der Verlag Chess Stars hat sich mit Super Toumaments 2000 vorgenommen, auf rund 440 Seiten und mit 300 kommentierten Partien die wichtigsten Superturniere 2000 und die 15. FIDE-WM vorzustellen. Das Projekt scheint insgesamt gelungen:
Pluspunkte: Die Stärke des Buches sind die 300 Partien. In der Auswahl etwas willkürlich, spiegeln sie das Spitzenschach des Jahres 2000 doch gut wieder. Die Kommentare sind rein sprachliche, anschaulich formuliert in wenig anspruchsvollem Englisch. Damit wenden sich die Autoren an den ambitionierten Clubspieler. Es gelingt ihnen oft gut, das Brettgeschehen verständlich zu machen, ohne den Leser zu überfordern oder zu langweilen. Die Kommentare unterscheiden sich zum Teil deutlich in Stil und Tiefe der Analysen - nicht jedem Leser wird das gefallen. Ich empfand die Mischung als abwechslungsreich. Das Buchformat ist ausreichend groß für intensives Arbeiten. Textzug und Varianten werden im Druck gut unterschieden, die Laufschrift ist etwas größer als üblich (Hinweis für Leser mit Sehschwäche).
Alle Partien zum automatischen Vorspielenlassen und für PC-Analysen sind leicht aus dem Internet zu beschaffen. Das ist zwar kein Verdienst der Autoren, kann den Lerneffekt beim Arbeiten mit dem Buch aber beträchtlich steigern.
Minuspunkte: Die Gewichtung der Super Tournaments 2000 ist 'Chalifmanlastig': Spielte Co-Autor und Ex-WM Alexander Chalifman mit, gibt es oft mehr Partien, tiefere Analysen, wird umfassender berichtet als zu den Turnieren ohne seine Beteiligung. Weder im Register noch in den Partiedaten Eröffnungsnamen (nur ECO). Die Register bieten insgesamt zu wenig Suchhilfen, bezogen auf die große Materialfülle. Auch die Ausstattung (Schriftsatz, Papier) könnte noch besser sein.

Empfehlung
Die Stärken des Buches überwiegen seine mehr formalen Schwächen deutlich, daher: Kaufempfehlung. Super Toumaments 2000, das ist reichhaltiger Schach-Proviant für eingeschneite Skihütten, karibische Inseln -und lange Winterabende zuhause.


Dr. Erik Rausch - Rochade Europa 01/2002

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Blicke auf die Gabe, die Sterne vom Himmel zu holen
Die Wege von Peter Leko und Alexei Shirov im Zeitalter der Superturniere neu entdecken

Von Harald Fietz
In jedem Sport gibt es sie, die Athleten mit dem besonderen Touch, die durch eine einzigartige Aktion oder einen intensiven Wettkampf das Publikum verzücken. Schach hat dabei den unschätzbaren Vorteil, dass geniale Zugfolgen von jedem jederzeit und überall nochmals genossen werden können. Zwei Himmelstürmern auf 64 Feldern widmet der Chess-Star-Verlag, der ein Autorenteam rund um Ex-Weltweltmeister Alexander Chalifman und seine St. Petersburger Schachschule rekrutiert, seine Aufmerksamkeit. Der lettische Spanier Alexei Schirov und der Dortmunder Ungar Peter Leko repräsentieren dabei höchst unterschiedliche Typen. Der Mann aus Riga wurde am 4. Juli 31 Jahre und gilt schon seit seiner Jugend als Grenzgänger zwischen solider Spielanlage und beseelter Fantasiesuche. Der in Szeged lebende WM-Herausforderer im Wartestand feierte am 9. September seinen 24. Geburtstag und hat die Hälfte seines Lebens in der professionellen Schachszene verbracht. Seinem Spielstil haftete lang Zeit das Image an, zu vorsichtig, bisweilen gar langweilig, zu sein. Doch im Jahr 2002 staunte die Schachwelt nicht schlecht: Kämpferisch, risikofreudig und mit einer Kiste voller Eröffnungsideen zauberte er nicht nur, sondern sammelte Erfolge für seinen neuen Status in der Schachhierarchie - unverkennbar ein Sprung im Reifeprozess. Eigentlich waren es im letzten Jahr nur zwei Turniersiege, dafür aber die mit dem größten Prestige: Dortmund 2002 als Sprungbrett zum WM-Match und Linares 2003, das Wimbledon des königlichen Spiels, als Ritterschlag unter Superstars. Platzierungen auf dem Podium in den elo-schwächeren Turnieren von Essen 2002 (2. Rang) und Budapest 2003 (3. Rang) dienten vor allem als Testläufe für die höheren Weihen. Selbst zwei Partien von im April abgehaltenen Turnier in der ungarischen Metropole sind unter den ausgewählten 100 Siegen des Spielers, der bereits 1992 als 11-Jähriger in Dortmund mit Großmeistern analysierte und blitzte. Die Analysen stammen aus unterschiedlichen Quellen: IM Sergei Soloviov steckt dahin, wenn nicht explizit ein anderer Begutachter genannt wird. Dann handelt es sich um die Großmeister Alexei Bezdogow, Alexander Goloschchapow, Konstantin Sakajew und Sergei Shipow sowie IM Maxim Notkin. Bis auf Notkin, der regelmäßig für den Internet-Service Chess Daily, schreibt, sind die Arbeiten dieses Teams im Sprachraum außerhalb Russlands kaum bekannt. Hinzu trifft als Anführer Chalifman, der sowohl einzelne Partien vollständig unter die Lupe nimmt als auch Analysen der anderen ergänzt (dann durch Kursivschrift gekennzeichnet). Ein biographischer Abriss und ein Vorort-Bericht aus Dortmund 2002 komplettieren die erste größere Werkschau.
Nach gleichem Muster ist die Partiensammlung von 100 Schirov-Siegen aufgebaut. Doch hier merkt man deutlich, dass den Autoren auf 35 Seiten Einführung (statt 20 Seiten bei Leko) seine Denk- und Spielweisen aufgrund des gleichen sozio-kulturellen Umfelds vertrauter sind. Darin enthalten ist ein 15-seitiges „Etappen-Interview" mit Juri Vasiliew, in welchem Shirov im Anschluss an Erfolge zwischen 1998 und 2000 über seinen schachlichen und privaten Werdegang nachdenkt. Bekannte und unbekannte Details fügen sich zu einen Puzzle zusammen (Vorbild Tal, die Kasparow-Schule, die Konflikte mit Kasparow und Kramnik, drei Heiraten und drei Kinder mit Schachspielerinnen, Rückkehr in die Heimatstadt Riga usw.). Der 100-Partien-Teil umspannt die Periode 1990-2002. Verglichen mit seiner Autobiographie „Fire on Board" (Cadogan Chess 1997), die für den Zeitraum 1983 bis 1996 101 Partien und 11 Endspielstellungen umfasst, gibt es eine Schnittmenge von nur 20 Partien. Durchaus reizvoll sind die Vergleiche. Das Autorenteam um Soloviov versäumte es gelegentlich, an kritischen Stellen einen belegten Abgleich mit dem früheren Buch vorzunehmen. Dennoch sollte sich der wahre Shirov-Fan die neue Sammlung zuzulegen. Es hat sich einfach viel verändert in Shirovs Karriere und der Schachwelt generell.
Abseits der schachpolitischen Ränkespiele war 2002, wie die dritte Chess-Star-Publikation Zeugnis gibt, ein Jahr, in dem auf den Superturnieren erstklassiges klassisches Schach zelebriert wurde. Sicher ist hierzu viel in Zeitschriften und Periodika veröffentlicht worden, aber mit der massiven 550-Seiten-Rückschau erhält man fünf Turnierbücher in einem Band. Alle 224 Partien sind ausführlich analysiert - kurze Turnierberichte und Interviews inklusive. Auch hier gilt, dass vieles für diejenigen neu ist, die keine russische Schachpresse studieren. Wer den englischsprachigen, elektronischen Chess-Daily-Service erhält, hat bei Analysen des ukrainischen GM Mikhail Golubevs (hier zum FIDE-WM-Final-Match Ponomariow-Iwantschuk) und Notkin Dubletten. Internet-Analysen von Sergei Shipov liegen jetzt gedruckt vor. Aber unbekanntes Material bleibt reichlich: Konstantin Sakajew, das Bundesliga-Spitzenbrett der SG Bremen, analysiert z.B. alle 42 Partien von Linares 2002. Der schiere Seitenumfang lädt zum Schmökern ein: Wijk aan Zee (215 Seiten!), FIDE-WM-Finale (20 Seiten), Cannes (100 Seiten), Linares (104 Seiten) und Dortmund (111 Partien). Man fühlt sich an goldene Zeiten erinnert, in denen es Muse gab, jedes Zusammensitzen der Superhirne intensiv zu ergründen.
Alle drei Werke werden durch vierfarbige Fotoseiten - teilweise mit im Westen unbekannten Privatfotos - verschönert. Drucktechnisch haben die Erzeugnisse aus Osteuropa aufgeholt. Auch in Bulgarien erstellt man diese mit neuer Technologie auf blütenweißem Papier und mit kräftigem Farben. Das Lesevergnügen wird durch das gebrochene Englisch der Übersetzung etwas gemindert. Einfaches Schulenglisch genügt vollkommen. Als Bereicherung für den Markt im Westen ist allerdings zu schätzen, dass qualitativ hochwertige Analyse und unbekannte Presse-Berichte neue Einblicke verschaffen. Aus dieser Warte können alle drei Publikationen empfohlen werden.
Wer dann noch nicht genug hat, der bekommt Leko von einer anderen Seite zu sehen. Videos mögen nicht jedermanns Sache sein, aber das gesprochene Wort besitzt bisweilen eine unglaubliche Wirkung: Ist der Erzählende - wie ein guter Lehrer - jemand, der grundlegende Merksätze, manchmal auch nur beifällig geäußerte Regeln und Prinzipien, mit einer bildreichen Sprache vermitteln kann, bleibt immer etwas haften. Solche Quintessenzen bieten nicht selten Impulse für das eigene Spiel. Leko gelingt es, - unterstützt von Stefan Kindermann als Stichwortgeber - in dem Zweieinhalbstunden-Video, mit seinen perfekten Deutschkenntnissen unterhaltsam und intensiv Fakten und Nuancen zu Biographie, Trainingsmethoden, der Kunst der Verteidigung und dem Triumph der Phantasie aufzudröseln. 15 Partien und Stellungen werden ausführlich Zug für Zug interpretiert - sieben davon sind auch in der 100-Partien-Sammlung. Wieder bringen Vergleiche zusätzliche Dimensionen zu Tage. Die verbalen Ausführungen skizzieren Hintergründe für stichhaltige Varianten: Die Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren, das Einbeziehen psychologischer Überlegungen, das Abwägen von konkreten Zugfolgen und Vertrauen auf Intuition sind latente Faktoren für den kreativen Entscheidungsprozess, die der direkt Beteiligte am exaktesten eingrenzen kann. Wie bei Shirov ergänzen sich Innenblick des Spielers und Außenperspektive der Experten weitgehend. Auch wenn es keine definitive Antwort darauf gibt, warum diese Spieler häufiger kreativ und genial agieren, es vermitteln sich, dass Schach in diesen Höhen eine mühevolle, komplexe Angelegenheit von befriedigender Schönheit sein kann. Allein darum lohnt es, ein Brett aufzubauen.
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Veröffentlichungsangaben:
·
Sergei Soloviov, Shirov's One Hundert Wins, 2003 (Chess-Star-Verlag, ISBN 954-8782-28-6, 316 Seiten) 27,95 Euro.
·
Sergei Soloviov, Leko's One Hundert Wins, 2003 (Chess-Star-Verlag, ISBN 954-8782-31-6, 340 Seiten) 27,95 Euro.
·
Sergei Soloviov, Super Tournaments 2002, 2003 (Chess-Star-Verlag, ISBN 954-8782-30-8, 556 Seiten) 28,50 Euro.
· Peter Leko, Leko lehrt Schach Folge 1 Schule der Kreativität, 2001 (Chessgate AG, VHS-Video, 2,5 Stunden) 24,95 Euro.
(erschienen in Schachmagazin 64, Nr. 1 / 2004, S. 18-20)
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