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Geheimnisse der modernen Schachstrategie

304 Seiten, kartoniert, Gambit, 1. Auflage 2002

22,95 €
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Final vergriffen
Es ist jetzt über fünfundsiebzig Jahre her, seit Nimzowitsch sein gewaltiges Werk Mein System geschrieben hat. Während es ein grundlegendes Werk über Schachstrategie bleibt, hat sich die Art und Weise, wie Schachpositionen behandelt werden, seit Nimzowitschs Zeit stark verändert - es sind sowohl bestehende Ideen verfeinert, als auch völlig neue Konzepte entwickelt worden. Dieses Buch erfüllt die Notwendigkeit einer gründlichen, tiefgehenden Arbeit über die moderne Handhabung von Schachpositionen und zeigt wie Nimzowitschs Theorien - noch umstritten und bahnbrechend zu der Zeit als Mein System geschrieben wurde - verfeinert worden sind und neben den klassischen Konzepten genutzt wurden.
Der erste Abschnitt des Buches erörtert, wie das Verständnis klassischer Themen, wie Bauernmehrheiten, das Zentrum und strukturelle Schwachstellen, verbessert worden ist. In der Folge erörtert Watson neue Konzepte, einschließlich der Bereitschaft der modernen Spieler rückständige Bauern im Ausgleich für dynamisches Spiel hinzunehmen, die Idee eines guten „schlechten" Läufers, Springer, die nützliche Aufgaben am Rand finden, und Ideen für Qualitätsopfer, die unter den russischen Weltmeistern der Nachkriegszeit weit verbreitet waren.
Dieses tiefgründige, aber dennoch außerordentlich praktische Werk wird abgerundet mit Abschnitten über prophylaktisches Denken, Dynamik, die Anwendung moderner Konzepte auf die kritischen, zeitgenössischen Eröffnungssysteme und einigen Gedanken über die Zukunft des Schachs.
Internationaler Meister John Watson ist einer der angesehensten Schachautoren in der Welt. Mit seinem bahnbrechenden, vierbändigen Werk über die englische Eröffnung und mit Play the French, das oft als die Bibel des Französisch-Spielers bezeichnet wird, hat er seinen Ruf als Autor in den achtziger Jahren fest etabliert und hat seitdem eine Reihe hochwertiger Bücher geschrieben. Zu seinen Schülern gehört der Juniorenweltmeister von 1997, Tal Shaked.



Einleitung

In Chessman Comics #2 sehen Chessman und Zugzwang den Schachwesternfilm „Fort Blunder" mit den Stars General Prinzip und Hauptmann Alternative, in dem der folgende Dialog zwischen dem General und seinem Adjutanten stattfindet: „General Prinzip, Sir, ihr habt die Indianer fast alle getötet!". „Ja, aber ich fürchte, dass neue Formationen der Indianer kommen werden!". Zu Nimzowitschs Zeit geschahen größte Umwälzungen in der Schachwelt, die tatsächlich die zu der Zeit herrschenden generellen Prinzipien herausforderten. In der Tat stellten diese Änderungen, vor allem die neuen Indischen Systeme, die von Nimzowitsch selbst bevorzugt wurden, den Sinn von „generellen Prinzipien", an sich in Frage. Nimzowitsch forderte die ältere Theorie heraus, und seine Nachfolger führten eine Ära von Pragmatismus, Ablehnung von Dogmen und analytischer Nachforschung ein, was auch heutzutage noch charakteristisch ist. Meine Aufgabe in diesem Buch besteht darin, die bedeutendsten Änderungen der Schachtheorie herauszustellen, die modernes von klassischem Schachdenken unterscheiden.
Ich möchte gleich zu Beginn einige organisatorische und philosophische Punkte ansprechen, da ich mir darüber im Klaren bin, wie entmutigend das Buch auf den Leser wirken kann. Zunächst einmal ist es eine schwierige Frage, was im Schach „modern" bedeutet. Als generelle Richtlinie habe ich das Jahr 1935, Nimzowitschs Todesjahr, als Wendepunkt von prämodernem zu modernem Schach gewählt. Natürlich gab es in dem Jahr keine Revolution im Schach. Folglich waren Ideen, die von mir als „modern" bezeichnet werden, auch vor 1935 schon bekannt, und natürlich sind einige der von mir angesprochenen Konzepte erst vor kurzem in das allgemeine Bewusstsein eingedrungen. Aber falls der eine oder andere Leser verwirrt ist, warum eine Idee als „modern" bzw. als „klassisch" bezeichnet wird, so soll dieser etwas willkürliche Zeitpunkt als Hilfestellung dienen.
Unglücklicherweise ist die Struktur dieses Buches ein wenig trickreich, und ich hoffe, dass man es mir vergibt, wenn ich dies immer wieder erläutere. Der 1. Teil dient dazu, dem Leser die klassische Theorie und Nimzowitschs Veränderungen dieser Theorie näher zu bringen. Es scheint angemessen zu sein, dem durchschnittlichen Schachfan die klassische Theorie zu erläutern und damit die Grundlage für die späteren Behauptungen radikaler Veränderungen zu legen. Aber der 1. Teil behandelt auch das Thema moderner Weiterentwicklung der älteren Theorie. Obwohl die Aufteilung etwas willkürlich wirkt, habe ich im 1. Teil das abgehandelt, was als „evolutionäre" Entwicklungen der älteren Theorie bezeichnet werden könnte, und im 2. Teil „revolutionäre" Veränderungen betrachtet, beispielsweise Änderungen, die alte Prinzipien widerlegen oder fundamentale philosophische Neuorientierungen bewirken. Daher erfüllen beide Teile die Forderung des Untertitels dieses Buches („Fortschritte seit Nimzowitsch"). Aber der 2. Teil deckt unter minimalem Rückblick auf die Gedanken früherer Zeit die neuen Ideen ab, die das moderne Spiel in radikaler Weise auszeichnen. Hoffentlich ermöglichen es die Kapitel- und Abschnittseinleitungen dem Leser, den Sinn dieser Unterscheidungen zu erkennen. Auch wenn es das Risiko beinhaltet, ermüdend zu wirken, werde ich das, was ich gerade über die Organisation dieses Buches gesagt habe, im ersten Kapitel vom 1. Teil und im ersten Kapitel vom 2. Teil wiederholen und erläutern.
Als nächstes möchte ich meine Herangehensweise in Bezug auf den Stil einschließlich des Gebrauchs von Statistiken und der Auswahl der Beispiele erläutern. Der erste Punkt, der betont werden soll, ist, dass dies kein Lehrbuch ist. Ich hoffe zwar, dass man als Spieler durch sein Studium stärker wird, doch dies ist nicht der Hauptzweck. Ich schreibe auch kein komplettes Mittelspiellehrbuch, wie die wohlbekannten Bücher von Fachmann oder Euwe und Kramer. Das vorliegende Buch ist eine Art Mittelspielbuch, mit vielen Beispielen aus der Eröffnungstheorie, denn die Eröffnung und das Mittelspiel sind von diesem Standpunkt aus nicht mehr voneinander zu trennen. Innerhalb dieses Zusammenhangs habe ich mich jedoch mit einer großen, aber begrenzten Zahl von Themen befasst, die für meine These der Fortschritte im modernen Schach relevant sind. So kann es beispielsweise sein, dass der Leser zu einem Gebiet wie „Offene Linien als Faktor im Königsangriff' (Fachmann) absolut nichts findet. Auch praktische Ratschläge sind eher selten. Mein Ziel ist es, theoretische Fragen zu untersuchen und nicht Themen wie Zeitnot und Vorbereiauf das nächste Turnier zu behandeln. Die faszinierende Realität ist, dass es genug Material gibt, um ein Buch von doppelter Länge wie dieses alleine mit Schachideen zu füllen.
Hin und wieder habe ich in beiden Teilen einige Fragen mit Statistiken untersucht (beispielsweise die Häufigkeit bestimmter Bauernstrukturen oder die Gewinnprozente für Schwarz in der Sizilianischen Verteidigung). Diese wurden jeweils mit einem Datenbankprogramm von ChessBase erstellt. Obwohl ich nicht jedesmal die Größe oder den Umfang der durchgeführten Untersuchung angegeben habe, habe ich mich bemüht, jede Suche so eindeutig und statistisch aussagekräftig wie möglich zu machen. Aber die Interpretationen solcher Daten mögen in gewissem Maße schwanken und der Leser kann gefallen daran finden, seine eigenen Untersuchungen solcher Fragen anzustellen, denn dabei können subtilere Einsichten gesammelt werden. Zum ersten Mal, denke ich, wurden einige uralte Fragen zumindest zum Teil durch diese Art der Analyse gelöst. Wie mein stets scharfsinniger Redakteur Graham Burgess anmerkt, führen diese Statistiken zu unvermeidbaren Mehrdeutigkeiten. Angenommen, man betrachtet eine große Zahl von Endspielen, um zu entscheiden, ob Dame und Springer stärker als Dame und Läufer sind. Wenn die Spieler bereits davon ausgehen, dass Dame und Springer stärker sind, dann neigen sie dazu, eine vorteilhafte Position in den vermeintlich sichersten Vorteil zu verwandeln. Der entstehende Gewinn-Verlust-Prozentsatz ist folglich zugunsten von Dame und Springer verzerrt, denn die Zahlen reflektieren sowohl die Wahrnehmung als auch die Realität. Ich konnte zwar nichts gegen diese Effekte unternehmen, aber ich habe nicht nur Statistiken, sondern auch konkrete Beispiele untersucht, wenn ich solche statistischen Behauptungen aufgestellt habe. Langer Rede kurzer Sinn, ich denke, dass meine Schlussfolgerungen trotz dieser Probleme im großem und ganzen korrekt sind. In den sehr umstrittenen Fällen (wie D+S gegen D+L) würde jede Verzerrung die Seite begünstigen, gegen die ich argumentiere (in diesem Fall die Seite mit Dame und Springer), und würde daher nur meine Argumentation stärken. Wenn der letzte Satz verwirrend war, so sollte man nur den Gang dieser Diskussion im Hinterkopf behalten, wenn man auf statistische Argumente trifft!
Die schwierigste Aufgabe beim Schreiben dieses Buches bestand darin, die Beispiele auszusuchen. Zunächst wollte ich den erneuten Gebrauch derselben klassischen Beispiele vermeiden, die Mittelspiellehrbücher schon so oft betrachtet haben. Erfahrene Leser werden wissen, wovon ich spreche. Andererseits wäre es einfach arrogant zu übergehen, was viele wunderbare Autoren über die Mittelspielthemen gesagt haben, welche ich untersuche. Am Ende habe ich mich entschlossen, eine große Menge Bücher, meist theoretische Werke, Lehrbücher und Partiesammlungen zu untersuchen. Viele davon sind in der Bibliographie enthalten. Ich habe mehr derartige Beispiele benutzt als ursprünglich geplant, teils wegen der Weisheiten, die die Autoren dort ausgedrückt haben, teils weil ich eine Reihe neuer Aspekte in ihnen entdeckt habe (auch Fehler und falsche Einschätzungen), die meine Argumente über die Unterschiede, welche im modernen Schach sichtbar werden, klarer machen. Weiterhin habe ich in der Datenbank nach neuen Beispielen gesucht, was besonders im 2. Teil deutlich werden wird. Diese zeigen moderne Konzepte, die von Routinebeispielen bis zu revolutionären Ideen reichen. Weil viele dieser modernen Beispiele für den weniger erfahrenen Leser ein wenig bizarr erscheinen mögen, macht ihre Zusammenstellung mit sehr bekannten Beispielen und recht einfachen Lehrbeispielen es hoffentlich dem Leser einfacher, die neuen Konzepte zu ergründen. Eine weitere generelle Frage, die sicherlich einige Kommentare hervorrufen wird, ist das relative Schachverständnis klassischer und moderner Spieler. Der Leser sollte verstehen, dass meine eigene frühe Schachausbildung im Studium von vor 1930 gespielten Partien bestand, und der erste Schritt beim Schreiben dieses Buches bestand darin, hunderte von Partien der alten Meister zu untersuchen und klassische Texte und Turnierbücher zu lesen. Obwohl ich auf das Thema selten eingehe, ist es klar, dass ich davon ausgehe, dass moderne Spieler ein breiteres und tieferes Verständnis des Spiels haben als ihre Vorgänger. Normalerweise ist dies ohnehin klar, und es setzt die alten Meister auch keineswegs herab, so wie es auch Bill Tildens Leistungen im Tennis nicht schmälert, wenn man sagt, dass Andre Agassi ihn in einem Match dominieren würde, oder Newtons Arbeit in der Physik, wenn man sagt, dass es ihm nicht gelungen ist, die Relativitätstheorie zu erfinden. Aber es wird soviel Energie darauf verwandt,
die alten Champions zu verehren, dass ich meinen Respekt für ihr Spiel bezeugen möchte und außerdem betonen möchte, für wie irrelevant ich direkte Vergleiche zwischen den Meistern so verschiedener Zeiten halte. Die Idee dieses Buches besteht darin aufzuzeigen, was sich im modernen Schach geändert hat, nicht darin, negative Beurteilungen einzelner Spieler abzugeben.
Schließlich möchte ich den Leser daran erinnern, dass es keinen Weg gibt, meine verschiedenen Behauptungen über das moderne Spiel zu „beweisen". Ich kann natürlich immer Beispiele bringen, aber am Ende werde ich ohne Zweifel die Bedeutung dieser oder jener Idee unter- oder überschätzen. Dieses Buch erhält die größte Bedeutung, wenn man ein wachsames Auge auf die Frage wirft, ob die hier untersuchten Theorien eine solide empirische Basis in den eigenen Analysen und Partien haben oder nicht. Ich hoffe, dass mein Buch Sie zumindest dazu anregt, die Ideen aufzunehmen und über das moderne Schach neu nachzudenken.

John Watson
Carlsbad, Kalifornien; 1998
Weitere Informationen
EAN 9781901983753
Gewicht 560 g
Hersteller Gambit
Breite 17,2 cm
Höhe 24,8 cm
Medium Buch
Erscheinungsjahr 2002
Autor John L. Watson
Sprache Deutsch
Auflage 1
ISBN-10 1901983757
ISBN-13 9781901983753
Seiten 304
Einband kartoniert
Inhaltsverzeichnis

006 Symbole
006 Widmung
006 Danksagung

007 Einleitung

1. Teil: Die Verfeinerung der traditionellen Theorie
010 1: Überblick
010 Die Natur der Mittelspieltheorie
012 Zur Methodik

014 2: Entwicklung und das Zentrum
014 Das Zentrum und Tempi
017 Bauernraubzüge in der Eröffnung
023 Das wirklich große Zentrum
024 Die mobile zentrale Bauernmasse
029 Aufgabe des Zentrums

032 3: Minoritäten, Majoritäten und Freibauern
032 Minoritätsangriffe
035 Majoritäten und Kandidaten
038 Freibauern und die Blockade
040 Der lüsterne zeitgemäße Freibauer

044 4: Bauern: in Ketten und verdoppelt
044 Nimzowitschs neue Ideen
047 Nimzowitsch und Doppelbauern
049 Ein alter Disput
052 Die Entwicklung der Theorie der Doppelbauern
059 Vertripelung

064 5: Die Entwicklung des d-Isolanis
064 Einführung in die Fragestellung
067 Die moderne Situation des d-Isolanis

072 6: Behandlung der Leichtfiguren
072 Der traditionelle Standpunkt
076 Ziehen sich ungleichfarbige Läufer an?
078 Folklore oder Realität? Damen und Springer

082 7: Diese radikalen Türme
082 Siebte und achte Reihe
082 Türme, die auf Reihen patrouillieren
089 Remisliche Endspiele?

091 8: Ihre königliche Hoheit in unserer Zeit
091 Nimzowitschs Königsbehandlung
092 Königliche Abenteuer nach Nimzowitsch

097 9: Weitere ausgewählte Themenkomplexe
097 Manövrieren und Schwächen
098 Der Abtausch: Alt und neu
099 Überdeckung: Einige Anmerkungen

2. Teil: Neue Ideen und die moderne Revolution
102 1: Überblick
102 Rückblick auf die Idee des Remistods

107 2: Unabhängigkeit von Regeln
109 Der Niedergang der allgemeinen Regeln; Beispiele aus der Praxis
114 Beschreibung gegen Realität
114 Die königliche Wache auf Abwegen
119 Soll man Pferden den Vortritt lassen?

123 3: Moderne Behandlung der Bauern
123 Neue Konzepte bei Bauernketten
129 Das positionelle Bauernopfer
139 Sind die Bauern wirklich rückständig?
147 Die neue Beziehung zwischen Flügel und Zentrum
152 Weitere Untersuchungen über Bauern

155 4: Der moderne Läufer
155 All diese Fianchettiererei
157 Die neue Moral schlechter Läufer
164 Das Läuferpaar erneut im Mittelpunkt

168 5: Der heutige Springer
168 Sie leben am Rand
174 Optische Illusionen
178 Fühlen Sie sich überflüssig?

180 6: Läufer gegen Springer 1: Mann gegen Mann
180 Die Konfrontation der Leichtfiguren

186 7: Läufer gegen Springer 2: Leichtfigurenpaare
186 Gegen alle Wettquoten: Alles auf die Rösser
186 a) Der klassische Fall: Permanente Schwächen
193 b) Raum oder Zentrum für das Läuferpaar: Ein obskurer Tausch
197 c) Die althergebrachte Weisheit wird auf den Kopf gestellt
212 Die Rache der Läufer
217 Eine Abschweifung über den Nutzen von Schachbüchern

218 8: Das Qualitätsopfer
218 Ursprünge
220 Ein konzeptioneller Sprung
224 Petrosjans Patent
227 Das unvollendete Werk

233 9: Prophylaxe
233 Nimzowitschs Betrachtungsweise
236 Moderne Prophylaxe: Prävention allerorten

245 10: Dynamik: Die moderne Herangehensweise
245 Was ist Dynamik?
247 Ansammlung oder Raubzug
250 Dynamisches Gleichgewicht und Planung
252 Optische Vorteile gegen Elastizität

255 11: Zeit und Information
255 Informationstheorie und Schach
256 Remis?
257 Zeit und Eröffnungen mit vertauschten Farben
261 Heutige Symmetrie birgt Möglichkeiten für Morgen

263 12: Der Kampf um die Initiative
263 Die Geheimnisse der Initiative: Was ist ein Vorteil?
265 Dynamik und Provokation

269 13: Die moderne Eröffnung auf dem Prüfstand
269 Die Widersprüchlichkeit Aljechins
272 Die analytische Revolution
274 Ein Überblick über die aktuelle Theorie
289 Die Avantgarde

293 14: Schlussfolgerungen über die moderne Art, Schach zu spielen
295 Schlussfolgerung

297 Quellenverzeichnis

300 Index der Spieler
303 Index der Eröffnungen
Rezension der englischsprachigen Ausgabe ("Secrets of Modern Chess Strategy"):

British Chess Federation Book of the Year 1999!

Um es gleich vorwegzunehmen: Das neueste Werk des seit mehr als einem Jahrzehnt schachliterarisch erfolgreich tätigen englischen IM John Watson versteht sich ausdrücklich nicht als Lehrbuch des Mittelspiels (ein solches gibt es nämlich trotz Dworetzki/Jussupow noch nicht), sondern vielmehr als Bestandsaufnahme des modernen Spielverständnisses. Bekanntlich gilt ja Steinitz als "Erfinder" des Positionsspiels, dessen Lehrsätze in dogmatischer Weise von Tarrasch popularisiert wurden. Gegen diese orthodoxe Auffassung opponierten etwa seit den Zwanziger Jahren die "Hypermodernen" wie Réti, Tartakower und natürlich Nimzowitsch (der Intimfeind von Tarrasch), dessen 1930 erschienenes Hauptwerk "Mein System" als die "Bibel" des Positionsspiels gilt.
Hier setzt nun Watson an: Er versucht in einer breit angelegten Zusammenschau die Weiterentwicklung des Schachs seit den Zeiten des großen baltischen Lehrmeisters aufzuzeigen, wobei er als zeitliche Grenze das Todesjahr Nimzowitschs, 1935, annimmt. Als Symbolfigur der schachlichen Zeitenwende gilt Aljechin, der zum modernen Schach überleitet, beginnend mit der russischen Schachschule der Vierziger Jahre - Botwinnik u.v.a. -, bis hin zur jetzigen jungen Generation mit Kasparow an der Spitze. Im ersten Teil des Buches (S. 10 - 91) referiert Watson kurz die Thesen Nimzowitschs zur Zentrumsbildung, schnellen Entwicklung, zu Minderheitsangriffen, zu rückständigen, Frei- und Doppelbauern, zu den Bauernketten (die von der Basis her anzugreifen wären), zum isolierten Damenbauern, zu Türmen auf der siebten (zweiten) Reihe, zur Blockade und zur Überdeckung sowie zum Lavieren. Anhand vieler Beispiele zeigt er auf, wie sich die Beurteilungen seither verschoben haben: Beispielsweise gilt heute das Prinzip nicht mehr, jede Figur in der Eröffnung nur einmal zu ziehen, oder es werden bisweilen Flügelbauern geschlagen (z.B. der sizilianische Bauernraub auf b2); Doppel- oder sogar Trippelbauern gelten nicht mehr als Schwäche, wenn sie anderweitige Vorteile bieten; Abtauschoperationen werden gezielt durchgeführt, um auf geschwächten Felderkomplexen zu spielen; rückständige Bauern brauchen nicht schwach zu sein (z.B. der sizilianische d6-Bauer) u.a.m.
Der umfangreiche zweite Hauptteil (S. 92 - 264) befaßt sich dann ausschließlich mit neuen Ideen (also mit den im Untertitel angekündigten "Fortschritten seit Nimzowitsch") und mit der "modernen Revolution", wie der Autor sie nennt: Als einer der Hauptpunkte firmiert dabei die Unabhängigkeit von Regeln und Dogmen, entscheidend sind immer die Anforderungen der jeweiligen konkreten Stellung (S. 97 ff). Bei der modernen Handhabung der Bauernketten werden diese vorzugsweise an der Spitze angegriffen, positionelle Bauernopfer sind dem heutigem Meister in Fleisch und Blut übergegangen, und der rumänische GM Mihai Suba (sozusagen ein postmoderner Hypermoderner!) hat ein neues Dogma aufgestellt, daß nämlich Rand-Freibauern im Mittelspiel zum Nachteil geraten können. Das Spiel mit den Leichtfiguren sieht Watson als ein zentrales Thema moderner Spielführung an, widmet er ihm doch nicht weniger als fünf Kapitel (S. 140 - 210): Seien es die starken Fianchetto-Läufer, die These, das schlechte Läufer gute Bauern decken (Suba!), seien es Springer, die am Brettrand oftmals sehr gut plaziert sind, oder sei es die grundsätzliche Überlegenheit des Läufers gegenüber dem Springer im Endspiel mit Bauern auf beiden Flügeln.
Îm Kampf Läuferpaar gegen Springerpaar besagte die herkömmliche Anschauung, daß die Partei mit den Springern die Position geschlossen halten und ihre Stellung konsolidieren müsse; heute wird genau nach der gegenteiligen Maxime gehandelt (S. 178 ff), um Raum und Vorposten für die Springer zu schaffen, bevor die Läuferpartei die Stellung konsolidieren und ihre überlegene Reichweite ausspielen kann.
Schließlich kommt das positionelle Qualitätsopfer zur Sprache (S. 197), eine den Klassikern nahezu unbekannte Waffe, von Petrosjan perfektioniert und heute zum Arsenal jedes Meisters gehörend.
Weitere Kapitel befassen sich mit einigen abstrakteren Ideen: Die von Nimzowitsch stammende Hervorhebung der Bedeutung der Prophylaxe wird heutzutage immer wichtiger (S. 211 ff), mit Petrosjan als wohl bedeutendstem Exponenten, währenddessen die vom baltischen Lehrmeister propagierte Überdeckung ("auf Vorrat decken") fast keine Rolle mehr spielt.
Im Gegensatz zur früheren mehr statischen Beurteilung der Position erhalten heute Dynamik (S. 222) und Initiative (S. 238 ff) einen immensen Stellenwert; dynamisches Gleichgewicht, wechselnde Initiative, Elastizität der Aufstellung haben eine höhere Wertigkeit als profunde Pläne im Mittelspiel (deren gradlinige Durchführung sowieso nur ein wesentlich schwächerer Partner gestattet).
Seitenverkehrte Eröffnungswahl, die ja Weiß mit einem Tempo mehr eigentlich einen Vorteil verschaffen sollte, erweist sich als stumpfe Waffe, da der Schwarze seine Reaktion in flexibler Weise auf die Absichten des Weißen einrichten kann, da dieser seine Karten immer einen Halbzug früher auf den Tisch legen muß (S. 236 ff).
Abschließend begibt sich Watson auf einen Streifzug durch die Welt der modernen Eröffnungen (S. 244 - 264), wo Neuerungen häufig erst zwischen dem 20. und 30. Zug auftauchen und erschöpfende konkrete Analysen über alle Lehrsätze triumphieren.
Ein kurzer Ausblick auf die mögliche Zukunft und weitere Evolution des Schachverständnisses (S. 265 - 267) rundet dieses profunde Werk ab, das mit zahlreichen Beispielen - 77 vollständige Partien und 337 Partiefragmente - üppig ausgestattet ist. Hier eine Auswahl zu bringen, erscheint entbehrlich, dazu braucht man nur die ROCHADE EUROPA durchzublättern, um allenthalben auf modernes Spiel zu stoßen.
Da der Text ohne englische Sprachkenntnisse nicht adäquat rezipiert werden kann, wäre es eine verdienstvolle Aufgabe für einen hiesigen Verleger, bald eine deutsche Übersetzung herauszubringen.

Dr. W. Schweizer, Rochade Europa 04/99
In diesem Lehrbuch werden die wichtigsten Elemente der Schachstrategie erörtert und zwar überwiegend auf der Basis der neuesten Partien. Der Verfasser erläutert die klassischen Prinzipien von Steinitz bis Nimzowitsch, z.B. Entwicklung, Zentrum, Bauernstrukturen (Isolani, Karlsbad - Struktur) usw. Zur Besprechung der strategischen Themen wurden viele lehrreiche und umfassend kommentierte Beispiele aufgenommen, so daß der Leser sich sehr schnell in die Problematik einarbeiten kann. Ein sehr wichtiges Buch nicht nur für den Spieler sondern auch für den Schachtrainer. Die Grundkenntnisse der englischen Sprache sind empfehlenswert!

Jerzy Konikowski, Fernschach International 09/99
Stolz ist man zur Zeit bei Gambit Publications. Das Buch "Secrets of Modern Chess Strategy" von John Watson wurde nämlich als Buch des Jahres ausgezeichnet. Diesen Preis hat das Buch gleich in zwei Ländern abgeräumt, und zwar in England und den USA.
In seinem Buch bespricht Watson zunächst die klassischen Prinzipien, die u. a. von Steinitz, Tarrasch und Nimzowitsch aufgestellt wurden, denen er dann im Rest des Buches die moderne Theorie entgegensetzt.
Ein ungeheuer lehrreiches Buch, das den Preis voll und ganz verdient hat.
Schach-Markt 2/2000

Um es gleich vorwegzunehmen: Das profunde Werk des seit mehr als einem Jahrzehnt schachliterarisch erfolgreich tätigen englischen IM John Watson versteht sich ausdrücklich nicht als Lehrbuch des Mittelspiels (ein solches gibt es nämlich trotz Dworetzki/Jussupow noch nicht!), sondern vielmehr als Bestandsaufnahme des modernen Spielverständnisses. Bekanntlich gilt ja Steinitz als „Erfinder" des Positionsspiels, dessen Lehrsätze in dogmatischer Weise von Tarrasch popularisiert wurden. Gegen diese orthodoxe Auffassung opponierten etwa seit den 1920er-Jahren die „Hypermodernen" wie Rèti, Tartakower und natürlich Nimzowitsch (der Intimfeind von Tarrasch), dessen 1926 erschienenes Hauptwerk „Mein System" als die „Bibel" des Positionsspieles gilt. Hier setzt nun Watson an: Er versucht in einer breit angelegten Zusammenschau die Weiterentwicklung des Schachs seit den Zeiten des großen baltischen Lehrmeisters aufzuzeigen, wobei er als zeitliche Grenze das Todesjahr Nimzowitschs, 1935, annimmt. Als Symbolfigur der schachlichen Zeitenwende gilt Aljechin, der zum modernen Schach überleitet, beginnend mit der Russischen Schachschule der 1940er - Jahre-Botwinnik u.v.a. -, bis hin zur jetzigen jungen Generation mit Kasparow an der Spitze.
Im ersten Teil des Buches (S. 10-101) referiert Watson die Thesen von Nimzowitsch zur Zentrumsbildung, zur schnellen Entwicklung, zu Minderheitsangriffen, zu rückständigen, Frei- und Doppelbauern, zu den Bauernketten (die von der Basis her anzugreifen wären), zum isolierten Damenbauern, zu Türmen auf der siebten (zweiten) Reihe, zur Blockade und zur Überdeckung sowie zum Lavieren. Anhand vieler Beispiele zeigt er auf, wie sich die Beurteilungen seither verschoben haben: Beispielweise gilt heute das Prinzip nicht mehr, jede Figur in der Eröffnung nur einmal zu ziehen, oder es werden bisweilen Flügelbauern geschlagen (z.B. der sizilianische Bauernraub auf b2); Doppel- oder sogar Tripelbauern gelten dann nicht mehr als Schwäche, wenn sie anderweitige Vorteile bieten; Abtauschoperationen werden gezielt durchgeführt, um auf geschwächten Felderkomplexen zu spielen; rückständige Bauern brauchen nicht schwach zu sein (z.B. der sizilianische d6-Bauer) u.v.a.m. Der umfangreiche zweite Hauptteil (S. 102-296) befasst sich dann ausschließlich mit neuen Ideen (also mit den im Untertitel angekündigten „Fortschritten seit Nimzowitsch") und mit der „modernen Revolution", wie der Autor sie nennt. Als einer der Hauptpunkte firmiert dabei die Unabhängigkeit von Regeln und Dogmen, entscheidend
sind immer die Anforderungen der jeweiligen konkreten Stellung (S. 107 ff.). Bei der modernen Handhabung der Bauernketten werden diese vorzugsweise an der Spitze angegriffen, positioneile Bauernopfer sind dem heutigen Meister in Fleisch und Blut übergegangen, und der rumänische GM Mihai Suba (sozusagen ein postmoderner Hypermoderner!) hat ein neues Dogma aufgestellt, dass nämlich Rand-Freibauem im Mittelspiel zum Nachteil geraten können. Das Spiel mit den Leichtfiguren sieht Watson als ein zentrales Thema moderner Spielfuhrung an, widmet er ihm doch nicht weniger als fünf Kapitel (S. 155-232): Seien es die starken Fianchetto-Läufer, die These, dass schlechte Läufer gute Bauern decken (Suba!), seinen es Springer, die am Brettrand oftmals sehr gut platziert sind, oder sei es die grundsätzliche Überlegenheit des Läufers gegenüber dem Springer im Endspiel mit Bauern auf beiden Flügeln. Im Kampf Läuferpaar gegen Springerpaar besagte die herkömmliche Auffassung, dass die Springer-Partei die Position geschlossen halten und ihre Stellung konsolidieren müsse; heute wird genau nach der gegenteiligen Maxime gehandelt, um Raum und Vorposten für die Springer zu schaffen, bevor die Läuferpartei die Stellung konsolidieren und ihre überlegene Reichweite ausspielen kann.
Schließlich kommt das positionelle ; Qualitätsopfer zur Sprache (S. 218 ff.), eine den Klassikern nahezu unbekannte Waffe, von Petrosjan perfektioniert und heute zum Arsenal jeden Meisters gehörend.
Weitere Kapitel befassen sich mit einigen abstrakteren Ideen: Die von Nimzowitsch stammende Hervorhebung der Bedeutung der Prophylaxe wird heutzutage immer wichtiger (S. 233-244), mit Petrosjan als wohl bedeutendstem Exponenten, während die von Nimzowitsch propagierte Überdeckung starker Punkte fast keine Rolle mehr spielt. Im Gegensatz zur früheren mehr statischen Beurteilung der Position erhalten heute Dynamik (S. 245 ff.) und Initiative (S. 263 ff.) einen immensen Stellenwert; dynamisches Gleichgewicht, wechselnde Initiative, Elastizität der Aufstellung haben eine höhere Wertigkeit als weitreichende Pläne im Mittelspiel (deren geradlinige Durchführung sowieso nur ein wesentlich schwächerer Partner gestattet). Seitenverkehrte Eröffnungswahl, die ja Weiß mit einem Tempo mehr eigentlich einen Vorteil verschaffen sollte, erweist sich als stumpfe Waffe, da der Schwarze seine Reaktion in flexibler Weise auf die Absichten des Weißen einrichten kann, da dieser seine Karten immer einen Halbzug früher auf den
Tisch legen muss (S. 255 ff.). Abschließend begibt sich Watson auf einen Streifzug durch die Welt der modernen Eröffnungen (S. 269-292), wo Neuerungen häufig erst zwischen dem 20. und 30. Zug auftauchen und erschöpfende konkrete Analysen über dogmatische Lehrsätze triumphieren.
Ein kurzer Ausblick auf die mögliche Zukunft und weitere Evolution des Schachverständnisses (S. 293-296) rundet das wahrhaft profunde Werk ab, das mit zahlreichen Beispielen (77 vollständige Partien und 337 Partiefragmente) üppig ausgestattet ist.
Der Gambit-Verlag kann es sich als Verdienst zurechnen, das 1998 unter dem Titel „Secrets of Modern Chess Strategy" erschienene Werk nunmehr 5 in deutscher Sprache (mit GM Karsten Müller als Übersetzer) herausgebracht zu haben.
Dr. W. Schweizer, Rochade Europa, 10/2002.


Schon bald nach dem Erscheinen 1998 unter dem Titel »Secrets of Modern Chess Strategy« hat das vorliegende Buch des international renommierten Schachschriftstellers IM John Watson hohes Lob erfahren, was sich u.a. in Buchpreisen wie dem »Book of the Year« - Award der britischen Schachföderation niederschlug. Seit kurzem liegt das Buch nun in deutscher Ausgabe vor.
Um es gleich vorwegzunehmen: Watsons Buch ist für mich eines der tiefgründigsten, innovativsten und gleichzeitig originellsten Schachwerke der letzten Jahre. Obwohl es im Titel anklingen könnte, liegt hier kein Lehrbuch der modernen Schachstrategie vor, sondern vielmehr eine Bestandsaufnahme der Praxis der letzten Jahre oder, um es in Watsons eigenen Worten zu sagen, »eine Beschreibung der Themen, welche die Fortschritte der modernen Schachtheorie beschreiben«. Watson geht gemäß dem Untertitel des Buches zunächst geschichtlich vor. Er untersucht eingangs (»Die Verfeinerung der traditionellen Theorie«; S. 10-101) die Erkenntnisse, die Aaron Nimzowitsch in seinem bahnbrechenden Werk »Mein System« dargelegt hat, das insb. im angelsächsischen Raum noch immer eine Art Referenzwerk des Mittelspiels darstellt. Anschließend analysiert er im zweiten Teil, »Neue Ideen und die moderne Revolution« (S. 102-297), die modernen Tendenzen schachstrategischer Praxis.
Als eine Grundtendenz ist demnach festzuhalten, dass das moderne Schach weitgehender als je zuvor unabhängig von Regeln gespielt wird. Watson zeigt, wobei ihm u.a. sein fundiertes Wissen im Bereich Eröffnungstheorie immer wieder zugute kommt, dass in früheren Büchern, wobei er als Muster u. a. die Trilogie »Moderne Schach-Strategie« (1975/77) von Ludek Pachmann hernimmt, Beispielstellungen bereits oft einen deutlichen Vorteil für eine Seite aufzeigten und die unterlegene Partei weiterhin nicht optimal spielte. Damit ließen sich sehr schön bestimmte Strategeme wie »guter und schlechter Läufer«, »Nachteile rückständiger Bauern«, »Vorteil des Läuferpaares« zeigen. Man kann nicht sagen, dass dies heute alles ins Gegenteil verkehrt wird, es scheint aber wesentlich wichtiger geworden, stets die konkreten Stellungsmerkmale mit einzubeziehen.
Watsons vorliegendes Buch wurde bereits in der Rochade 10/02, S. 85, rezensiert. Der Autor hat damals viele Einzelpunkte referiert, sodass ich mich hier auf ein konkretes, gleichzeitig etwas provozierendes Beispiel (S. 109) beschränken möchte. Die Partie Khljawin - Zhdanov, Lettische Meisterschaft 1961, verlief folgendermaßen:
1. e4 c6 2. Sc3 d5 3. Sf3 g6 4. d4 Lg7 5. h3 a6 6. Lf4 Sf6 7. e5 Sg8 8. Dd2 b5 9. Le2 h6 10. 0-0-0 e6

Stellung: Weiß: Kc1, Dd2, Td1, Th1, Le2, Lf4, Sc3, Sf3, Ba2, b2, c2, d4, e5, f2, g2 und h3.
Schwarz: Ke8, Dd8, Ta8, Th8, Sb8, Sg8, Lc8, Lg7, a6, b5, c6, d5, e6, f7, g6 und h6.
Weiß ist am Zug.

Weiß steht gut: Er hat im völligen Gegensatz zum Nachziehenden fast alle Figuren entwickelt. Schwarz hingegen hat viele schwarzfeldrige Löcher am Damenflügel und die einzige entwickelte Figur beißt auf Granit. Ein schneller Mattangriff scheint die Folge ... In Wahrheit hat aber Schwarz die Partie durch einen fulminanten und zügig vorgetragenen Angriff (nur 18 Züge ab dem Diagramm!) entschieden: 11. g4 Sd7 12. Lg3 Lf8 13. Tdfl Sb6 14. Sd1 a5 15. Se1 b4 16. Sd3 Sc4 17. Del Db6 18. b3 Dxd4 19. bxc4 Da1+ 20. Kd2 dxc4 21. Sf4 Dxa2 22. Ke3 Lb7 23. Dd2 g5 24. Sh5 c3 25. Dd3 Td8 26. De4 Lc5+ 27. Kf3 Td4 28. De3 Dd5+ 0:1. Auch die Schluss-Stellung verdient ein Diagramm:

Stellung: Weiß: Kf3, De3, Tf1, Th1, Le2, Lg3, Sd1, Sh5, Bc2, e5, f2, g4, h3.
Schwarz: Ke8, Dd5, Td4, Th8, Lb7, Lc5, Sg8, Ba5, b4, c3, c6, e6, f7, g5, h6.

Watson analysiert: »Mir scheint es, als wäre die schwarze Verletzung der klassischen Regeln zu Gunsten des Erreichens konkreter Ziele das beherrschende Thema der Partie. Ich würde zwar nicht argumentieren, dass die schwarze Provokation ganz korrekt war (obwohl dies so gewesen sein könnte), aber ich würde sagen, dass sie eine typische moderne Tendenz zeigt, wenn auch in einer sehr extremen Art und Weise.« Nach der Lektüre bleibt der Leser mit zwei widerstreitenden Gedanken zurück. Zum einen muss man angesichts von Watsons Buch wohl festhalten, dass es für Lernende schwerer geworden scheint, das Mittelspiel einfach mittels standardisierter Beispiele zu »lernen«, zum anderen - und dies ist das Befreiende - scheint modernes Schach hingegen spannender als je zuvor!
Insgesamt würde ich das Buch Lesern empfehlen, die im Bereich Schachstrategie zu eigenständigem Denken gelangen möchten oder solchen, die einfach fasziniert sind von der Fülle moderner Entwicklungen. Apropos »modern«. Der Verlag scheint in der Werbung schon von vomeherein zu meinen, den vielfach nivellierenden Tendenzen des Zeitgeistes Tribut zollen zu müssen. In der Ankündigung wird das Buch als »tiefgründig, aber [!!] durch und durch modern« bezeichnet...
Das Buch (ISBN: 1-901983-75-7) verfügt über 304 großformatige Seiten und bietet, wie vom Gambit-Verlag bekannt, druck- und layouttechnisch ein sehr hohes Niveau. Der Preis von 29,95 EUR erscheint daher in jedem Falle gerechtfertigt. Für Mai 2003 ist übrigens eine Fortsetzung des Werkes angekündigt (»Chess Strategy in Action«; 272 Seiten; 31,10 €). Wollen wir hoffen, dass es dann bis zur deutschen Übersetzung nicht wieder vier lange Jahre dauert...

Helmut Conrady in Rochade Europa 02/2003.

Schachlehrbücher des Mittel- und des Endspiels haben kein so kurzes Verfallsdatum wie Eröffnungswerke. So ist es möglich, dass die Arbeiten von Nimzowitsch "Mein System" (3. Auflage 2002, ISBN 3-88086-073-4) und Fachmann "Moderne Schachstrategie" auch nach Jahrzehnten noch von vielen Schachlehrern als Pflichtlektüre angesehen werden. Watson versucht nicht, diese zu beerben oder zu widerlegen, sondern stellt lehrreiche Beispiele zusammen, die die Weides Spiels seitdem verdeutlichen sollen. So wertvoll Watsons Arbeit auch für angehende Profis sein mag - der Anfänger braucht erst die Regel und später die vielen Ausnahmen. Deshalb gerne empfohlen für Bibliotheken, die o.g. Titel anbieten. Auch die hervorragende Arbeit von Nunn: "Schach verstehen Zug um Zug" (BA 4/03) eignet sich gut zur Vorbereitung. Übrigens erschien im Frühjahr bereits der Folgeband "Chess Strategy in Action" von Watson. Bleibt zu hoffen, dass die Schachfreunde nicht wie4 Jahre auf eine deutsche Übersetzung warten müssen. (2)

Wolfgang Franz, ekz-Informationsdienst 01/04