There was a time when the King's Gambit was the favourite chess opening of every attacking player. In the glory days of Paul Morphy it was considered almost cowardly to play anything else. Legends such as Spassky and Bronstein kept the flame burning in the 20th century, but its popularity faded, as many players are wary of sacrificing a pawn for long-term compensation. There are honourable exceptions whose games prove that this ancient weapon can still draw blood: Morozevich, Short and Zvjaginsev are world-class players who attack with the King's Gambit.
GM John Shaw has been Scottish Champion three times. He used to play the King's Gambit and promises to do so again.
GM John Shaw has been Scottish Champion three times. He used to play the King's Gambit and promises to do so again.
004 Key to Symbols used
005 Preface
008 Bibliography
2 ... exf4 3.Nf3 g5 Lines
010 4.h4 g4 5.Ne5 Nf6 6.Bc4
091 4.h4 g4 5.Ne5 Nf6 6.d4?! - Ivanchuk's Refutation
100 4.h4 g4 5.Ne5 d6
117 4.h4 g4 5.Ne5 Black's rare 5th moves
137 4.Nc3 Quaade Variation
197 3 ... g5 - Mad Gambits & Assorted Oddities
2 ... exf4 3.Nf3 - Other Lines
208 Fischer's Defence - 3 ... d6
229 Becker's Defence - 3 ... h6
236 3 ... d5 - Introduction and 5.Bc4
267 3 ... d5 - New Directions
319 The Cunningham Defence
373 The Bonch-Osmolovsky Defence
400 The Schallop Defence
424 3.Nf3 - Sidelines
Bishop's Gambit
435 The Refutation of 3.Bc4?!
The Gambit Declined
469 The Classical 2 ... Bc5 - Introduction & Sidelines
511 The Classical 2 ... Bc5 - 6 ... Bg4 and 6 ... a6
560 The Falkbeer Counter-Gambit
585 The Nimzowitsch Counter-Gambit
Rare Lines
620 Sidelines after 2 ... exf4
632 2nd Move Alternatives
654 Index of Main Games
656 Name Index
672 Variation Index
005 Preface
008 Bibliography
2 ... exf4 3.Nf3 g5 Lines
010 4.h4 g4 5.Ne5 Nf6 6.Bc4
091 4.h4 g4 5.Ne5 Nf6 6.d4?! - Ivanchuk's Refutation
100 4.h4 g4 5.Ne5 d6
117 4.h4 g4 5.Ne5 Black's rare 5th moves
137 4.Nc3 Quaade Variation
197 3 ... g5 - Mad Gambits & Assorted Oddities
2 ... exf4 3.Nf3 - Other Lines
208 Fischer's Defence - 3 ... d6
229 Becker's Defence - 3 ... h6
236 3 ... d5 - Introduction and 5.Bc4
267 3 ... d5 - New Directions
319 The Cunningham Defence
373 The Bonch-Osmolovsky Defence
400 The Schallop Defence
424 3.Nf3 - Sidelines
Bishop's Gambit
435 The Refutation of 3.Bc4?!
The Gambit Declined
469 The Classical 2 ... Bc5 - Introduction & Sidelines
511 The Classical 2 ... Bc5 - 6 ... Bg4 and 6 ... a6
560 The Falkbeer Counter-Gambit
585 The Nimzowitsch Counter-Gambit
Rare Lines
620 Sidelines after 2 ... exf4
632 2nd Move Alternatives
654 Index of Main Games
656 Name Index
672 Variation Index
Ein Buch ausschließlich und dazu noch umfassend über Königsgambit genießt Seltenheitswert. Als ich hörte, dass nun ein neues Buch über diese Eröffnung, die in der romantischen Epoche des Schachs ihren Popularitätshöhepunkt verzeichnete, auf dem Markt ist, war ich voller Vorfreude. Seit rund 20 Jahren bin ich selbst glühender Anhänger des Königsgambits, habe etliche Partien damit gespielt und unzählige Tage und noch mehr Nächte mit der Analyse diverser Varianten verbracht. Ich bin somit womöglich parteiisch und will Sie deshalb vorwarnen, jedenfalls sage ich vorneweg: es ist ein großartiges, epochales Werk, auch wenn es allein von seinem Umfang her viele potentielle Leser abschrecken wird: denn es erstreckt sich über sage und schreibe 680 Seiten!
The „King`s Gambit” wurde schon lange vom Verlag annonciert, anfänglich war der polnische IM Jan Pinski als Autor vorgesehen, doch er schreckte zurück, wohl auch von der Fülle des Materials erschlagen. Schließlich übernahm mit Shaw einer der Gründer von Quality Chess die Herkules-Arbeit. Der ehemalige Schottische Meister berichtet davon, dass sich die Aufgabe über fünf Jahre hinzog und die ursprünglich beabsichtigte Größe sich mehr als verdoppelte!
Königsgambit teilt die Lager: es gibt die Schwärmer, die es als Projektionsfläche für schachromantische Empfindungen betrachten. Auf der anderen Seite die Skeptiker, für die das Königsgambit ein Überbleibsel aus uralten Zeiten darstellt, gespielt von unverbesserlichen und nicht lernfähigen Nostalgikern. Zu dieser Partei gehören die Houdini-Positivisten, die erkennen, dass 2.f4 die Bewertung um ca. 0,8 sinken lässt und es schlichtweg als Einsteller interpretieren.
Shaws Leistung besteht vor allem darin, dass er die Aufgabe übernommen hat, die vorurteilsbeladenen Meinungen außen vor zu lassen, die romantische Patina abzustreifen und eine „zeitgemäße”, sprich nüchterne, computergestützte Annäherung an eine Spielweise zu wagen, die eine Fülle von Möglichkeiten für beide Seiten bietet. Und er verbindet die Moderne mit dem bereits vorhandenen, mehr als 150 Jahre gärenden Analyseprozess. Shaws Buch ist nicht nur Repertoirebuch für Weiß oder Schwarz, sondern ein Komplettwerk, das die alte Eröffnung ins 21. Jahrhundert führen will. Das Faszinosum des Gambits schimmert in unzähligen kombinatorischen Wendungen auf Messers Schneide durch, eine Tendenz zur weißen Seite ist unschwer zu erkennen, dabei strebt der Autor stets nach einem objektiven Maßstab bei seinen Urteilen, die er am Ende jedes Kapitels formuliert. Ich habe Etliches in diesem umfangreichen Opus gelesen und durchgearbeitet. Und der Eindruck, der sich mir bietet: der Shaw ist gewissenhaft. Er hat sich intensiv mit der Materie auseinandergesetzt, sein Urteil ist unbedingt ernst zu nehmen.
Während er so ziemlich alle Abspiele nach 1.e4 e5 2.f4 aufs Ausführlichste betrachtet, analysiert der schottische Großmeister zum Thema Läufergambit, 2. …exf4 3.Lc4, nur eine Variante: 3. …Sc6(!). Denn danach konnte er keinen Ausgleich für den Weißen finden! Mit diesem Kniff versucht er nicht zuletzt den Umfang in Grenzen zu halten. Sein Vorgehen beim Auswählen der Varianten erklärt er mit „…not include irrelevant positions unless there is an instructive point in them.” Notgedrungen musste er irgendwo Abstriche machen, dick ist das Ganze ja immer noch! Shaw nennt das Kapitel zum Läufergambit „the Refutation of 3.Lc4?!”, was ein hartes Wort ist, insbesondere für Anhänger dieser Spielweise, zu der Thomas Johansson vor einem knappen Jahrzehnt das Standardwerk The Fascinating King`s Gambit, vorstellte.
Der Kern der Sache ist, dass nach 3. …Sc6 der Weiße kaum einen besseren Zug hat als 4.Sf3, und darauf kann Schwarz mittels 4. …g5! in Bahnen des sogenannten Hanstein-Gambits einlenken, das seit geraumer Zeit als mehr als befriedigend für Schwarz gilt (auch wenn Spasski damit als Weißer 1982 eine dramatische Fernsehpartie gegen Karpow gewann).
In der Tat erfreute sich das Läufergambit zuletzt einer gewissen Beliebtheit. Durchforstet man die Datenbanken, stellt man fest, dass in den letzten Jahren zu einem hohen Prozentsatz 3.Lc4 gespielt wurde, falls mal unter Großmeistern die klassische Ausgangsstellung 1.e4 e5 2.f4 exf4 aufs Brett kam. Ein Zeichen dafür, dass hier die Pfade noch kaum ausgetreten sind und die gegnerische Vorbereitung weniger gefürchtet wird als bei 3.Sf3, was forcierteren Charakter hat.
Schon Johansson sagt, dass nach 3.Lc4 Sc6 4.Sf3 Schwarz mit …g5 günstige Übergänge ins Springergambit erreichen kann und empfiehlt daher 4.d4 Sf6 5.Sc3 Lb4 6.Sge2
Auf e4 zu nehmen bietet dem Weißen Initiative durch Entwicklungsvorsprung. Aber es stehen dem Schwarzen einfachere Wege zur Verfügung, allen voran 6. …f3! 7.gxf3 d5! mit Zerschlagung der weißen Bauernstellung. Diese Variante analysiert Johansson bis zum ungefähren Gleichgewicht, der Schotte gewichtet die weißen Bauernschwächen höher und sieht Schwarz etwas im Vorteil. So oder so scheint mir, dass Weiß mit dieser Spielweise keinerlei Probleme bereiten kann. Schwarz stehen natürliche, einfach zu findende Züge zur Verfügung. Ich sehe keine Pointe. Insofern gebe ich Shaw recht. Läufergambit bleibt ein Überraschungsmoment. 3. …Sc6! hat sich anscheinend noch nicht herumgesprochen, aber auch andere Fortsetzungen wie …Sf6 nebst …c6 oder sogleich …d5 scheinen auch völlig okay für Schwarz zu sein.
Am Beispiel zum Kapitel über 3.Lc4 haben wir gesehen, dass Shaw in seiner Darstellung Schwerpunkte setzt, manche Varianten komprimiert, indem er Abzweigungen weglässt, wobei er diese Unterlassungen auch ordentlich begründet. Andere Varianten dafür behandelt er sehr, zuweilen gar mehr als ausführlich! Die Gewichtungen hätte man hier oder da auch anders vornehmen können, plausibel bleiben seine Entscheidungen auf jeden Fall.
Einen Großteil des Werkes macht die alte Hauptvariante im Königsgambit aus: 3.Sf3 g5, auch heute noch die größte Herausforderungen, weil Schwarz sogleich zu erkennen gibt, dass er das freche Gambit zu widerlegen trachtet. Bei Shaw nimmt die Beschäftigung mit dieser Linie schon mal rund 200 Seiten ein, das entspricht mehr als 30 % des Buches!
Im Gegensatz zu vielen anderen Theoriebüchern bringt Shaw die kompliziertesten und faszinierendsten Varianten im Buch sogleich zu Beginn und läuft hier Gefahr, sich im Dickicht zu verfranzen. Das wirkt ein wenig abschreckend bis einschüchternd auf die Leser, am besten, man hält sich da nicht zu lange auf und blättert weiter, um sich mal einen Gesamteindruck zu verschaffen.
Rund die Hälfte dieser 200 Seiten ist dem Zug 4.h4, dem sogenannten Kieseritzky-Gambit, gewidmet, und im Zentrum der Darstellung steht die sogenannte Anderssen-Variante, benannt nach dem Vorkämpfer der romantischen Schule, der im Anschluss an die Partie Rosanes - Anderssen, Breslau 1863, dieses Abspiel analysierte. Dies ist offenkundig der Kulminationspunkt der theoretischen Forschung, wenn es darum geht, ob das Königs-Springergambit noch spielbar ist, und die Diskussion dauert seit 150 Jahren an! Shaw merkt man das Ringen um eine aussichtsreiche weiße Fortsetzung an. Er mutet sich und dem Leser einen Parforceritt durch forcierte Zugfolgen zu, mit moderner Computertechnik durchforstet, durch innovative Neuerungen und Ideen angereichert. Seine abschließende Zugfolge führt dazu, dass Weiß zwei Bauern für unbestimmte Kompensation opfert. Dies wirkt letztlich nicht ganz überzeugend. Beim zeitfressenden Analysieren der hochtaktischen Variante, der Zuhilfenahme von zahlreichen Fernpartien (seltsamerweise wird diese Variante fast nur noch in Fernschachkreisen gepflegt, allerdings NICHT von Fernschachgroßmeistern!) wird Shaw - ich selbst als Autor kenne diesen Prozess nur zu gut - immer wieder, wenn er auf der richtigen Spur zu sein mutmaßte, eine Verbesserung für … den Schwarzen(!) gefunden haben. Das ist das Fatale, wenn man sehr tief in eine Variante rein geht und sie unbedingt zum Laufen bringen bzw. am Leben halten möchte: man findet immer wieder Verstärkungen für den Gegner! Man hat aber mittlerweile schon so viel analysiert und tolle Varianten und Wendungen gefunden, dass man das Ganze nicht in den Mülleimer schmeißen will. So wird das 1. Kapitel zum Zeitzeugen eines mörderischen, intensiven Ringens mit sich selbst und den unendlichen Möglichkeiten und Unwägbarkeiten auf dem Schachbrett, die nicht zuletzt im Königsgambit besonders krass auftreten. Neben manchem Frusterlebnis im Schaffensprozess gibt es aber immer wieder Momente der Erkenntnis, die den Autor motivieren: „Fortunately, after numerous headaches my view clarified…” heißt es etwa auf Seite 334. Diese Auseinandersetzung mit der Materie und den Bewertungen in jedem Kapitel lässt sich im Buch ausgezeichnet nachvollziehen und macht mit dessen Stärke aus. Erkenntnisse werden mühsam abgerungen, und nicht wie in anderen Büchern bereits Vorhandenes ohne eigenes Zutun übernommen. Es gibt aber noch andere Schwierigkeiten für den Anziehenden im Kieseritzky: der Houdini-Zug 5. ... De7! zum Beispiel, oder 5. ...d6, womit Schwarz laut Shaw das Remis erzwingt oder zumindest den Ausgleich. Der Leser, der sich nun schon durch mehr als 130 Seiten Komplikationen gekämpft hat, wird aber nicht im Nebel gelassen: der Autor hat schon ein hochinteressantes Alternativkonzept in petto: ein Aufbau a la Quaade oder Rosentreter, Namen, die nur den eingefleischten Königsgambitfans vertraut sein dürften. Hier verzichtet der Weiße auf h4 und versucht erst mal im Zentrum Fuß zu fassen, um hernach die schwarze Bauernkette mittels g3 aufzureißen. Sollte Schwarz frühzeitig g5-g4 ziehen kann es schon mal zu völlig verrückten Komplikationen ganz im Sinne der ritterlichen Eröffnung kommen. Da muss Weiß bereit sein, den Springer für ein paar Entwicklungstempi preis zu geben. Shaw ermutigt den Leser dazu, sich nicht vor dieser materiellen Einbuße zu scheuen. Auch wenn die Rechner tendenziell zum schwarzen Lager neigen: in einer praktischen Partie sind die Schwierigkeiten enorm und kaum zu meistern, wenn man nicht einen elektronischen Freund in der Hosentasche versteckt hat. Die weiße Seite spielt sich einfacher, und wenn man ihn nur tief genug rechnen lässt freundet sich auch der Rechner mit der weißen Kompensation an, das Resultat dieses Kapitels ist gleichermaßen optimistisch für den Weißen, womit dem Widerlegungsversuch 3. ...g5 etwas der Schrecken genommen wird.
Ein weiterer großer Themenkomplex ist die moderne Variante, die nach 2. ...exf4 3.Sf3 d5 4.exd5 Sf6 entsteht: Diese pragmatische Spielweise der Schwarzen erfreut sich großer Beliebtheit, wovon auch die Datenbanken zeugen. Schwarz nivelliert das Zentrum und nutzt die Zeit, die Weiß zur Rückeroberung des Bauern benötigt, zur Entwicklung. Meist wählt Weiß Lc4, um hernach mittels Lxd5 das Läuferpaar abzugeben. So spielte auch Carlsen in einer Partie mit dem Königsgambit! Shaw zeigt auf, dass diese verbreitete Spielweise nur knapp zum weißen Ausgleich gereichen sollte und bemüht sich, Besseres aufzuzeigen. Er unternimmt viele Versuche, manche mehr oder weniger ertragreich. Letztlich kann er einige Ideen beisteuern, im Großen und Ganzen lässt sich der schwarze Aufbau nicht erschüttern. Man muss sich wohl damit abfinden: die moderne Variante gewährt dem Schwarzen guten Ausgleich. Aber: die Stellung bleibt spielbar, typisch fürs moderne Schach. Auch aus Spanisch ist nicht mehr an Vorteil für den Anziehenden zu erwarten. Überhaupt herrscht heutzutage die Vielfalt vor. „Schräge” Abspiele werden salonfähig, da es zu Beginn der Partie eben mehrere gleichwertige Züge gibt und unzählige Eröffnungen zum Ausgleich tendieren. Die Profis suchen nur nach angängigen, wenig ausgetretenen Pfaden, um eine spielbare Position zu erhalten. Das Verständnis für einen Stellungstyp zählt dann. Und solche Möglichkeiten, so die abschließende Quintessenz, bietet auch das Königsgambit.
Shaw überbordet mit einer Vielzahl an Neuerungen/Verstärkungen und kommt auf seinen vielen Seiten zu unzähligen Urteilen: über Details, einzelne Abspiele, ganze Variantenbäume. Wer so viel Schlüsse zieht und Partei ergreift macht sich angreifbar. Das ist die Bürde, die ein guter Schachautor auf sich nehmen muss. Aber der Mut, Stellung zu beziehen zu unzähligen komplizierten, schwer zu beurteilenden Stellungen ist allemal ehrenwert!
Ein wichtiges Thema auch im Königsgambit sind Zugumstellungen. Oft sind zentrale Positionen auf mehreren Pfaden zu erreichen, die Unterschiede des Weges zuweilen markant, dann auch wieder irrelevant. Und diese Schwierigkeit der Eröffnungsforschung und Darstellung beherrscht Shaw mit Bravour: er zeichnet sich dadurch aus, dass er diese Übergänge beherrscht und die Unterschiede zu erklären weiß - und vor allem die Zugumstellung überhaupt mal bemerkt, und sich nicht in diesem Labyrinth verläuft! Das beweist, dass er sich eingängig mit der Materie befasst hat, er behält den roten Ariadnefaden in der Hand und führt die Leser zu den richtigen Ausgängen und Schlüssen, da kommt ihm freilich seine eigene Spielstärke als Großmeister zugute.
Generell tue ich mich schwer, bestimmte Bücher einer bestimmten Gruppe von Schachspielen und Spielstärken zuzuordnen, wobei es sicher Unterschiede in der Spezialisierung gibt.
Ich denke, dass man zunächst mal zwischen guten und weniger guten Büchern unterscheiden muss. Und warum sollte ein gutes Schachbuch nur für die besseren Spieler ab 2000 Elo geeignet sein? Letztlich ist es die Entscheidung jedes einzelnen Schachfreundes zu sagen: ich will mir kein arbeitsintensives Buch zumuten, weil ich die Zeit und die Geduld nicht aufbringen kann. Aber wenn es darum geht, dass man wirklich sein Schach verbessern, etwas lernen will, oder fundierte Urteile über bestimmte Varianten im Königsgambit haben möchte, dann kann ich nur zum Kauf eines aussagekräftigen Buches raten, in dem Fall eben zum Kauf des Wälzers von Shaw.
Mit 25 € für das Softcover fällt das Wert sehr billig aus, für weitere fünf Euro ist
die Hardcover-Ausgabe zu erstehen, mit der man noch jahrelang arbeiten kann. Und mit den Standards, die Shaw gesetzt hat, wird „The King`s Gambit” sicher noch für etliche Jahre der Maßstab aller theoretischen Arbeiten zum Thema Königsgambit sein.
(IM Frank Zeller)
Ein Buch über Königsgambit schreiben?
Das ist ungefähr eine genauso undankbare Aufgabe wie „Schatz, bring doch bitte noch nach der Arbeit ein paar Tomaten und Zwiebel mit”. Nach dem Feierabend noch hektisch in den nächsten Supermarkt gestürzt (nach einer Viertelstunde Parkplatzsuche), das Gemüse gepackt und sich schnurstracks Richtung Kasse bewegt. Halben Weges erkennt man schon aus einiger Entfernung zu seinem Entsetzen eine riesige Menschenschlange vor der einzig geöffneten Kasse.
Zähneknirschend stellt man sich ans Ende der Schlange und darf nun für die nächsten 15 Minuten aufdringliches Kindergeschrei, billiges Parfum und belangloses Geschwätz ertragen. Zuhause angekommen ertönt nur ein vorwurfsvolles „Warum hast du so lange gebraucht für die 2 Sachen?”.
Dass durfte sich wohl auch der Autor des Buches, GM John Shaw, anhören. Warum dauert die Veröffentlichung solange? Warum wurde es schon wieder verschoben?
Der Grund war einfach: Ursprünglich sollte das Buch IM Jan Pinski schreiben. Der konnte nicht mehr wegen anderer Verpflichtungen und so sprang Shaw ein. Dieser wiederum wollte ein vernünftiges Buch abliefern und nahm sich dafür auch die Zeit. Richtig so!
Was ist dabei herausgekommen?
Gleiche vorneweg: Ein Monster!
Aber Ungeheuer müssen ja nicht immer mit einem negativen Touch behaftet sein. King Kong war ja auch nicht richtig böse. Eher unverstanden und zur falschen Zeit am falschen Ort.
Vielleicht, aber nur vielleicht, ereilt dieses Schicksal auch dieses Buch: Unverstanden und zur falschen Zeit am falschen Ort.
Was GM Shaw gemacht hat:
Das Königsgambit in seiner Gesamtheit einer gründlichen Überprüfung unterzogen. Er listete dabei sämtliche Abspiele auf die im Königsgambit vorkommen, analysierte sie sehr ausgiebig und glossierte das Ganze mit seinen eigenen Schlussfolgerungen. Dass er dabei oft an die Grenzen des Machbaren stößt und einzelne Abspiele wie zum Beispiel die Nordwalder-Variante (1.e4 e5 2.f4 Df6) nur sehr kurz abhandelt, mag vielleicht zu verschmerzen sein, eine Lücke bleibt trotzdem. Vielleicht ist es auch einfach schier unmöglich, ein komplettes Buch über Königsgambit zu schreiben, zu vielfältig und zu komplex erstrecken sich die bereits ausgetrampelten Variantenpfade die im Laufe der Jahre immer breiter wurden. Vielleicht ahnte Shaw was da auf in zukommen würde und vielleicht dämmerte ihm, dass es auf keinen Fall ein vollständiges Werk sein könnte. Zu umfangreich würde das Ganze werden, in keiner Weise den selbst auferlegten Qualitätsanspruch genügend und ein Eingeständnis. Ein Repertoirebuch? Schwierig. Ich persönlich würde es so nicht sehen. Eher ein Ratgeber, ein Leitfaden, ein Überblick.
Shaw´s Analysen sind fundiert, sorgfältig und tiefgründig. Seine Bewertungen haben Hand und Fuß, an vielen Stellen hat er wertvolle Neuerungen parat.
Insgesamt 73 ausführlich kommentierte Partien stellt der Autor seiner Leserschaft vor (neben den Analysen).
GM John Shaw hat mit diesem Buch ein sehr umfangreiches Werk über Königsgambit verfasst. Für einen kompletten Überblick reicht es aber trotz der gut 700 Seiten nicht ganz:
Einige Abspiele wurden leider nur kurz behandelt oder angesprochen.
So tut sich das Buch schwer, seinen Platz zu finden: Repertoirebuch oder Nachschlagewerk?
So stellt sich auch die Frage, für wen das Buch gedacht ist.
Auch hier kann ich keine eindeutige Antwort geben. Wer bereits Königsgambit spielt, wird daraus sicher die eine oder andere Anregung gewinnen können. Ob es aber dafür das gut 700 Seiten starke Werk unbedingt sein muss wage ich zu bezweifeln.
Für Neueinsteiger wäre eine weniger fulminante Aufmachung wahrscheinlich besser geeignet.
Und hier sind wir wieder bei dem Punkt, den ich vorhin angesprochen habe: Das Buch ist ein Monster. Ein Monster, das einen erschlägt wenn man nicht aufpasst! Weiß man es aber zu bändigen, frisst es einem aus der Hand.
Soll heißen, jeder, der das Buch kauft, muss seinen eigenen Weg damit gehen. Im positiven wie im negativen Sinne.
The Kings Gambit ist trotz der angesprochenen Punkte eine Meisterleistung und verdient eine besondere Würdigung. Selten gab es eine solche gewaltige Zusammenstellung. Den besten Nutzen zieht man aus dem Buch indem man sich davon inspirieren lässt, damit arbeitet und selbst forscht! Es ist meilenweit davon entfernt, dem Leser vorgekaute Wohlfühlrezepte anzubieten. Es lädt dazu ein, selbst nachzudenken, irgendwo etwas Neues zu entdecken und letztendlich diese Eröffnung als das zu sehen, was sie eigentlich ist: Ein einziges großes Abenteuer!
Genau wie der Kauf von Tomaten und Zwiebeln kurz vor Ladenschluss!!
Martin Rieger
www.schach-welt.de
August 2013
The King's Gambit
Hinter dem Buchtitel "The King's Gambit" steht ein neues Werk über das Königsgambit, das über die Zugfolge 1.e4 e5 2.f4 auf das Brett kommt. Geschrieben worden ist das Buch von John Shaw, erschienen ist es vor wenigen Wochen bei Quality Chess.
Bevor ich tiefer in die Besprechung einsteige, ist mir in diesem Fall eine kleine Vorbemerkung sehr wichtig. Das zu besprechende Werk hat eine Eröffnung zum Gegenstand, über die vor rund einem Jahr auch das Werk "Königsgambit - richtig gespielt" von Jerzy Konikowski und mir selbst auf den Markt gekommen ist. Diese Besonderheit macht mich nicht etwa voreingenommen, sondern schlicht sachkundiger. Die Leserinnen und Leser werden dies hoffentlich nach dem Lesen dieser Rezension bestätigen können.
"The King's Gambit" ist das vermutlich umfangreichste Buch zum Königsgambit, das die Welt bisher gesehen hat und das die Welt auf viele Jahre hinaus sehen wird. Es hat 680 Seiten, was an sich schon die Fülle des enthaltenen theoretischen Materials, das der Käufer mit dem Erwerb erhält, vorstellbar macht.
Struktur geben den Inhalten insgesamt 21 Kapitel, die sich den folgenden fünf Teilen zuordnen:
- Linien mit 2…exf4 3.Sf3 g5
- 2…exf4 3.Sf3 - Andere Linien
- Läufergambit (Königsläufergambit)
- Das abgelehnte Königsgambit
- Seltene Linien.
Überwiegend folgen die Erörterungen im Aufbau dem klassischen Stil eines Eröffnungsbuches, indem eine Hauptvariante das inhaltliche Rückgrat bildet, von dem die alternativen Abspiele abzweigen, sodass sich ein Variantenbaum ergibt. In Teilen aber wechselt Shaw von diesem Stil in die Methode, Partien aus der Praxis aufzureihen und diese über Schlüsselzüge miteinander zu verknüpfen, sodass die Besprechung einen roten Faden durch die Partien erhält. Dieser folgt der Leser also über eine "Urpartie" und die darin eingearbeiteten Anmerkungen, über die er ggf. dann in eine Folgepartie geleitet wird, in der eine spezielle Variante gespielt worden ist.
Mir persönlich sagt dieser flexible Aufbau zu, denn er erlaubt auch eine gewisse Gewichtung des Materials schon über den Aufbau. Wenn es beispielsweise davon nur wenig für einen Zweig der Theorie gibt, bietet sich seine Darstellung über Partien gegenüber einer künstlich wirkenden Einteilung in Haupt- und Nebenvarianten an.
Shaw erklärt viel und gut. Damit macht er seine Einschätzungen für den Spieler nachvollziehbar und inhaltlich besser erlernbar. Mir sind einige interessante Neuerungen aufgefallen, die auch dem passionierten Anhänger des Königsgambits neue Munition und auch neue Verteidigungsressourcen als Schwarzer geben können.
"The King's Gambit" lässt sich nicht eindeutig einem bestimmten Genre innerhalb der Rubrik Eröffnungsbücher zuordnen. Es ist weder durchgängig ein Repertoirebuch noch eine Monografie. Das Werk enthält von beidem etwas, zusätzlich ergänzt um Lehrbuchelemente.
In dieser Gestaltung sehe ich eine Stärke und Schwäche zugleich, abhängig vom Interesse des Lesers. Wenn dieser ausschließlich aussichtsreiche Linien und klare Empfehlungen erfahren möchte, so findet er diese Beschränkung nicht im Buch. Es enthält beispielsweise auch Abspiele, die als nicht spielbar gelten, ihren Wert aber mindestens in einer hohen Unterhaltsamkeit haben. So gibt es Zweige, deren Nachspielen ungemein Spaß machen, z.B. weil die auf dem Brett entstehenden Verwicklungen Schach pur sind, die aber eben bekannterweise bei korrektem gegnerischen Spiel nicht zum Erfolg führen.
Nicht selten bleibt offen, was Shaw in einer Variante zu spielen empfiehlt. Hier ist der Leser dann selbst gefordert, was eine ausreichende Spielstärke voraussetzt.
Verunsichern kann den Leser auch die eine oder andere Formulierung, dass Shaw eine bestimmte Variante nicht interessiert und er sie deshalb nicht behandelt. Hier wäre dann die Angabe des Grundes wünschenswert gewesen, damit man erkennen kann, ob das fehlende Interesse an einer schwachen Einschätzung der Variante oder schlicht einer persönlichen Neigung folgt.
In den Hauptlinien ist mir aber keine Bewertung aufgefallen, der ich nicht folgen könnte. Auch habe ich keine "Pflichtvariante" vermisst, "The King's Gambit" ist hinsichtlich der wichtigen Bereiche zum Königsgambit ein sehr vollständiges Buch.
Wen dürfte es besonders ansprechen und wen weniger? Ich möchte dies mit einem Vergleich ausdrücken. Wenn jemand eine Schafzucht aufmachen möchte und seine ersten Tiere ganz gezielt auf den Rat eines Händlers bauend kaufen und sich darauf beschränken will, der würde sich auf unser Thema bezogen von Shaw teilweise weniger, konkretere und eindeutigere Aussagen wünschen. Wer aber die geeignetsten Tiere selbst nach und nach ermitteln möchte, der bekommt von Shaw gleich eine ganze Schafherde geliefert.
Aus der Warte des Fernschachspielers und dann besonders auch als derjenige, der mit den schwarzen Steinen von Weiß mit dem Königsgambit überrascht wird, ist "The King's Gambit" eine ergiebige Quelle.
Auf den letzten Seiten des Buches findet der Leser zunächst ein Verzeichnis der Hauptpartien im Werk, gefolgt von einem Namensverzeichnis und dann einem Variantenverzeichnis, das ich als erfreulich detailliert bezeichnen möchte. Es hilft dem Leser sehr dabei, sich in den Weiten des Buches komfortabel zu orientieren.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an den Fremdsprachler sind aber moderat. Kenntnisse auf Schulniveau sollten grundsätzlich ausreichen, um gut mit dem Werk arbeiten zu können.
Fazit: "The King's Gambit" ist ein sehr bemerkenswertes und gelungenes Werk zum Königsgambit. Gemessen an der Fülle des angebotenen Materials dürfte es von keinem gegenwärtigen wie auch historischem Werk erreicht werden. Es ist in erster Linie eine Mischung aus Repertoirebuch und Monografie und besonders auch für den Fernschachspieler eine klare Kaufempfehlung.
Uwe Bekemann
www.BdF-Fernschachbund.de
Oktober 2013
The „King`s Gambit” wurde schon lange vom Verlag annonciert, anfänglich war der polnische IM Jan Pinski als Autor vorgesehen, doch er schreckte zurück, wohl auch von der Fülle des Materials erschlagen. Schließlich übernahm mit Shaw einer der Gründer von Quality Chess die Herkules-Arbeit. Der ehemalige Schottische Meister berichtet davon, dass sich die Aufgabe über fünf Jahre hinzog und die ursprünglich beabsichtigte Größe sich mehr als verdoppelte!
Königsgambit teilt die Lager: es gibt die Schwärmer, die es als Projektionsfläche für schachromantische Empfindungen betrachten. Auf der anderen Seite die Skeptiker, für die das Königsgambit ein Überbleibsel aus uralten Zeiten darstellt, gespielt von unverbesserlichen und nicht lernfähigen Nostalgikern. Zu dieser Partei gehören die Houdini-Positivisten, die erkennen, dass 2.f4 die Bewertung um ca. 0,8 sinken lässt und es schlichtweg als Einsteller interpretieren.
Shaws Leistung besteht vor allem darin, dass er die Aufgabe übernommen hat, die vorurteilsbeladenen Meinungen außen vor zu lassen, die romantische Patina abzustreifen und eine „zeitgemäße”, sprich nüchterne, computergestützte Annäherung an eine Spielweise zu wagen, die eine Fülle von Möglichkeiten für beide Seiten bietet. Und er verbindet die Moderne mit dem bereits vorhandenen, mehr als 150 Jahre gärenden Analyseprozess. Shaws Buch ist nicht nur Repertoirebuch für Weiß oder Schwarz, sondern ein Komplettwerk, das die alte Eröffnung ins 21. Jahrhundert führen will. Das Faszinosum des Gambits schimmert in unzähligen kombinatorischen Wendungen auf Messers Schneide durch, eine Tendenz zur weißen Seite ist unschwer zu erkennen, dabei strebt der Autor stets nach einem objektiven Maßstab bei seinen Urteilen, die er am Ende jedes Kapitels formuliert. Ich habe Etliches in diesem umfangreichen Opus gelesen und durchgearbeitet. Und der Eindruck, der sich mir bietet: der Shaw ist gewissenhaft. Er hat sich intensiv mit der Materie auseinandergesetzt, sein Urteil ist unbedingt ernst zu nehmen.
Während er so ziemlich alle Abspiele nach 1.e4 e5 2.f4 aufs Ausführlichste betrachtet, analysiert der schottische Großmeister zum Thema Läufergambit, 2. …exf4 3.Lc4, nur eine Variante: 3. …Sc6(!). Denn danach konnte er keinen Ausgleich für den Weißen finden! Mit diesem Kniff versucht er nicht zuletzt den Umfang in Grenzen zu halten. Sein Vorgehen beim Auswählen der Varianten erklärt er mit „…not include irrelevant positions unless there is an instructive point in them.” Notgedrungen musste er irgendwo Abstriche machen, dick ist das Ganze ja immer noch! Shaw nennt das Kapitel zum Läufergambit „the Refutation of 3.Lc4?!”, was ein hartes Wort ist, insbesondere für Anhänger dieser Spielweise, zu der Thomas Johansson vor einem knappen Jahrzehnt das Standardwerk The Fascinating King`s Gambit, vorstellte.
Der Kern der Sache ist, dass nach 3. …Sc6 der Weiße kaum einen besseren Zug hat als 4.Sf3, und darauf kann Schwarz mittels 4. …g5! in Bahnen des sogenannten Hanstein-Gambits einlenken, das seit geraumer Zeit als mehr als befriedigend für Schwarz gilt (auch wenn Spasski damit als Weißer 1982 eine dramatische Fernsehpartie gegen Karpow gewann).
In der Tat erfreute sich das Läufergambit zuletzt einer gewissen Beliebtheit. Durchforstet man die Datenbanken, stellt man fest, dass in den letzten Jahren zu einem hohen Prozentsatz 3.Lc4 gespielt wurde, falls mal unter Großmeistern die klassische Ausgangsstellung 1.e4 e5 2.f4 exf4 aufs Brett kam. Ein Zeichen dafür, dass hier die Pfade noch kaum ausgetreten sind und die gegnerische Vorbereitung weniger gefürchtet wird als bei 3.Sf3, was forcierteren Charakter hat.
Schon Johansson sagt, dass nach 3.Lc4 Sc6 4.Sf3 Schwarz mit …g5 günstige Übergänge ins Springergambit erreichen kann und empfiehlt daher 4.d4 Sf6 5.Sc3 Lb4 6.Sge2
Auf e4 zu nehmen bietet dem Weißen Initiative durch Entwicklungsvorsprung. Aber es stehen dem Schwarzen einfachere Wege zur Verfügung, allen voran 6. …f3! 7.gxf3 d5! mit Zerschlagung der weißen Bauernstellung. Diese Variante analysiert Johansson bis zum ungefähren Gleichgewicht, der Schotte gewichtet die weißen Bauernschwächen höher und sieht Schwarz etwas im Vorteil. So oder so scheint mir, dass Weiß mit dieser Spielweise keinerlei Probleme bereiten kann. Schwarz stehen natürliche, einfach zu findende Züge zur Verfügung. Ich sehe keine Pointe. Insofern gebe ich Shaw recht. Läufergambit bleibt ein Überraschungsmoment. 3. …Sc6! hat sich anscheinend noch nicht herumgesprochen, aber auch andere Fortsetzungen wie …Sf6 nebst …c6 oder sogleich …d5 scheinen auch völlig okay für Schwarz zu sein.
Am Beispiel zum Kapitel über 3.Lc4 haben wir gesehen, dass Shaw in seiner Darstellung Schwerpunkte setzt, manche Varianten komprimiert, indem er Abzweigungen weglässt, wobei er diese Unterlassungen auch ordentlich begründet. Andere Varianten dafür behandelt er sehr, zuweilen gar mehr als ausführlich! Die Gewichtungen hätte man hier oder da auch anders vornehmen können, plausibel bleiben seine Entscheidungen auf jeden Fall.
Einen Großteil des Werkes macht die alte Hauptvariante im Königsgambit aus: 3.Sf3 g5, auch heute noch die größte Herausforderungen, weil Schwarz sogleich zu erkennen gibt, dass er das freche Gambit zu widerlegen trachtet. Bei Shaw nimmt die Beschäftigung mit dieser Linie schon mal rund 200 Seiten ein, das entspricht mehr als 30 % des Buches!
Im Gegensatz zu vielen anderen Theoriebüchern bringt Shaw die kompliziertesten und faszinierendsten Varianten im Buch sogleich zu Beginn und läuft hier Gefahr, sich im Dickicht zu verfranzen. Das wirkt ein wenig abschreckend bis einschüchternd auf die Leser, am besten, man hält sich da nicht zu lange auf und blättert weiter, um sich mal einen Gesamteindruck zu verschaffen.
Rund die Hälfte dieser 200 Seiten ist dem Zug 4.h4, dem sogenannten Kieseritzky-Gambit, gewidmet, und im Zentrum der Darstellung steht die sogenannte Anderssen-Variante, benannt nach dem Vorkämpfer der romantischen Schule, der im Anschluss an die Partie Rosanes - Anderssen, Breslau 1863, dieses Abspiel analysierte. Dies ist offenkundig der Kulminationspunkt der theoretischen Forschung, wenn es darum geht, ob das Königs-Springergambit noch spielbar ist, und die Diskussion dauert seit 150 Jahren an! Shaw merkt man das Ringen um eine aussichtsreiche weiße Fortsetzung an. Er mutet sich und dem Leser einen Parforceritt durch forcierte Zugfolgen zu, mit moderner Computertechnik durchforstet, durch innovative Neuerungen und Ideen angereichert. Seine abschließende Zugfolge führt dazu, dass Weiß zwei Bauern für unbestimmte Kompensation opfert. Dies wirkt letztlich nicht ganz überzeugend. Beim zeitfressenden Analysieren der hochtaktischen Variante, der Zuhilfenahme von zahlreichen Fernpartien (seltsamerweise wird diese Variante fast nur noch in Fernschachkreisen gepflegt, allerdings NICHT von Fernschachgroßmeistern!) wird Shaw - ich selbst als Autor kenne diesen Prozess nur zu gut - immer wieder, wenn er auf der richtigen Spur zu sein mutmaßte, eine Verbesserung für … den Schwarzen(!) gefunden haben. Das ist das Fatale, wenn man sehr tief in eine Variante rein geht und sie unbedingt zum Laufen bringen bzw. am Leben halten möchte: man findet immer wieder Verstärkungen für den Gegner! Man hat aber mittlerweile schon so viel analysiert und tolle Varianten und Wendungen gefunden, dass man das Ganze nicht in den Mülleimer schmeißen will. So wird das 1. Kapitel zum Zeitzeugen eines mörderischen, intensiven Ringens mit sich selbst und den unendlichen Möglichkeiten und Unwägbarkeiten auf dem Schachbrett, die nicht zuletzt im Königsgambit besonders krass auftreten. Neben manchem Frusterlebnis im Schaffensprozess gibt es aber immer wieder Momente der Erkenntnis, die den Autor motivieren: „Fortunately, after numerous headaches my view clarified…” heißt es etwa auf Seite 334. Diese Auseinandersetzung mit der Materie und den Bewertungen in jedem Kapitel lässt sich im Buch ausgezeichnet nachvollziehen und macht mit dessen Stärke aus. Erkenntnisse werden mühsam abgerungen, und nicht wie in anderen Büchern bereits Vorhandenes ohne eigenes Zutun übernommen. Es gibt aber noch andere Schwierigkeiten für den Anziehenden im Kieseritzky: der Houdini-Zug 5. ... De7! zum Beispiel, oder 5. ...d6, womit Schwarz laut Shaw das Remis erzwingt oder zumindest den Ausgleich. Der Leser, der sich nun schon durch mehr als 130 Seiten Komplikationen gekämpft hat, wird aber nicht im Nebel gelassen: der Autor hat schon ein hochinteressantes Alternativkonzept in petto: ein Aufbau a la Quaade oder Rosentreter, Namen, die nur den eingefleischten Königsgambitfans vertraut sein dürften. Hier verzichtet der Weiße auf h4 und versucht erst mal im Zentrum Fuß zu fassen, um hernach die schwarze Bauernkette mittels g3 aufzureißen. Sollte Schwarz frühzeitig g5-g4 ziehen kann es schon mal zu völlig verrückten Komplikationen ganz im Sinne der ritterlichen Eröffnung kommen. Da muss Weiß bereit sein, den Springer für ein paar Entwicklungstempi preis zu geben. Shaw ermutigt den Leser dazu, sich nicht vor dieser materiellen Einbuße zu scheuen. Auch wenn die Rechner tendenziell zum schwarzen Lager neigen: in einer praktischen Partie sind die Schwierigkeiten enorm und kaum zu meistern, wenn man nicht einen elektronischen Freund in der Hosentasche versteckt hat. Die weiße Seite spielt sich einfacher, und wenn man ihn nur tief genug rechnen lässt freundet sich auch der Rechner mit der weißen Kompensation an, das Resultat dieses Kapitels ist gleichermaßen optimistisch für den Weißen, womit dem Widerlegungsversuch 3. ...g5 etwas der Schrecken genommen wird.
Ein weiterer großer Themenkomplex ist die moderne Variante, die nach 2. ...exf4 3.Sf3 d5 4.exd5 Sf6 entsteht: Diese pragmatische Spielweise der Schwarzen erfreut sich großer Beliebtheit, wovon auch die Datenbanken zeugen. Schwarz nivelliert das Zentrum und nutzt die Zeit, die Weiß zur Rückeroberung des Bauern benötigt, zur Entwicklung. Meist wählt Weiß Lc4, um hernach mittels Lxd5 das Läuferpaar abzugeben. So spielte auch Carlsen in einer Partie mit dem Königsgambit! Shaw zeigt auf, dass diese verbreitete Spielweise nur knapp zum weißen Ausgleich gereichen sollte und bemüht sich, Besseres aufzuzeigen. Er unternimmt viele Versuche, manche mehr oder weniger ertragreich. Letztlich kann er einige Ideen beisteuern, im Großen und Ganzen lässt sich der schwarze Aufbau nicht erschüttern. Man muss sich wohl damit abfinden: die moderne Variante gewährt dem Schwarzen guten Ausgleich. Aber: die Stellung bleibt spielbar, typisch fürs moderne Schach. Auch aus Spanisch ist nicht mehr an Vorteil für den Anziehenden zu erwarten. Überhaupt herrscht heutzutage die Vielfalt vor. „Schräge” Abspiele werden salonfähig, da es zu Beginn der Partie eben mehrere gleichwertige Züge gibt und unzählige Eröffnungen zum Ausgleich tendieren. Die Profis suchen nur nach angängigen, wenig ausgetretenen Pfaden, um eine spielbare Position zu erhalten. Das Verständnis für einen Stellungstyp zählt dann. Und solche Möglichkeiten, so die abschließende Quintessenz, bietet auch das Königsgambit.
Shaw überbordet mit einer Vielzahl an Neuerungen/Verstärkungen und kommt auf seinen vielen Seiten zu unzähligen Urteilen: über Details, einzelne Abspiele, ganze Variantenbäume. Wer so viel Schlüsse zieht und Partei ergreift macht sich angreifbar. Das ist die Bürde, die ein guter Schachautor auf sich nehmen muss. Aber der Mut, Stellung zu beziehen zu unzähligen komplizierten, schwer zu beurteilenden Stellungen ist allemal ehrenwert!
Ein wichtiges Thema auch im Königsgambit sind Zugumstellungen. Oft sind zentrale Positionen auf mehreren Pfaden zu erreichen, die Unterschiede des Weges zuweilen markant, dann auch wieder irrelevant. Und diese Schwierigkeit der Eröffnungsforschung und Darstellung beherrscht Shaw mit Bravour: er zeichnet sich dadurch aus, dass er diese Übergänge beherrscht und die Unterschiede zu erklären weiß - und vor allem die Zugumstellung überhaupt mal bemerkt, und sich nicht in diesem Labyrinth verläuft! Das beweist, dass er sich eingängig mit der Materie befasst hat, er behält den roten Ariadnefaden in der Hand und führt die Leser zu den richtigen Ausgängen und Schlüssen, da kommt ihm freilich seine eigene Spielstärke als Großmeister zugute.
Generell tue ich mich schwer, bestimmte Bücher einer bestimmten Gruppe von Schachspielen und Spielstärken zuzuordnen, wobei es sicher Unterschiede in der Spezialisierung gibt.
Ich denke, dass man zunächst mal zwischen guten und weniger guten Büchern unterscheiden muss. Und warum sollte ein gutes Schachbuch nur für die besseren Spieler ab 2000 Elo geeignet sein? Letztlich ist es die Entscheidung jedes einzelnen Schachfreundes zu sagen: ich will mir kein arbeitsintensives Buch zumuten, weil ich die Zeit und die Geduld nicht aufbringen kann. Aber wenn es darum geht, dass man wirklich sein Schach verbessern, etwas lernen will, oder fundierte Urteile über bestimmte Varianten im Königsgambit haben möchte, dann kann ich nur zum Kauf eines aussagekräftigen Buches raten, in dem Fall eben zum Kauf des Wälzers von Shaw.
Mit 25 € für das Softcover fällt das Wert sehr billig aus, für weitere fünf Euro ist
die Hardcover-Ausgabe zu erstehen, mit der man noch jahrelang arbeiten kann. Und mit den Standards, die Shaw gesetzt hat, wird „The King`s Gambit” sicher noch für etliche Jahre der Maßstab aller theoretischen Arbeiten zum Thema Königsgambit sein.
(IM Frank Zeller)
Ein Buch über Königsgambit schreiben?
Das ist ungefähr eine genauso undankbare Aufgabe wie „Schatz, bring doch bitte noch nach der Arbeit ein paar Tomaten und Zwiebel mit”. Nach dem Feierabend noch hektisch in den nächsten Supermarkt gestürzt (nach einer Viertelstunde Parkplatzsuche), das Gemüse gepackt und sich schnurstracks Richtung Kasse bewegt. Halben Weges erkennt man schon aus einiger Entfernung zu seinem Entsetzen eine riesige Menschenschlange vor der einzig geöffneten Kasse.
Zähneknirschend stellt man sich ans Ende der Schlange und darf nun für die nächsten 15 Minuten aufdringliches Kindergeschrei, billiges Parfum und belangloses Geschwätz ertragen. Zuhause angekommen ertönt nur ein vorwurfsvolles „Warum hast du so lange gebraucht für die 2 Sachen?”.
Dass durfte sich wohl auch der Autor des Buches, GM John Shaw, anhören. Warum dauert die Veröffentlichung solange? Warum wurde es schon wieder verschoben?
Der Grund war einfach: Ursprünglich sollte das Buch IM Jan Pinski schreiben. Der konnte nicht mehr wegen anderer Verpflichtungen und so sprang Shaw ein. Dieser wiederum wollte ein vernünftiges Buch abliefern und nahm sich dafür auch die Zeit. Richtig so!
Was ist dabei herausgekommen?
Gleiche vorneweg: Ein Monster!
Aber Ungeheuer müssen ja nicht immer mit einem negativen Touch behaftet sein. King Kong war ja auch nicht richtig böse. Eher unverstanden und zur falschen Zeit am falschen Ort.
Vielleicht, aber nur vielleicht, ereilt dieses Schicksal auch dieses Buch: Unverstanden und zur falschen Zeit am falschen Ort.
Was GM Shaw gemacht hat:
Das Königsgambit in seiner Gesamtheit einer gründlichen Überprüfung unterzogen. Er listete dabei sämtliche Abspiele auf die im Königsgambit vorkommen, analysierte sie sehr ausgiebig und glossierte das Ganze mit seinen eigenen Schlussfolgerungen. Dass er dabei oft an die Grenzen des Machbaren stößt und einzelne Abspiele wie zum Beispiel die Nordwalder-Variante (1.e4 e5 2.f4 Df6) nur sehr kurz abhandelt, mag vielleicht zu verschmerzen sein, eine Lücke bleibt trotzdem. Vielleicht ist es auch einfach schier unmöglich, ein komplettes Buch über Königsgambit zu schreiben, zu vielfältig und zu komplex erstrecken sich die bereits ausgetrampelten Variantenpfade die im Laufe der Jahre immer breiter wurden. Vielleicht ahnte Shaw was da auf in zukommen würde und vielleicht dämmerte ihm, dass es auf keinen Fall ein vollständiges Werk sein könnte. Zu umfangreich würde das Ganze werden, in keiner Weise den selbst auferlegten Qualitätsanspruch genügend und ein Eingeständnis. Ein Repertoirebuch? Schwierig. Ich persönlich würde es so nicht sehen. Eher ein Ratgeber, ein Leitfaden, ein Überblick.
Shaw´s Analysen sind fundiert, sorgfältig und tiefgründig. Seine Bewertungen haben Hand und Fuß, an vielen Stellen hat er wertvolle Neuerungen parat.
Insgesamt 73 ausführlich kommentierte Partien stellt der Autor seiner Leserschaft vor (neben den Analysen).
GM John Shaw hat mit diesem Buch ein sehr umfangreiches Werk über Königsgambit verfasst. Für einen kompletten Überblick reicht es aber trotz der gut 700 Seiten nicht ganz:
Einige Abspiele wurden leider nur kurz behandelt oder angesprochen.
So tut sich das Buch schwer, seinen Platz zu finden: Repertoirebuch oder Nachschlagewerk?
So stellt sich auch die Frage, für wen das Buch gedacht ist.
Auch hier kann ich keine eindeutige Antwort geben. Wer bereits Königsgambit spielt, wird daraus sicher die eine oder andere Anregung gewinnen können. Ob es aber dafür das gut 700 Seiten starke Werk unbedingt sein muss wage ich zu bezweifeln.
Für Neueinsteiger wäre eine weniger fulminante Aufmachung wahrscheinlich besser geeignet.
Und hier sind wir wieder bei dem Punkt, den ich vorhin angesprochen habe: Das Buch ist ein Monster. Ein Monster, das einen erschlägt wenn man nicht aufpasst! Weiß man es aber zu bändigen, frisst es einem aus der Hand.
Soll heißen, jeder, der das Buch kauft, muss seinen eigenen Weg damit gehen. Im positiven wie im negativen Sinne.
The Kings Gambit ist trotz der angesprochenen Punkte eine Meisterleistung und verdient eine besondere Würdigung. Selten gab es eine solche gewaltige Zusammenstellung. Den besten Nutzen zieht man aus dem Buch indem man sich davon inspirieren lässt, damit arbeitet und selbst forscht! Es ist meilenweit davon entfernt, dem Leser vorgekaute Wohlfühlrezepte anzubieten. Es lädt dazu ein, selbst nachzudenken, irgendwo etwas Neues zu entdecken und letztendlich diese Eröffnung als das zu sehen, was sie eigentlich ist: Ein einziges großes Abenteuer!
Genau wie der Kauf von Tomaten und Zwiebeln kurz vor Ladenschluss!!
Martin Rieger
www.schach-welt.de
August 2013
The King's Gambit
Hinter dem Buchtitel "The King's Gambit" steht ein neues Werk über das Königsgambit, das über die Zugfolge 1.e4 e5 2.f4 auf das Brett kommt. Geschrieben worden ist das Buch von John Shaw, erschienen ist es vor wenigen Wochen bei Quality Chess.
Bevor ich tiefer in die Besprechung einsteige, ist mir in diesem Fall eine kleine Vorbemerkung sehr wichtig. Das zu besprechende Werk hat eine Eröffnung zum Gegenstand, über die vor rund einem Jahr auch das Werk "Königsgambit - richtig gespielt" von Jerzy Konikowski und mir selbst auf den Markt gekommen ist. Diese Besonderheit macht mich nicht etwa voreingenommen, sondern schlicht sachkundiger. Die Leserinnen und Leser werden dies hoffentlich nach dem Lesen dieser Rezension bestätigen können.
"The King's Gambit" ist das vermutlich umfangreichste Buch zum Königsgambit, das die Welt bisher gesehen hat und das die Welt auf viele Jahre hinaus sehen wird. Es hat 680 Seiten, was an sich schon die Fülle des enthaltenen theoretischen Materials, das der Käufer mit dem Erwerb erhält, vorstellbar macht.
Struktur geben den Inhalten insgesamt 21 Kapitel, die sich den folgenden fünf Teilen zuordnen:
- Linien mit 2…exf4 3.Sf3 g5
- 2…exf4 3.Sf3 - Andere Linien
- Läufergambit (Königsläufergambit)
- Das abgelehnte Königsgambit
- Seltene Linien.
Überwiegend folgen die Erörterungen im Aufbau dem klassischen Stil eines Eröffnungsbuches, indem eine Hauptvariante das inhaltliche Rückgrat bildet, von dem die alternativen Abspiele abzweigen, sodass sich ein Variantenbaum ergibt. In Teilen aber wechselt Shaw von diesem Stil in die Methode, Partien aus der Praxis aufzureihen und diese über Schlüsselzüge miteinander zu verknüpfen, sodass die Besprechung einen roten Faden durch die Partien erhält. Dieser folgt der Leser also über eine "Urpartie" und die darin eingearbeiteten Anmerkungen, über die er ggf. dann in eine Folgepartie geleitet wird, in der eine spezielle Variante gespielt worden ist.
Mir persönlich sagt dieser flexible Aufbau zu, denn er erlaubt auch eine gewisse Gewichtung des Materials schon über den Aufbau. Wenn es beispielsweise davon nur wenig für einen Zweig der Theorie gibt, bietet sich seine Darstellung über Partien gegenüber einer künstlich wirkenden Einteilung in Haupt- und Nebenvarianten an.
Shaw erklärt viel und gut. Damit macht er seine Einschätzungen für den Spieler nachvollziehbar und inhaltlich besser erlernbar. Mir sind einige interessante Neuerungen aufgefallen, die auch dem passionierten Anhänger des Königsgambits neue Munition und auch neue Verteidigungsressourcen als Schwarzer geben können.
"The King's Gambit" lässt sich nicht eindeutig einem bestimmten Genre innerhalb der Rubrik Eröffnungsbücher zuordnen. Es ist weder durchgängig ein Repertoirebuch noch eine Monografie. Das Werk enthält von beidem etwas, zusätzlich ergänzt um Lehrbuchelemente.
In dieser Gestaltung sehe ich eine Stärke und Schwäche zugleich, abhängig vom Interesse des Lesers. Wenn dieser ausschließlich aussichtsreiche Linien und klare Empfehlungen erfahren möchte, so findet er diese Beschränkung nicht im Buch. Es enthält beispielsweise auch Abspiele, die als nicht spielbar gelten, ihren Wert aber mindestens in einer hohen Unterhaltsamkeit haben. So gibt es Zweige, deren Nachspielen ungemein Spaß machen, z.B. weil die auf dem Brett entstehenden Verwicklungen Schach pur sind, die aber eben bekannterweise bei korrektem gegnerischen Spiel nicht zum Erfolg führen.
Nicht selten bleibt offen, was Shaw in einer Variante zu spielen empfiehlt. Hier ist der Leser dann selbst gefordert, was eine ausreichende Spielstärke voraussetzt.
Verunsichern kann den Leser auch die eine oder andere Formulierung, dass Shaw eine bestimmte Variante nicht interessiert und er sie deshalb nicht behandelt. Hier wäre dann die Angabe des Grundes wünschenswert gewesen, damit man erkennen kann, ob das fehlende Interesse an einer schwachen Einschätzung der Variante oder schlicht einer persönlichen Neigung folgt.
In den Hauptlinien ist mir aber keine Bewertung aufgefallen, der ich nicht folgen könnte. Auch habe ich keine "Pflichtvariante" vermisst, "The King's Gambit" ist hinsichtlich der wichtigen Bereiche zum Königsgambit ein sehr vollständiges Buch.
Wen dürfte es besonders ansprechen und wen weniger? Ich möchte dies mit einem Vergleich ausdrücken. Wenn jemand eine Schafzucht aufmachen möchte und seine ersten Tiere ganz gezielt auf den Rat eines Händlers bauend kaufen und sich darauf beschränken will, der würde sich auf unser Thema bezogen von Shaw teilweise weniger, konkretere und eindeutigere Aussagen wünschen. Wer aber die geeignetsten Tiere selbst nach und nach ermitteln möchte, der bekommt von Shaw gleich eine ganze Schafherde geliefert.
Aus der Warte des Fernschachspielers und dann besonders auch als derjenige, der mit den schwarzen Steinen von Weiß mit dem Königsgambit überrascht wird, ist "The King's Gambit" eine ergiebige Quelle.
Auf den letzten Seiten des Buches findet der Leser zunächst ein Verzeichnis der Hauptpartien im Werk, gefolgt von einem Namensverzeichnis und dann einem Variantenverzeichnis, das ich als erfreulich detailliert bezeichnen möchte. Es hilft dem Leser sehr dabei, sich in den Weiten des Buches komfortabel zu orientieren.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an den Fremdsprachler sind aber moderat. Kenntnisse auf Schulniveau sollten grundsätzlich ausreichen, um gut mit dem Werk arbeiten zu können.
Fazit: "The King's Gambit" ist ein sehr bemerkenswertes und gelungenes Werk zum Königsgambit. Gemessen an der Fülle des angebotenen Materials dürfte es von keinem gegenwärtigen wie auch historischem Werk erreicht werden. Es ist in erster Linie eine Mischung aus Repertoirebuch und Monografie und besonders auch für den Fernschachspieler eine klare Kaufempfehlung.
Uwe Bekemann
www.BdF-Fernschachbund.de
Oktober 2013
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