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LXKASMGV1

Meine großen Vorkämpfer Band 1 (hc)

Steinitz, Lasker u. Philidor etc.

246 Seiten, gebunden, Olms, 2. Auflage 2006

29,95 €
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Final vergriffen
Die Idee von Garri Kasparow ist faszinierend: eine Zeitreise in die letzten 200 Jahre Schachgeschichte! Das Ergebnis ist eine moderne Chronik des königlichen Spiels mit den bedeutendsten Partien der besten Spieler aller Zeiten, die der 13. Weltmeister selbst noch einmal analysiert hat. Sein im wahrsten Sinne des Wortes Jahrhundertwerk hält, was es verspricht, denn es erzählt unglaublich originell vom Schicksal der großen Schachmeister und ihrem erbitterten Kampf um die Schachkrone. Im vorliegenden Band 1 stehen dabei die ersten beiden Weltmeister Wilhelm Steinitz und Emanuel Lasker im Mittelpunkt.


* Über ein Jahrzehnt lang hat sich Garry Kasparow, der 13.Weltmeister der Schachgeschichte, intensiv mit seinen Vorgängern befasst.Er trug Informationen und Anekdoten zusammen und analysierte Hunderte ihrer bemerkenswertesten Partien neu. Entstanden ist das fünfbändige Jahrhundertwerk „Meine großen Vorkämpfer", das für die Einordnung der ersten zwölf Weltmeister, von Wilhelm Steinitz bis Anatoli Karpow, neue schachhistorische Standards setzt.
* Kasparow ist fast ohne Unterbrechung seit über zwölf Jahren die Nummer eins der Welt. Wie jeder Weltmeister hat er die Schachtheorie und die Moden seiner Zeit geprägt. Doch Kasparow war der erste, der Computer einsetzen konnte, um Analysen zu überprüfen.Seine Partiekommentare werfen auch deshalb ein neues Licht auf die Stärken und Schwächen seiner Vorgänger.
* Alle sieben Bände von Garry Kasparows „Meine großen Vorkämpfer" enthalten neben den analysierten Partien Fotografien und Biographien der Weltmeister, sowie Illustrationen und Zeitdokumente, die es erlauben, die Verknüpfung von allgemeiner Geschichte mit der Entwicklungsgeschichte des Schachs besser zu verstehen. Dabei hilft, daß Kasparow nicht nur auf die Weltmeister eingeht, sondern ebenso tiefschürfend auf andere große Spieler der jeweiligen Periode.

Deutsche Bearbeitung von Astrid Hager und Raymund Stolze. 5 Bände. Je Band ca. 250 Seiten mit zahlreichen Diagrammen und Fotos. Feste Einbände mit extra starken Deckeln im Format 17x 24 cm. Dazu eine CD-ROM (im ChessBase Format) mit allen Partien der jeweiligen Weltmeister.

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Wilhelm Steinitz
(Weltmeister von 1886 bis 1894)
Der 1836 in Prag geborene Wilhelm Steinitz zog als junger Mann nach Wien, um Mathematik zu studieren, widmete sich dann aber ganz dem Schach. Er schuf die Grundlagen der modernen Schachstrategie und war davon überzeugt, dass alle Probleme, die am Brett entstehen, mit wissenschaftlichem Denken gelöst werden können. Steinitz starb 1900 in New York.

Emanuel Lasker (1894 bis 1921)
1885 in Brandenburg geboren gilt Emanuel Lasker als der Pionier der Schachpsychologie. Der Doktor der Mathematik und Philosophie war im Schach auch als Psychologe ein Meister. Seine Vielseitigkeit, sein Sinn für die Schachtheorie und seine kämpferische Einstellung halfen ihm, fast alle Matches und Turniere zu gewinnen, an denen erteilnahm. 1941 starb Lasker in New York.


Seit langem wollte ich ein Buch über die neuesten Entwicklungen in der Geschichte des Schachs schreiben. Dabei verfolge ich einen traditionellen Ansatz, indem ich den stetigen Fortschritt von Weltmeister zu Weltmeister schildere. Denn gerade diese elitäre Gruppe von Ausnahmespielern (insgesamt 14 in 117 Jahren!) leistete den größten Beitrag zur Weiterentwicklung des Schachspiels: Um den höchsten Titel zu erobern, musste man sich von den Besten der Besten noch abheben. Man musste etwas Neues entwickeln, musste die erfahrensten und talentiertesten Gegner überraschen.
Die Geschichte überliefert, dass vor knapp zweitausend Jahren in Indien ein schachähnliches Strategiespiel entstand, das in nahezu unveränderter Form den schier unendlichen Weg aus dem Süden Mittelasiens über Persien und die östlichen arabischen Länder bis hin zur Pyrenäenhalbinsel antrat. Diese „indische" Version über die Herkunft des Schachspiels kam in Europa jedoch erst Ende des 17. Jahrhunderts auf. Mit Sicherheit lässt sich allenfalls sagen, dass das moderne Schach im 15. Jahrhundert im Mittelmeerraum entstand. Das intellektuelle Spiel, das die psychologische Kriegsführung modelliert, ist somit zu einer rein europäischen Erfindung geworden. Die großen Schachmeister waren stets eng verbunden mit den Wertorientierungen jener Epochen und Gesellschaften, in denen sie lebten und wirkten. Alle kulturellen, politischen und psychologischen Veränderungen spiegelten sich in ihren Vorstellungen und dem Stil ihres Spiels wider. Diese engen Verbindungen lassen sich weit zurückverfolgen. Es ist beispielsweise kein Zufall, dass das Schachspiel während der Renaissance die größten Entwicklungssprünge in Spanien und Italien vollzog. Ebenso wenig verwundert es, dass die erste Theorie zum positionellen Spiel in Frankreich in der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus vom großen Maestro Francois Andre Philidor entwickelt wurde (übrigens war dieser auch ein bekannter Komponist und enger Freund Diderots). Und denken wir nur an seinen Leitspruch aus der Mitte des 18. Jahrhunderts: „Die Bauern sind die Seele des Schachspiels". Lassen sich darin nicht Vorboten der Französischen Revolution erkennen? Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Schachwelt, entsprechend der geopolitischen Wirklichkeit, vom Zweikampf zwischen England und Frankreich geprägt: McDonnell gegen La Bourdonnais, Staunton gegen Saint-Amant usw. Mitte jenes Jahrhunderts wurde dann der herausragende Schachromantiker Adolf Anderssen zum führenden Spieler seiner Zeit. Den Stil des gebildeten Deutschen, dem die Ideen Hegels und Schopenhauers keinesfalls fremd waren, prägten unvorhersehbare Attacken auf den gegnerischen König und schwindelerregende Opfer, die den Triumph des Geistes über die Materie verkörpern. Erinnern wir uns auch an die steile Karriere des amerikanischen Schachgenies Paul Morphy, der in nur wenigen Jahren (1857-1859) sowohl die Neue, als auch die Alte Welt eroberte. Er überraschte die Schachwelt mit einer explosiven Mischung aus Pragmatismus, Aggressivität und genauer Berechnung. Qualitäten, mit deren Hilfe es Amerika in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang, entscheidende Fortschritte durchzusetzen.
Auf dem internationalen Schachturnier von London im Jahre 1883 stellte sich das Publikum einzig und allein die Frage, wer nun eigentlich der weltbeste Spieler sei: Wilhelm Steinitz oder Johannes Hermann Zukertort? Im Jahre 1886, kurz nach Morphys Tod, traten die beiden im Duell um den offiziellen „Champion of the World" gegeneinander an. Daraus entwickelte sich ein Titel, um den die beiden besten Spieler der Welt ringen und der das höchste internationale Ansehen garantiert. Ausgehend von der Liste der 14 Weltmeister werden wir immer wieder auf die untrennbare Verbindung zwischen der Schachwelt und dem realen Leben stoßen.

Wilhelm Steinitz (Weltmeister 1886 - 1894)
Steinitz dominierte praktisch ab 1870 die Schachwelt. Er war ein überzeugter Anhänger der wissenschaftlichen Methode, die seiner Meinung nach den Schlüssel zur Lösung sämtlicher Probleme auf dem Schachbrett darstellte. Als Erster zerlegte er die Position in ihre Bestandteile, bestimmte ihre wesentlichen Merkmale und stellte allgemeine strategische Prinzipien auf. Dies war eine bedeutende Entdeckung, ja ein entscheidender Wendepunkt in der Schachgeschichte. In der Praxis jedoch maß er seiner Theorie des positionellen Spiels häufig zu große Bedeutung bei und verließ sich zu sehr auf abstrakte Prinzipien. Er war eben ein Kind der Zeit des Materialismus, die der naive Glaube an die Allmacht der Wissenschaft und die baldige endgültige Erkenntnis aller Prozesse in der Natur prägte.

Emanuel Lasker (Weltmeister 1894- 1921)
Der gebürtige Deutsche war Doktor der Philosophie und der Mathematik. Er war der erste und seinerzeit auch der einzige Schachmeister, der den psychologischen Aspekten des Kampfes gebührende Bedeutung beimaß. Der überlegene Taktiker und Stratege begriff schnell, dass es viel wichtiger ist, die Schwächen des Gegners gekonnt auszunutzen, als immer die richtigen Züge zu beherrschen. Dank seines tiefgreifenden Verständnisses von der Psychologie des Menschen und seines Wissens um den Wert der Schachstrategie konnte er fast alle Zweikämpfe für sich entscheiden. Ganze 27 Jahre lang hatte Lasker den Weltmeistertitel inne. Ein absoluter Rekord! Und wer beherrschte zu jener Zeit die geistige Welt? Natürlich Einstein und Freud. Wie heißt es so schön: Jeder weitere Kommentar ist hier überflüssig...

Jose Raoul Capablanca (Weltmeister 1921 -1927)
„Schachmaschine" wurde das Genie aus Kuba aufgrund seines reinen Stils genannt. Der Publikumsliebling galt als äußerst kultiviert und führte ein mondänes Leben. Der große Capablanca bezwang seine Gegner im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch mit einer bewundernswerten Leichtigkeit und Eleganz. Außergewöhnlich ist auch, dass er seine glänzenden Siege scheinbar ohne Vorbereitung und ernsthafte strategische Konzepte errang. Versetzen wir uns nun in seine Zeit, die Jahre der Hoffnung und des Optimismus, als die Welt die Ruhe und den Frieden nach dem Inferno des Ersten Weltkrieges genoss. Gerade in diesen Jahren eroberten amerikanische Kulturexporte, angefangen von literarischen Bestsellern bis hin zu Filmproduktionen aus Hollywood, die ganze Welt. Die Geschichten von glücklichen Helden mit strahlendem Lächeln, die immer von einem Happyend gekrönt sind, ließen die Wunden des Weltkriegs vergessen. Und keiner entsprach dem Zeitgeist jener Tage mehr als der Salonlöwe und Liebling der Götter Capablanca.

Alexander Aljechin (Weltmeister 1927 -1935, 1937-1946)
Aljechin stammte aus einer reichen Adelsfamilie und war der erste Champion Sowjetrusslands. Er führte ein sehr bewegtes Leben. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution emigrierte Aljechin nach Frankreich, wo er seine Dissertation in der Jurisprudenz anfertigte. Danach folgten das grandiose Duell gegen Capablanca, zahlreiche Reisen, Siege und Niederlagen. Während des Zweiten Weltkrieges nahm er an Turnieren in den von Hitler besetzten Gebieten teil. Nach dem Krieg wurde ihm deshalb Kollaboration mit den Nationalsozialisten vorgeworfen. Ihm drohte gar der Ausschluss von internationalen Schachturnieren. Aljechins Stil gilt als die Inkarnation psychologischer Aggression. Er war geprägt von einer umfangreichen Vorbereitung, einer unglaublichen Energie auf dem Schachbrett und einem geradezu besessenem Streben, den Gegner in völligem Einklang mit der eigenen reichen kombinatorischen Fantasie zu bezwingen. Dies erinnert in auffallendem Maße an die verheerenden Kriege, die Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überzogen hatten. Am Ende seines Lebens schlug das Pendel des Schicksals noch einmal aus: Der neue Champion Sowjetrusslands, Michail Botwinnik, forderte Aljechin offiziell zum Zweikampf um die Weltmeisterschaft heraus. Doch der König des Schachs verstarb überraschend und blieb somit unbezwungen.

Max Euwe (Weltmeister 1935 - 1937)
Euwe ist Sinnbild für das Jahrhundert der technischen Revolution, des beginnenden Atomzeitalters und der Computer-Ära. Er war ein treuer Anhänger der Steinitzschen Theorien und trug wesentlich zu deren Verbreitung bei. Max Euwe galt als „Pragmatiker, der sich mit allem befasste, was mit Schach zu tun hatte". Außerdem besaß er den Doktortitel in Mathematik und galt als großer Fachmann auf dem Gebiet der Elektronik. So fungierte er als Vorsitzender der Eurotom-Kommission, die sich mit der Programmierung von Schachcomputern beschäftigte. Als erster Weltmeister wurde er 1970 zum Präsidenten der FIDE ernannt. Unterstützt wurde seine Wahl vor allem von Michail Botwinnik, der davon ausging, dass „nur ein Schachspieler, der selbst Weltmeister war, nachvollziehen kann, wie wichtig strikte und gerechte Regeln bei der Durchführung internationaler Turniere sind".

Michail Botwinnik (Weltmeister 1948 -1957, 1958-1960, 1961 -1963)
Botwinnik war seit frühester Jugend ein überzeugter Kommunist. Der kalte, erbarmungslose Stil des Patriarchen der sowjetischen Schachschule, der auf einer intensiven psychologischen Eröffnungsvorbereitung basierte, spiegelt die Macht und Stärke des stalinistischen Regimes wider. Botwinnik setzte sich intensiv mit dem Schachspiel auseinander, sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf praktischer Ebene. Als er Weltmeister wurde, waren gerade die Jahre des Kalten Krieges angebrochen und der Sport pervertierte zu einem politischen Instrument im Kampf der Ideologien zwischen Ost und West. Damals begann sich der Profisport erst langsam zu entwickeln, und die Wissenschaft konzentrierte sich auf die Forschung in der Atom-, Computer- und Raumfahrttechnik. Botwinnik war Doktor der technischen Wissenschaften und gilt als einer der Pioniere in der Programmierung von Schachcomputern.

Wassili Smyslow (Weltmeister 1957 - 1958)
Er ist zweifellos Symbol des Tauwetters. Nach Stalins Tod 1953, dem XX. Parteitag der KPdSU 1956, der beginnenden Rehabilitierung der Repressionsopfer und der Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Moskau 1957 bestieg ein sanftmütiger, intelligenter Mann mit angenehmem Bariton den Schachthron. Eigentlich wollte Smyslow Sänger werden. Er war kein Kommunist, sondern sehr religiös und griff der Wiedergeburt des russisch-orthodoxen Glaubens vor. Sein Stil wirkte im Vergleich zu Botwinniks panzerähnlichem Vorgehen um vieles leichtfüßiger. Die beiden Schachgrqßmeister bestritten insgesamt drei Duelle. Doch Smyslow, der in diesen Jahren wohl der beste Schachspieler war, hatte den Weltmeistertitel nur für kurze Zeit inne. Die vermeintlich vergangenen schrecklichen Zeiten wollten nicht weichen und holten ihn wieder ein.

Michail Tal (Weltmeister 1960 - 1961)
Auch wenn er von allen Weltmeistern den Titel am kürzesten inne hatte, so ging Tal doch als Ausnahmespieler in die Geschichte des Schachs ein. Sein freches, risikoreiches Spiel, das von verblüffenden Kombinationen und Opfern geprägt war, seine Jugend, sein unerschütterlicher Optimismus und seine Scharfsinnigkeit spiegeln die Hoffnung der Menschen in der Sowjetunion wider, sich endlich vom Stigma des Stalinismus befreien und neue Freiheiten unter Chruschtschow erringen zu können. Tal wurde 1960 Weltmeister, sein dynamisches Spiel versetzte das Publikum jedoch bereits 1956 in Erstaunen. Sein Sieg über Botwinnik war der Triumph des rebellischen Poeten über den kalten materialistischen Techniker (bereits 1951 hatte Bronstein versucht, damals jedoch ohne Erfolg, Botwinnik zu entthronen). In der WM-Revanche, die im darauffolgenden Jahr stattfand, blieb der junge Romantiker Tal gegen „das Bollwerk des kommunistischen Systems" chancenlos. Übrigens zeichnete sich gerade im Jahre 1961 das Ende des Tauwetters ab. Die Verfechter der harten Linie kehrten zurück.

Tigran Petrosjan (Weltmeister 1963 -1969)
Auch Petrosjan, der Botwinnik als Weltmeister ablöste, ist ein Kind seiner Zeit. Inzwischen war Breschnew an der Macht, und die Fesseln wurden systematisch wieder angezogen: Die Prozesse gegen Brodski, Sinjawski und Daniel, der Einmarsch im August 1968 in die Tschechoslowakei, die vollständige Unterdrückung der Redefreiheit... Der Glaube an die kommunistischen Ideale schwindet immer mehr, an seine Stelle treten Konformismus, Stillschweigen, Vorsicht und Wachsamkeit. Auch der nüchtern berechnende, sehr talentierte Petrosjan, der eine schwere Kindheit durchlebt hatte, eignete sich diese Eigenschaften im Laufe seines Lebens an.

Boris Spasski (Weltmeister 1969 - 1972)
Spasski entspricht der Vorstellung des sowjetischen Dandys. Er war der Meister der effektiven Attacken und ein herausragender Akteur auf der Schachbühne. Neben seinem großen Talent zeichneten ihn vor allem Mut und Unabhängigkeit aus. Seine spitzen, furchtlosen Äußerungen waren berüchtigt. Im Gegensatz zu vielen anderen Berühmtheiten jener Zeit biederte er sich den Mächtigen nie an, bat nicht um irgendwelche Privilegien und versuchte nie, politisches Kapital aus seinem bekannten Namen zu schlagen. Seine ablehnende Haltung gegenüber dem politischen System, die er mit mehreren Künstlern und Wissenschaftlern teilte, brachte den wachsenden Unmut der poststalinistischen Generation über das marode Regime in der Sowjetunion zum Ausdruck. Es folgte eine neue Emigrationswelle. Im Jahre 1976 verließ auch Spasski die Sowjetunion. Nachdem er eine Französin geheiratet hatte, zog er in eine Vorstadt von Paris. Doch erst nach dem Turnier von Linares 1983, bei dem der ehemalige Champion den ersten Platz vor dem amtierenden Weltmeister Karpow belegte, spielte er nicht mehr für die UdSSR und erhielt von da an auch kein Stipendium des sowjetischen Sportkomitees mehr.

Robert J. Fischer (Weltmeister 1972 - 1975)
Er war wohl der rastloseste und rätselhafteste König des Schachs. Seine ungeahnten Erfolge ließen ihn zur Legende werden. Fischers energischer Stil glich dem „eines Mörders auf dem Schachbrett": eine ungeheure Zielstrebigkeit und ein ungestümer Drang, alles aus dem Weg zu räumen, was sich ihm entgegenstellt. Der geniale Einzelgänger nahm die Herausforderung der vielgerühmten Sowjetischen Schachschule an, und zur großen Begeisterung des Westens siegte er! Unversöhnlich war seine Haltung hinsichtlich der Forderung nach optimalen Wettkampfbedingungen und der gebührenden Anerkennung der Spieler. Fischer reformierte die antiquierten Vorstellungen über das Schachspiel, durch ihn wurde es endgültig zu einer Profisportart. Doch durch seinen schwierigen Charakter und großen Individualismus wurde er immer mehr zum Einsiedler und zog sich schließlich ganz von der Schachweltzurück. Schade, denn in der Zeit der Beatles, der Hippies und der großen Studentenbewegungen, die nach mehr individueller Freiheit strebten, war Robert Fischer der Einzige, der das Schachspiel in eine völlig neue Dimension hätte führen können.

Anatoli Karpow (Weltmeister 1975 - 1985)
Sein unbedingter Überlebenswille und ein einzigartiges Schachtalent vereinten sich zu einer untrennbaren Verbindung aus Laskers psychologischem Geschick und Capablancas perfekter maschineller Technik. Er war der Liebling Breschnews und ein „leuchtendes" Symbol des politischen und gesellschaftlichen Stillstands. Das letzte Jahrzehnt der UdSSR war angebrochen. Sowjetische Truppen marschierten in Afghanistan ein, und die alten Ideologien verloren rasant an Bedeutung. Nun ging es nur noch um persönlichen Profit. Gerade in diesen Jahren wurde die FIDE von den Ländern der Dritten Welt und des Ostblocks, vor allem aber von der Sowjetunion und somit vom amtierenden Weltmeister Anatoli Karpow geprägt. Korruption, Stagnation, Zynismus und Konformismus bildeten den sowjetischen Alltag am Ende der kommunistischen Ära. Der Westen wiederum hatte sich längst mit der Aufteilung der Welt in zwei Blöcke arrangiert und war bereit, die Unversöhnlichkeit der beiden Systeme auf lange Zeit zu akzeptieren. Die beiden WM-Kämpfe von 1978 und 1981 zwischen Karpow und Kortschnoi spiegeln diese Zeit eindrucksvoll wider. Kortschnoi, der sich dem Westen zugewandt hatte und sich dessen Unterstützung sicher sein durfte, konnte sich nicht gegen die zähe, seelenlose sowjetische Maschine durchsetzen.

Garri Kasparow (Weltmeister 1985 - 2000)
Mein Stil erscheint mir wie eine Symbiose aus dem von Aljechin, Tal und Fischer. Meinen ersten Weltmeistertitel errang ich im historischen Jahr 1985, als Gorbatschow die Perestroika einleitete, die den Zusammenbruch der Sowjetunion und die Neuordnung der Welt zur Folge haben sollte. Millionen von Menschen fanden sich in einem völlig veränderten System wieder. Und auch die alte Schachordnung brach zusammen. Nach einigen verzweifelten Versuchen, die Vergangenheit zurückzuholen (beispielsweise fanden noch drei Duelle gegen Karpow statt), beschritt die Schachwelt neue Wege und strebt seitdem nach der vollständigen Anerkennung des Schachspiels als Breitensport. Sowohl das Schach als auch die Welt werden noch viele Veränderungen erfahren.

Wladimir Kramnik (Weltmeister 2000 - ?)
Zu Beginn des neuen Jahrtausends wird sowohl Russland, als auch der Westen von einem pragmatischen Markt dominiert. Fragen wie „Welchen Reingewinn erzielt Ihre Firma?" oder „Ist der Wert Ihrer Aktien gestiegen?" bestimmen unseren Alltag. Und der Schacholymp wurde von einem Mann erstürmt, der nach genau diesen neuen Prinzipien spielt und lebt. Bereits zu Beginn der 90er Jahre erkannte man sein großes Talent, und ich bestand darauf, den jungen Spieler in die russische Olympiamannschaft aufzunehmen. In unserem WM-Zweikampf im Jahr 2000 erfuhr sein Stil die höchste Vollendung. Dies war der Triumph des Pragmatismus. Sein Stil ist eine Synthese aus dem psychologischen Spiel Laskers, der intensiven Eröffnungsvorbereitung Botwinniks und der Zähigkeit Karpows. Dessen gesammelte Partien dienten Kramnik übrigens als Handbuch.

Die Geschichte des Schachs ist eng verbunden mit der Stadt Prag. Im Mai 1836 wurde in Prag der erste Weltmeister Wilhelm Steinitz geboren, und im Mai 2002 unterschrieb dort der Präsident der FIDE Kirsan lljumschinow gemeinsam mit dem 13. und 14. Weltmeister die „Resolution zur Vereinigung der Schachwelt". Damit endete auch der jahrelange Streit darüber, wer letztlich das Recht besitzt, den Titel „Champion of the World" zu verleihen. Im Ergebnis bleibt die FIDE die einzige Organisation, die offizielle Weltmeisterschaften ausrichten darf. Für die Weltmeister stellte dies ein unliebsames, jedoch notwendiges Zugeständnis dar, denn nur auf diese Weise können genügend Sponsorengelder gesammelt und Hunderte von Profispielern unterstützt werden.
Des Weiteren ist eine neue, dynamischere Form der Durchführung der Weltmeisterschaften geplant. Danach soll im Zwei-Jahres-Rhythmus ein Qualifikationsturnier nach dem Knock-out-System stattfinden, auf das dann die Viertel- und Halbfinale aller Titelanwärter einschließlich des Weltmeisters und schließlich das Duell um die Schachkrone folgen, das über 12 Partien gehen soll.
Die frühere Bedeutung und Symbolkraft des Weltmeistertitels wird somit wohl zusehends schwinden. Doch daran lässt sich nichts ändern. Das atemberaubende Tempo der modernen Welt und die Elektronisierung und Kommerzialisierung unseres heutigen Lebens machen auch vor dem Schach nicht Halt. Die Entwicklung des Schachspiels hat eine neue Stufe erreicht, in der die gesammelten Ideen praktisch umgesetzt werden und der sportliche Aspekt immer mehr in den Vordergrund rückt. Möglicherweise war das Match gegen Kramnik (London 2000) das letzte Duell, das Korrekturen im Spielverständnis hervorbrachte...
Zu Recht merkte Tal einst an, dass die Geschichte der Schachkrone nicht nur von den Weltmeistern selbst gestaltet wird, sondern vor allem auch von den Unterlegenen, die Ersteren hervorragend Paroli boten. Und tatsächlich gab es neben den Weltmeistern eine kleine Elite von Spielern, die eine große Rolle in der Entwicklung des Schachs spielten (für einige lag der Weltmeistertitel durchaus in greifbarer Nähe, allein das Schicksal schien ihnen nicht gewogen zu sein). Dabei denke ich an so große Namen wie Zukertort, Tschigorin, Tarrasch, Pillsbury, Schlechter, Rubinstein, Nimzowitsch, Reti, Keres, Bronstein, Geller, Larsen, Polugajewski, Kortschnoi u.a. Natürlich ist auch das Schicksal dieser Spieler eng mit der Zeit verwoben, in der sie lebten, und ich werde mich, wenn auch nur in Kurzform, jedem dieser großen Meister des Schachs widmen.
Doch zeichnen wir nun die Entwicklung der Schachgeschichte nach. Uns erwartet eine großartige Sammlung von Meisterwerken der besten Schachspieler aller Zeiten. Daneben werden die neusten, mikroskopisch exakt analysierenden Computerprogramme vorgestellt, was zu einer Vielzahl von überraschenden Entdeckungen und Erkenntnissen führen wird. Ich hoffe, dass dieses Werk, in dessen vorliegendem Band 1 die ersten beiden Weltmeister Wilhelm Steinitz und Emanuel Lasker im Mittelpunkt stehen, einen klaren Einblick in die einmalige Evolution des Schachs während der letzten 200 Jahre gewähren wird, die durchaus mit der Geschichte des technischen Fortschritts vergleichbar ist.
Außerdem wünsche ich mir, dass nicht nur Profis und interessierte Hobbyspieler mein Buch lesen werden, sondern auch all jene, denen es bisher noch nicht gelungen ist, eine Leidenschaft für dieses traditionsreiche, wahrhaft königliche Spiel zu entwickeln.

Garry Kasparov im Vorwort
Weitere Informationen
EAN 9783283004705
Gewicht 800 g
Hersteller Olms
Breite 17,5 cm
Höhe 24,5 cm
Medium Buch, CD
Erscheinungsjahr 2006
Autor Garri Kasparow
Sprache Deutsch
Auflage 2
ISBN-10 3283004706
ISBN-13 9783283004705
Seiten 246
Einband gebunden
007 Die Weltmeister als Symbole ihrer Zeit (Zur Einführung)
013 Schach vor Steinitz - die ersten inoffiziellen Weltmeister
015 Greco und Philidor
018 Die ersten Matches um die Schachkrone
026 Ein Kombinationsgenie
037 Eine amerikanische Legende
051 Wilhelm der Erste
052 Der „moderne Kalabrier"
058 Schlacht Nummer vier
062 Die Geburt einer Neuen Schule
070 Ein historisches Match
079 Tschigorin - der erste Herausforderer
084 Unter der Sonne Havannas
096 Neue leidenschaftliche Kämpfe um den Olymp
115 Der große alternde Löwe
126 Emanuel der Zweite
127 Schach oder Mathematik
131 Der ungekrönte König: das Match Lasker- Steinitz
136 Eine amerikanische Tragödie: Pillsbury
149 Laskers Verteidigung
153 Der rastlose Marshall
158 Was sind Sie eigentlich für ein Mensch, Doktor Tarrasch?
173 Die Reifeprüfung - das Match mit Tarrasch
186 Eine harte Nuss - das Match mit Schlechter
201 Der große Akiba Rubinstein
221 Das Turnier von St. Petersburg
233 Das Urgestein des Schachspiels
244 Partienverzeichnis
245 Eröffnungsregister
246 Zeichenerklärungen
Garri Kasparov: Meine großen Vorkämpfer
Wenn der beste Schachspieler der Welt ein Schachbuch schreibt, dann ist dies ohnehin etwas Besonderes. Garri Kasparovs "Meine großen Vorkämpfer", dessen erster von insgesamt fünf Teilen gerade in deutscher Sprache bei der Edition Olms erschien, ist allerdings auch ein ganz herausragendes Werk. Kasparov beurteilt und kommentierte Partien berühmter Vorgänger. In diesen Partiekommentaren offenbart sich das Schachverständnis des besten Spielers der Welt, fundiert und ohne jede Arroganz. Der Leser hat Gelegenheit, die Partien mit den Augen Kasparovs und dessen Auffasssung von Schach zu folgen und erfährt ganz nebenbei auch noch eine Menge über Schachgeschichte, die großen Spieler und deren Interpretation des Schachspiels.

Die Idee, ein Werk über die Schachweltmeister und die mit ihnen verbundene Entwicklung des Schachspiels zu schreiben, muss Kasparov schon lange bewegt haben, denn als die Welt am Sonntag 1996 einen Autor für ihre Schachkolumne suchte und Kasparov ins Gespräch kam, war dieser gleich interessiert und wartete mit genau dieser Idee auf: eine Übersicht über die Weltmeister bzw. die inoffiziellen Vorweltmeister. Tatsächlich schrieb der damalige Schachweltmeister 1996 und 1997 insgesamt 41 Kolumnen, die sich inhaltlich mit den großen Spielern und deren Partien beschäftigten. Das war gewissermaßen der Vorläufer des nun erschienenen Werkes, das am Ende natürlich viel umfangreicher sein wird.

ChessBase hatte damals an der Kolumne mitgearbeitet, die parallel in der Welt am Sonntag und der Los Angeles Times erschien. Meist war es so, dass irgendwann das Faxgerät ansprang und die Papierrolle im Faxgerät - im letzten Jahrhundert wurden die Faxgeräte noch mit Spezialpapier von Rollen gespeist - ein ordentliche Anzahl von Umdrehungen hinlegen musste, bis der ganze Text übermittelt war, den Kasparov auf der anderen Seite der Leitung in Moskau eingespeist hatte. Am Ende der Prozedur stand auf dem Papier ein langer englischer Text in Kasparovs Handschrift. Bei ChessBase wurde der Text in den Computer eingetippt und übersetzt.
In Band Eins der in der deutschen Version bei Edition Olms erschienenen Ausgabe "Meine großen Vorkämpfer" gibt Kasparov in der Einleitung einen Überblick über die bisherigen Weltmeister. Am Anfang steht Steinitz, am Ende Kasparovs unmittelbarer Nachfolger Kramnik. Dort charakterisiert er die Weltmeister in ihrer Persönlichkeit und ihrem Schachstil und stellt sie in einen historischen Zusammenhang, als Vertreter ihrer Zeit. So ist Steinitz ein Vorkämpfer der aufkommenden Wissenschaften zu Mitte des 19.Jahrhunderts. Lasker, als Zeitgenosse von Freud, sieht er als Vertreter des psychologischen Schule. Und Fischer ist jemand, der durch den Individualismus der Popkultur der Sechziger Jahre geprägt war. Dass Kasparov sich selbst sich als Kind der Perestroika versteht, ist bekannt. Sein Sieg über Karpov ist ein Sieg der Perestroika und das Ende der Breschniev-Ära. Und Kramnik? Kramnik ist das Kind der neuen pragmatischen und rein geschäftlich ausgerichteten neuen Lebensphilosophie in Russland.
In der Folge stellte Kasparov zunächst Partien der Vorweltmeister vor, die jeweils die besten Spieler ihrer Zeit waren. Am Anfang stehen Greco und Philidor. Die erste kommentierte Partie im Buch ist dann die 16. Partie aus dem 4. Wettkampf zwischen McDonnel und La Bourdonnais, London 1934. Schließlich geht es im Hauptteil des Buches um die ersten beiden offiziellen Weltmeister im Schach, Wilhelm Steinitz und Emmanuel Lasker. Insgesamt enthält der Band 73 kommentierte Partien bzw. Partiefragmente. Partie 73 stammt aus dem berühmten ersten Großmeisterturnier von Moskau 1925. Der große Mann des Schachs in der frühen Sowjetunion, Ilyin-Genevsky wird von Lasker zusammen gefaltet.

Was mir besonders an der Art der Kommentierung gefallen hat, ist die höfliche Ehrfurcht und Achtung, mit der Kasparov sich den betrachteten Meistern nähert. Obwohl er es sich angesichts des riesigen Unterschieds im Schachverständnis manchmal vielleicht leisten könnte, verzichtet Kasparov auf jede Arroganz. So heißt es z.B.: "Ich ziehe den Hut vor diesem großen Schachkünstler, doch richtig ist der grobe Zug 17...Lg4!" Oder als heftiger gemeinte Kritik die milde Äußerung: "Ein relativ ungewöhnliches Manöver." Neben eigenen Kommentaren fügt Kasparov auch solche zeitgenössischer oder früherer Kommentatoren ein. Im abschließenden Urteil über die Meister lässt er auch andere in Zitaten zu Wort kommen. Und zwischen den Zügen oder als Einleitung zu den Partien gibt es genug Platz für viele historische Einsprengsel, die Kasparov gerne nutzt. Kasparov ist ein großer Erzähler.
Der eigentliche Wert des Buches liegt natürlich in seinen schachlichen Kommentaren. Wie selbstverständlich und ganz nebenbei offenbart Kasparov in den Anmerkungen und Varianten sein weltmeisterliches Schachverständnis. Das ist wahrscheinlich viel ergiebiger und lehrreicher, als wenn er eigene Partien kommentieren würde. "Meine großen Vorkämpfer" ist ein Buch, dessen Anschaffung niemand bereuen wird, selbst wenn er sich für Schach nur am Rande interessiert.
Eine der kommentierten Partien ist übrigens Steinitz - Mongredian, London 1862. An die Erstveröffentlichung der Anmerkungen in der Welt am Sonntag habe ich eine gute Erinnerung. Vor sieben Jahren, als Kasparov die Partie den Lesern der Welt am Sonntag vorstellte, hatte er sie, wie alle anderen auch, am Schluss mit einer Preisfrage verknüpft. Es ging um die beste Verteidigung nach einem Turmeinschlag von Steinitz. Kasparov hatte schon einige Varianten vorbereitet und war dann zum Turnier nach Las Palmas gefahren. Die Antworten der Leser und die angegebenen Varianten gingen dann weit über das hinaus, was Kasparov vorhergesehen hatte. Viele Leser hatten nämlich ihre Fritz-Programme angeworfen und spannende Varianten entdeckt. Wir hatten die Aufgabe, die Antworten auszuwerten und Kasparovs Lösung bekannt zu geben. Dessen vorbereiteten Varianten sahen allerdings angesichts der eingegangnen Vorschläge etwas dünn aus. Der Meister war in Las Palmas nicht zu erreichen. Schließlich fanden wir eine Lösung, indem wir eine noch ausführlichere Lösung des Weltmeisters für die folgende Ausgabe ankündigten. Tatsächlich hat er sich danach noch einmal eingehend mit der Partie beschäftigt, zusammen mit seinem "eisernen Freund Fritz", wie er ihn im Buch nennt.

24.09.03 / A. Schulz auf www.chessbase.de


Angesichts des widerwärtigen Schauspiels, das der Schachwelt zur Zeit geboten wird, empfahl jüngst ein Kritiker in der Internet-Zeitschrift „Chess Today", man möge doch Kasparow endlich zum Ehren-Weltmeister erheben. Danach gebe dieser vielleicht endlich Ruhe - und könne sich voller Elan aufs Bücherschreiben konzentrieren, Darauf versteht sich der 40-Jährige zwar nicht ganz so meisterhaft wie auf den Umgang mit den 32 Figuren - ein bahnbrechendes Werk bleibt sein neues Projekt dennoch: Der Ex-Weltmeister befasst sich vor allem mit seinen zwölf Vorgängern: „Meine großen Vorkämpfer - Die bedeutendsten Partien der Schachweltmeister" heißt die Reihe. Im ersten Band, der jetzt auf Deutsch bei Edition Olms (29,95 Euro) erschien, würdigt der gebürtige Aserbaidschaner vor allem Wilhelm Steinitz und Emanuel Lasker, die beiden ersten offiziellen Weltmeister. Zu Ehren kommen aber auch andere Protagonisten des 19. Jahrhunderts, die inoffiziellen Champions vor dem ersten WM-Match 1886 zwischen Steinitz und Johannes Zukertort: Andre Francois Philidor, Kombinationskünstler Adolf Anderssen und Paul Morphy oder Herausforderer der Weltmeister wie Frank Marshall, Harry Pillsbury und Akiba Rubinstein. Neue historische Ergebnisse darf man bei dem Buch, das auf CD auch alle 3.151 Partien der genannten Legenden zum Nachspielen mitliefert, nicht erwarten. Bei der Einleitung verzapft Kasparow in Zusammenarbeit mit seinem Ghostwriter Dimitri Plisetski ziemlichen Unsinn: Jeden der Weltmeister sieht er als „Kind seiner Zeit", der auf dem Brett praktisch die Geschichte widerspiegele. Das untermauert der aktuelle Weltranglistenerste mit an den Haaren herbeigezogenen Beispielen, die man für jeden konstruieren kann. Geradezu froh muss man sein, dass Kasparow nicht auch noch ein weiteres Lieblingsthema mit dem angeblich „erfundenen Jahrhundert" im Mittelalter anschneidet, das er auf Grund einer abenteuerlichen Theorie in der europäischen Geschichte sieht. Besonders sein Erzrivale Karpow bekommt schon vorab sein Fett weg: Ihm bescheinigt Kasparow in der Übersicht der zwölf Weltmeister vor ihm zwar „einzigartiges Schachtalent" (vermutlich um seinen Sieg über ihn zu erhöhen), geißelt den ehemaligen Kommunisten aber auch als eine „zähe, seelenlose Maschine", „Breschnew-Kind" und „Symbol des politischen und gesellschaftlichen Stillstands". Insbesondere auf den fünften Band, in dem es um Karpow und den von den meisten als besten Schachspieler aller Zeiten angesehenen Bobby Fischer gehen wird, dürfen also die Leser gespannt sein. Vermutlich wimmelt es dort vor Rundumschlägen. Es kursiert sogar das Gerücht, dass Kasparow das Mammutwerk womöglich gar auf sechs Bände ausweitet, um seine WM-Partien gegen Karpow gesondert zu würdigen. Einstweilen wurde die englische Trilogie auf fünf deutschsprachige Bücher verteilt. Vernünftig, denn erfahrungsgemäß sind Übersetzungen ins Deutsche etwas länger als im englischen Original, das im ersten Band mit 464 Seiten äußerst üppig ausfiel. Diesmal ist es jedoch so, dass sowohl der Engländer Ken Neat wie Raymund Stolze
- Insidern als Autor von „Umkämpfte Krone" wie Herausgeber der legendären Sportverlag-Eröffnungsreihe bekannt - unabhängig voneinander das Buch aus dem Russischen übersetzten, So passierte es, dass der eine hier, der andere dort ein paar Fehler ausmerzte
- die Bände aber in beiden Sprachen doch noch einige enthalten, Schachlich gibt es an dem ersten Werk wenig zu nörgeln, Peinlich nur die Anmerkung auf Seite 33, auf der ein Spieler namens Lipke 1898 als Großmeister tituliert wird = gleichwohl dieser renommierte Titel erstmals 1914 in St, Petersburg an Lasker & Co, verliehen wurde. Abgesehen von ein paar weiteren Schludrigkeiten ist „Meine großen Vorkämpfer" historisch bedeutsam. Die Analysen der Partien gefallen zum Großteil, auch wenn ein englischer Rezensent beklagte, dass „95 Prozent der Analysen" einfach dreist von anderen Quellen - besonders genannt wird Jefim Bogoljubow - abgeschrieben worden seien. Schnitzer wie im ersten englischen Band, der auch bereits von Jose" Raoul Capablanca und Alexander Aljechin handelt, will Stolze in der zweiten deutschen Ausgabe vermeiden. Neat hatte manch veraltete falsche Analyse unbesehen übernommen und übersetzt. „Es ist natürlich schwierig, etwas ohne Kasparows Einwilligung zu ändern", berichtet Stolze vom bitteren Los des Übersetzers, selbst wenn er offensichtliche Fehler entdeckt. Kasparow scheute immerhin zuweilen keine Mühe, alte Kommentare zu überarbeiten und Positionen neu einzuschätzen. Wäre erbaulich, wenn er im wahren Leben ähnliche Objektivität walten ließe. In Band l bewertete Kasparow beispielsweise die Partie des Begründers des modernen Positionsspiels, Wilhelm Steinitz, gegen Mongredien neu. Die Schönheitspreis-Partie von London 1862, wo Anderssen siegte, hatte der Russe für die „Welt am Sonntag" und „Los Angeles Times" weniger präzise analysiert. Im Oktober will Edition Olms in gewohnt ansprechender Aufmachung Band 2 veröffentlichen. Neben Capablanca und Aljechin nimmt Max Euwe darin den meisten Platz ein. Im April 2004 soll das dritte Buch folgen, das wie alle anderen 29,95 Euro kosten soll (einige Händler gehen aber bereits davon aus, dass dieser bisher angekündigte Preis steigt). Dabei stehen Kasparows Lehrmeister Michail Botwinnik, mit dem er sich später überwarf, und Wassili Smyslow im Mittelpunkt. Für Oktober 2004 ist die Ausgabe über Michail Tal, Tigran Petrosjan und Boris Spasski geplant. 2005 folgt der Abschluss mit Fischer und Karpow.

FM Hartmut Metz, Rochade Europa 11/2003


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