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LXSEISWESOK
Autor

Spielen wir eigentlich Schach oder Krieg?

130 Seiten, kartoniert, Charlatan, 1. Auflage 2006

9,90 €
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Final vergriffen
Arnold Zweig gehört zu den am meisten fehlinterpretierten Autoren der neuzeitlichen Literatur. Im Osten missbraucht und geehrt, im Westen beschimpft und vergessen, teilten sich die Lesermeinungen an der poliMauer. Heute wird er kaum noch gelesen. Dabei gehören viele seiner Romane und Essays zum Hervorragendsten, was die deutsche Literatur aufzuweisen hat.
In der vorliegenden Monographie wird am Leitfaden des Schachs eine Neubewertung des Zweigschen Werkes versucht. Akribisch werden dadie Schachreferenzen untersucht und interpretiert. Wie bei kaum einem anderen Autor spielt bei Arnold Zweig das Königliche Spiel in verschiedensten Verkleidungen eine zentrale Rolle. Fast nebenbei wird eine Einführung in das Gesamtwerk geleistet, die -flüssig geschrieben - sowohl den Schachfreund als auch den Literaturliebzu fesseln vermag.
Weitere Informationen
EAN 9783937206059
Gewicht 225 g
Hersteller Charlatan
Breite 14,8 cm
Höhe 21 cm
Medium Buch
Erscheinungsjahr 2006
Autor Jörg Seidel
Sprache Deutsch
Auflage 1
ISBN-10 3937206051
ISBN-13 9783937206059
Seiten 130
Einband kartoniert
009 Einleitung
015 Novellen
027 Dramen
028 Essays und Aufsätze
037 Romane
038 1. Die frühen Romane
038 a) Verklungene Tage (1909/1938)
041 b) Novellen um Claudia (1912)
043 2. Die großen Romane
043 A) Der große Krieg der weißen Männer
043 a) Die Zeit ist reif (1929/1957)
046 b) Junge Frau von 1914 (1930)
051 c) Erziehung vor Verdun (1935)
060 d) Der Streit um den Sergeanten Grischa (1928)
072 e) Die Feuerpause (1954)
096 f) Einsetzung eines Königs (1937)
100 B) Die anderen Romane
100 a) De Vriendt kehrt heim (1932)
108 b) Das Beil von Wandsbek (1943)
111 c) Traum ist teuer (1962)
117 Anmerkungen
126 Literaturverzeichnis
Schach und Zweig, das ergibt nicht nur Stefan, sondern auch Arnold. Dies stellt Jörg Seidel nachdrücklich in seiner Monounter Beweis.
Im Roman Der Streit um den Sergeanten Grischa, mit dem Zweig 1927 Weltruhm erlangte, ist die an wenigen, aber prägnanten Stellen eingesetzte Schachmetaphorik von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dies ist kein ganz neuer Gesichtspunkt und war schon der zeitgenössischen Kritik nicht entwie z. B. die auch bei Seidel (68f.) angeführpointierte Interpretation Robert Neumanns beJörg Seidel untersucht nun den Schachaspekt in den weiteren Romanen, wobei die eigentliche Analyse angesichts sehr ausführlicher Inhaltsangaund Zitate mitunter zu kurz kommt. Die Rolle des Schachspiels in den literarisch wichtigsten Rowird überzeugend herausgearbeitet - sie reicht von belanglosen Erwähnungen (Das Beil von Wandsbek, 1943) über zwar spärliche, aber substanzielle Verweise (Junge Frau von 1914, 1930; De Vriendt kehrt heim, 1932) bis hin zum konstitutiven Bestandteil (Erziehung vor Verdun, 1935).
Am ausgiebigsten und, wie Seidel (72) formuliert, „bedeutungsvollsten" wird das Schachspiel freilich in Zweigs literarisch schwächstem Buch (Die Feuer1954) genutzt. Seidel legt in aller Ausführdie Mängel dieses Werkes dar, was ihm gerade dank der Problematisierung der nachträglich eingebrachten und teils aufgesetzt wirkenden Schachmetaphorik gelingt. Er bestätigt damit den literarhistorischen Stellenwert der Feuerpause und weiß sich eins mit der aktuellen Forschung zu Zweigs Spätwerk, auch in Bezug auf das eher verwirSchachspiel-Gleichnis, wie das ausführliche Zitat von Geoffrey Davis in den Anmerkungen (123ff.) belegt. Umso erstaunlicher, dass ausgerechdie Feuerpause eine derart zentrale Stelle eindass aus ihr sogar das Titelzitat „Spielen wir eigentlich Schach oder Krieg?" entlehnt wurde.
Schade, dass Seidel auf ein zusammenfassendes Schlusskapitel verzichtet hat. Eine Art Quintessenz soll offenbar die Besprechung des letzten Romans Traum ist teuer (1962) darstellen, in dem Zweig „nochmals zum bewährten Schachbild greift, das nun einmal zu seinem festen Repertoire gehört" (113).
Es ist Seidels erklärtes Anliegen, Arnold Zweig aus seinem Schattendasein in der Forschung und beim Leser zu befreien. Ausdrücklich wendet sich der Autor gegen die Verabsolutierungen „auf beiden Seiten der Mauer", in denen er einen „Grund für Zweigs frühzeitige und leider noch immer nachwirkende liAburteilung" sieht. Dem ist an und für sich natürlich nicht zu widersprechen, aber hier wird eine Prämisse formuliert, die für die Zweig-Forschung seit rund 20 Jahren eine Selbstverständlichkeit ist.
Es verwundert, wenn Seidel in seiner Einleitung ledie Taschenbuchwerkausgabe des Fischer Verlages 1987 erwähnt, „deren 'Reste' Mitte der 90er zum Discountpreis verscherbelt wurden" (10), nicht aber - bzw. erst viel später an versteckter Stelle (34) - die seit 1996 im Aufbau Verlag erscheinende Berliner Ausgabe. In dieser Edition, deren elfter Band von geplanten 28 gerade erschienen ist, werden zum ersten Mal authentische Texte und die in der DDR nie publizierten Arbeiten mit ausführlichen Kommentaren herausgebracht. Auch wenn es nur langsam vorankommt, kann dieses Mammutprojekt gar nicht hoch genug gewürdigt werden, denn es ist nun einmal so, dass Zweigs Werke in ihrer Gesamtnicht gerade Verkaufsschlager sind. Um neue Leserkreise zu erschließen, kann also eine Etabliedes Dichters im weiten Feld von 'Schach und Literatur' durchaus lohnenswert sein.
Bedenkt man die fleißige Rezensententätigkeit Jörg Seidels in seiner Metachess-Kolumne auf der Webseite des SV König-Plauen (http://www.koenig-plauen.de/Metachess/), durfte man auch in dieser Hinsicht mit einiger Erwartung an sein Zweig-Buch gehen. Leider wird man hier enttäuscht. Manche Arlesen sich geradezu als Anti-Werbung. Das beginnt schon in der Einleitung mit der latenten AbStefan Zweigs (und mit ihm doch im Grunde all der Meyrinks, Nabokows etc.), wenn das Hoheauf den „einfachen Spieler" angestimmt und abfällig auf die „weithin bekannten und trostlosen Typen aus dem Graselkabinett der Literatur" gewird (9), es setzt sich in der Besprechung von Arnold Zweigs Essays fort, wenn eine eher oberächliche Aufnahme des Schachmotivs mit einem seinerzeit angeblich fehlenden Starkult (32) begrünwird, und führt schließlich sogar dazu, eine Abdes Schachs damit zu erklären, dass „es als literarisches Thema weit weniger in Betracht kam als die Literatur selbst oder die Musik. Auch heute noch wird über das Schach fast nur in Fachtermini geschrieben, also eigentlich nicht über es, sondern innerhalb des engen Bereichs der 64 Felder und 32 Figuren". Die frühen Essays Zweigs, die laut Seidel „zu den Bravourstücken deutscher Essayistik zäh(12), sind in der Tat eine lohnenswerte Lektüre. Sie dürfen freilich nicht aus ihrem historischen Konherausgelöst werden. Dies betrifft in erster Linie den mit teils biologistischen Vorstellungen behafteCaliban oder Politik und Leidenschaft (1927), aber auch den laut Seidel „wunderbar formulierten und überaus aufmerksam beobachteten Essay" (28) Das ostjüdische Antlitz (1919) sollte man nicht unlesen. Hier findet sich denn auch eine Anspielung auf Schach, „als Fußnote nur, wie es sich gehört, aber doch als Selbstverständlichkeit, denn es gehört zum Wesen des ostjüdischen Menschen" (Sei28). (Warum 'gehört' sich eine solche Randsteleigentlich, so will man dazwischenfragen. Gibt es nicht auch Beispiele eines offensiveren Umgangs mit diesem Motiv, denkt man etwa an Walther Rathenaus Mechanik des Geistes von 1913?) Die marginale Erwähnung bei Zweig lässt auch Seidel schnell im Stoff weitergehen. Dabei hätte sich an dieser Stelle ein Blick auf den Problemkreis 'Schach und Judentum' angeboten, einßlich der mitunter anzutreffenden Charakterisierung von Schach als 'jüdiSport'. Vorstellbar wären hier aufParallelen etwa zu ÄußerunEmanuel Laskers.
Lobenswert ist, dass Seidel auch dem literaFrühwerk Zweigs Beachtung schenkt. Hervorstechend unter einem schachlichen Bezug ist die Novelle Episode (1912/13), in der das Schachspiel erstmals bei Zweig „kompositorische Funktionen übernimmt" (Seidel, 18ff.). Geplant war dieser Text als erster Teil einer Novellen-Trilogie, wobei der dritte Teil, mit dem Titel Quartettsatz von Schönberg, sich auf den ersten Blick nicht so leicht mit den beiden anderen Novellen verknüpfen lässt. Es wäre eine Untersuchung wert, ob sich nicht ein poetologischer Zusammenhang herstellen ließe aufgrund des sprachkritischen Aspekts, der sowohl dem Schach als auch der Musik innewohnt. Die Bedeutung des Schachs für den musikalischen Avantgardi-sten Schönberg steht außer Frage. Arnold Zweigs frühe Texte wurden in expressioniVerlagen und Zeitschriften geu. a. im Pan, der auch Beiträge über Schönberg veröffentlichte. Eine Konstante in der Zweig-Forschung ist seine Zwischenzwischen Moderne und Tradition, wobei in der Regel Letzteres als dominant angesehen wird. Ein Blick auf Zweigs 'expressionistische' Frühzeit könnte manch Überraschendes zu Tage för
Es ist bei allen Vorbehalten, dies sei zum Abschluss nochmals betont, das unbestrittene Verdienst Jörg Seidels, mit seiner Monographie die Verbindung ArZweigs mit dem Thema Schach hergestellt zu haben. Die Frage aber, ob es sich dabei um mehr als eine Fußnote handelt oder ob sich gar in literarhistooder auch schachtheoretischer Hinsicht neue Einblicke ergeben, ist (noch) offen geblieben.

Antje Göhler, Schach 2/2007
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Arnold Zweig (1887-1968) - weder verwandt noch verschwägert mit Stefan Zweig („Die Schachnovelle") - war einer der bedeutendsten deutsch-jüdischen Schriftsteller und Romanciers im 20. Jahrhundert. Der aus Schlesien stammende Autor diente im Ersten Weltkrieg als Solwanderte 1933 nach Palästina aus, und übersiedelte nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die DDR. Jörg Seidel (geb. 1965) der sich vormit philosophischen, liteund schachlichen Themen befasst, beschreibt in der vorliegenden Studie das literariWerk Arnold Zweigs auch undem Aspekt des Schachspiels, welches der Künstler mit metaphoriBedeutung des öfteren in seiWerke eingebaut hat. Erlangte Zweig seine Reputation als Autor auch zuvörderst durch seine großen Romane, so weist Seidel doch eingangs auf das Oeuvre des Meisters in Bezug auf Novellen, Dramen, Essays und Aufsätze hin (S. 15-36), wo Anklänge ans Schach bereits durchschimmern, etwa in der frühen Novelle „Das Kind" von 1910 und „Revanchen" (1911) und auch in „Pont und Anna" von 1925.
Das umfangreiche Roman-Werk Zweigs lässt sich in drei Gruppen einteilen:
1) Die frühen Romane „Verklungene Tage" (1909/1938) und "Novellen um Claudia" (1912) (S. 38-42).
2) Ein großer Zyklus von sechs Ro manen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges (S. 43-99). und zwar: „Die Zeit ist reif (1929/1957), „Junge Frau von 1914" (1930), „Erziehung von Verdun" (1935), „Der Streit um den Sergeanten Grischa" (1928 - Zweigs wohl berühmtestes Werk), „Die Feuerpause" (1954), und „Eineines Königs" von 1937. Als Hauptperson fungiert Werner Bertin, ein deutscher Bildungsbürger, der im Ersten Weltkrieg an verschiedeFronten eingesetzt wird.
An der Front, in den Gefechtspausen, spielen die unteren Dienstgrade Skat, die Offiziere Schach. Dabei dient das Schach ganz offensichtlich als Kriegs-Metapher. Seidel führt hierzu aus: „Tatsächlich klingt... die urhistoMatrix an, als wolle uns Zweig sagen - noch immer: Krieg und Spie! werden... immer wieder zusammengedacht, bis hin zum Kriegsspiel, da drängt freilich das kriegerischste aller freidlichen Spiele, das Schach, regelrecht auf" (Zitat S. 79).
Das Endspiel einer Partie wird hier zum Sinnbild für das herbeigesehnte Kriegsende, ja sogar für die gesellund politischen Umwälin der Nachkriegsperiode. Wenn im Unterstand mit weißen gegen rote Figuren gespielt wird, lässt sich unschwer die Situation nach der Russischen Oktoberrevolution von 1917 herauslesen.
3) Weitere Romane (S.100-116): „De Vriendt kehrt heim" (1932), „Das Beil von Wandsbek" (1943) und „Traum ist teuer" von 1962. Hier dient Schach auch als gesellschaftliMetapher, und folgerichtig genoss Arnold Zweig im Arbeiter- und Bauernstaat DDR ein hohes AnseSeidel als wohlwollend-kritiBegleiter des Protagonisten merkt jedoch an, dass seine literariLeistungen in den 1950er- und 1960er-Jahren nicht mehr an diejenifrüherer Zeiten heranreichen. Der Autor (Jörg Seidel) bereichert seine Zweig-Studie mit vielen auch schachbezogenen Zitaten aus den verschiedenen Werken und lässt sehr engagiert einen großen deutschen
Schachriftsteller wiederaufleben, welcher nach dem Zweiten Weltim Osten hochgelobt, im Wesdagegen geschmäht wurde, spädann nahezu der Vergessenheit anheimfiel.
Ob das Büchlein den reinen Schachfreund interessieren wird, bleibt abEines jedoch ist sicher: Arnold Zweig spielte selbst Schach und war vom Königlichen Spiel derbeeindruckt, dass er es in seinen Werken regelmäßig als stilbildendes Element und als vielseitig verwendMetapher benutzte.

Dr. W. Schweizer, Rochade Europa 11/2006