Artikelnummer
LOTIMSDTCV
Autor
Sicilian Defense - The Chelyabinsk Variation
Its Past, Present and Future
Eigenschaften
440 Seiten, kartoniert, Russell Enterprises, 1. Auflage 2018
One of the most popular - and intriguing - variations of the Sicilian Defense is the so-called Chelyabinsk Variation. In the West, it is known as the Sveshnikov Variation, while older opening monographs may refer to it as the Lasker-Pelikan Variation. It is called the Chelyabinsk Variation in Russia. It is the variation that arises after 1.e4 c5 2.Nf3 Nc6 3.d4 cxd4 4.Nxd4 Nf6 5.Nc3 e5.
Once dismissed by theoreticians as ”anti-positional,“ it is now common at all levels. In this monumental work, grandmaster Gennadi Timoshchenko, one of the creative founders of the entire line, puts the entire variation into both a personal and historical perspective and then examines the theory and practice of this line in great detail.
From the foreword by Garry Kasparov:
Timoshchenko’s book on the Chelyabinsk Variation is both very interesting and necessary. Behind it lies an enormous amount of work, as will become evident as you read and especially play through the author’s analysis. Readers will be able to get a definitive insight into the genesis of the Chelyabinsk Variation...In its 200 chapters, more or less every important branch of the Chelyabinsk Variation is examined. It is also unusual as it contains a huge amount of novelties at various levels of importance. "
Extraordinary analytical depth, cross-checked by strong engines, is complemented by historical and biographical perspectives to make this a truly unique opening manual. Regardless of what name you give it, Sicilian Defense: The Chelyabinsk Variation will provide you with a powerful weapon against 1.e4.
Once dismissed by theoreticians as ”anti-positional,“ it is now common at all levels. In this monumental work, grandmaster Gennadi Timoshchenko, one of the creative founders of the entire line, puts the entire variation into both a personal and historical perspective and then examines the theory and practice of this line in great detail.
From the foreword by Garry Kasparov:
Timoshchenko’s book on the Chelyabinsk Variation is both very interesting and necessary. Behind it lies an enormous amount of work, as will become evident as you read and especially play through the author’s analysis. Readers will be able to get a definitive insight into the genesis of the Chelyabinsk Variation...In its 200 chapters, more or less every important branch of the Chelyabinsk Variation is examined. It is also unusual as it contains a huge amount of novelties at various levels of importance. "
Extraordinary analytical depth, cross-checked by strong engines, is complemented by historical and biographical perspectives to make this a truly unique opening manual. Regardless of what name you give it, Sicilian Defense: The Chelyabinsk Variation will provide you with a powerful weapon against 1.e4.
EAN | 9781941270530 |
---|---|
Gewicht | 750 g |
Hersteller | Russell Enterprises |
Breite | 17,5 cm |
Höhe | 25 cm |
Medium | Buch |
Erscheinungsjahr | 2018 |
Autor | Gennadi Timoshchenko |
Sprache | Englisch |
Auflage | 1 |
ISBN-13 | 978-1-941270-53-0 |
Seiten | 440 |
Einband | kartoniert |
Name | Russell Enterprises |
---|---|
Adresse | 234 Depot Road Milford, CT 06460 USA |
Internet | www.Russell-Enterprises.com |
hwr@russell-enterprises.com |
Ich beginne meine Rezension über das bereits im Dezember 2018 veröffentlichte Werk „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation: Its Past, Present and Future” von Gennadi Timoshchenko mit einem abgewandelten Zitat: Spieglein, Spieglein an der Wand, welches Eröffnungsbuch hat die meisten Kapitel im Land? Diese Anleihe bei einem Märchen mag als Einleitung etwas eigenwillig erscheinen, doch irgendwie passt sie gut zu diesem Buch. Und dies hängt nicht nur damit zusammen, dass es mit der immensen Zahl von 200 Kapiteln aufwartet …
Auf 440 Seiten befasst sich Timoshchenko, slowakischer GM mit russischen Wurzeln, mit dem im Westen als Sweschnikow-Variante bezeichneten System, das über die Eingangszüge 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 entsteht. Es ist auch noch unter weiteren Bezeichnungen bekannt, so u.a. als Lasker-Pilnik-Variante oder als Lasker-Pelikan-Variante. In seinem Titel verwendet das Buch den russischen Namen.
Die Sweschnikow-Variante zählt heute zu den beliebtesten Spielweisen unter dem Dach der Sizilianischen Verteidigung. Dies gilt nicht zuletzt für das Fernschach. Schwarz macht aus positioneller Sicht Zugeständnisse, erlangt darüber aber zugleich aussichtsreiche Gegenchancen. Das Spiel zeigt bisweilen einen komplizierten Charakter, was erklären mag, dass manche Spielweisen im Fernschach beliebt sind, während sie im Duell Auge in Auge kaum oder nicht vorkommen. So findet man geeignete Wege, die ein Spielen auf Sieg mit einem (höher) dosierten Risiko unterstützen oder aber geeignet sind, ein weitgehend sicheres Remis anzusteuern.
Gewissermaßen seinen aktuellen Ritterschlag erhielt das System, als es 2018 im WM-Kampf zwischen Caruana und Carlsen zum Einsatz kam.
Offenkundig neidet Timoshchenko dem Namenspaten der Eröffnung, Jewgeni Sweschnikow, diese „Verewigung”. Zumindest beklagt er, dass sein eigener Name in der Bezeichnung des Systems fehlt. Für angebracht hält er eine Benennung als Sweschnikow-Timoshchenko-Variante oder in der umgekehrten Reihenfolge der Namen als Timoshchenko- Sweschnikow-Variante. Auch vor diesem Hintergrund des gewissen Neides passt das einleitende Schneewittchen-Zitat, das ich damit dann aber auch wieder in die Märchenkiste zurück verbannen möchte.
Die kritische Auseinandersetzung mit Empfehlungen anderer Autoren gehört zum Wesen eines Eröffnungsbuches. Timoshchenko aber fokussiert sich derart auf Sweschnikow und ein von diesem 1988 veröffentlichtes Buch über die Sweschnikow-Variante, dass ich es zunehmend als störend empfunden habe. Es ist schade, dass „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation (…)” teilweise wie eine Abrechnung mit einem Rivalen wirkt und dadurch Vorbehalte gegen sich selbst bei einem Leser wie mir erzeugt, weil es Zweifel an der Objektivität der Betrachtungen provoziert. Ohne das Gesamtergebnis vorwegnehmen zu wollen: Ich bin von diesem Werk sehr angetan, allerdings hätte der Autor ihm einen Gefallen getan, wenn er es menschlich neutraler verfasst hätte.
Dieses Buch ist kein typisches Eröffnungsbuch, was auch der Zusatz des Titels „Its Past, Present and Future” anzeigt. Timoshchenko befasst sich mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft der in Augenschein genommenen Spielweise. Eine Portion Vergangenheitsbewältigung ist auch damit verbunden, denn er sieht sich von den damaligen sowjetischen Funktionären benachteiligt und macht dies für einige negative Erfahrungen verantwortlich.
So erhält der Leser ein „Eröffnungsbuch XXL”, das einerseits eine monografische Darstellung der Sweschnikow-Variante anbietet und andererseits viele Informationen - von den Sichtweisen des Autors geprägt - zu ihrer Entwicklung, zu Spielern, zum politischen System der früheren Sowjetunion und zur Arbeit von Schachfunktionären usw.
Timoshchenko, Jahrgang 1949, ist fachlich sicher einer der bestgeeigneten Autoren für die Sweschnikow-Variante. Er gehört zu deren Protagonisten und hat viel zu ihrer Entwicklung beigetragen. Entsprechend kann er auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen, die sich sowohl auf die Praxis als auch die theoretische Auseinandersetzung mit den „Tücken” des Systems bezieht. Also auf den Punkt gebracht: Hier schreibt ein absoluter Insider!
Dass in diesem Werk Analyseergebnisse aus einem Erfahrungsschatz stammen, lässt sich auch als Indiz aus Timoshchenkos Angabe ableiten, dass die von ihm unterstützend genutzte Hard- und Software nicht mehr dem entspricht, was heute technisch an vorderster Front eingesetzt wird. So hat er die rechnerische Exaktheit mit Houdini 2 überprüft.
Ich halte es übrigens für unzulässig, hieraus die Unterstellung abzuleiten, das Buch sei inhaltlich veraltet. In der Hand eines Experten wie Timoshchenko und in Symbiose mit dessen herausragenden Fähigkeiten und Kenntnissen ist Houdini 2 sicherlich ein überaus leistungsstarkes Werkzeug. Natürlich stammen die Analyseergebnisse nicht zuletzt aus früheren Sitzungen; sonst wären sie wohl kaum „Erfahrung”. Und Timoshchenko würde sie wohl auch kaum über den Haufen werfen (müssen), wenn er beispielsweise Stockfish gegenrechnen lassen würde. Die menschliche Komponente, der Autor selbst, bleibt. Zudem wäre es weltfremd zu glauben, dass irgendein Autor über Jahre hinweg an einem solchen Monumentalwerk wie „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation (…)” arbeitet und dann zum Redaktionsschluss noch einmal alle Analysen mit einer inzwischen aktuell gewordenen Engine überprüft.
Ich habe die Aktualität dieses Werkes anhand der Partien der letzten Jahre im Fernschach und im Brettschach überprüft. Dabei konnte ich teilweise auf Erfahrungen aus meinen eigenen Partien im Fernschach sowie die dazu vorgenommenen Analysen zurückgreifen. Ein Zwischenfazit dazu: „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation (…)” ist eine Arbeit, die den aktuellen Stand zur Sweschnikow-Variante darstellt und die Theorie in vielen Zweigen weiterbringt (dazu weiter unten mehr).
Die exorbitant hohe Zahl an Kapiteln geht darauf zurück, dass so gut wie jeder beachtenswerte Zweig des Systems entsprechend abgesetzt behandelt wird. Dieses Vorgehen hat zwei Seiten. Die Erörterung dieses Zweigs bleibt auch dann übersichtlich, wenn sie sehr ins Detail geht und Analysen eine außergewöhnliche Tiefe erreichen. Allerdings ist das Auffinden einer gesuchten Variante etwas mühseliger, weil das Auge über viele Stationen hinwegfahren muss. Somit ist die Orientierung im Buch als solchem insgesamt etwas schwieriger.
Vorteilhaft ist die Zuordnung der Kapitel zu 12 Abschnitten im Werk. Diese sind:
1. Abweichungen von der Hauptvariante im 6. Zug
2. Weiße Möglichkeiten nach 6…d6 (ohne 7.Lg5)
3. 7.Lg5 ohne 7…a6 8.Sa3
4. 7.Lg5 a6 8.Sa3 ohne 8…b5 9.Lxf6 gxf6 10.Sa3 f5 oder 9.Sd5
5. 8…b5* 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 f5 ohne 11.Ld3
6. 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 f5 11.Ld3 ohne 11…Le6 12.0-0
7. 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 f5 11.Ld3 Le6 12.0-0
8. 9.Sd5 ohne 9…Le7 10.Lxf6
9. 9.Sd5 Le7 10.Lxf6 Lxf6 ohne 11.c3 0-0
10. 9.Sd5 Le7 10.Lxf6 Lxf6 11.c3 0-0 ohne 12.Sc2 Lg5
11. 9.Sd5 Le7 10.Lxf6 Lxf6 11.c3 0-0 12.Sc2 Lg5 ohne 13.a4 bxa4 14.Txa4 a5 15.Lc4 Tb8
12. 9.Sd5 Le7 10.Lxf6 Lxf6 11.c3 0-0 12.Sc2 Lg5 13.a4 bxa4 14.Txa4 a5 15.Lc4 Tb8.
(* Im Inhaltsverzeichnis sowie der Übersicht zum Abschnitt fehlt der Hinweis auf die Einleitung über 8…b5.)
Die Theorie wird in einem Mix aus Partiefragmenten, Analysen und Text dargestellt. Timoshchenko offeriert eine Flut von Neuerungen in den Haupt- und Nebenvarianten. Ich habe sie nicht nachgezählt, aber es sollen rund 2000 sein. Selbst der erfahrene Anwender der Sweschnikow-Variante wird auf unzählige Ideen stoßen, die neu für ihn sind und die er für den eigenen Einsatz prüfen kann. Dies gilt nicht zuletzt auch für den Fernschachspieler und für Varianten, die gerade in dieser Form des Spiels bereits zigmal ausgespielt worden sind.
Der monografische Ansatz des Autors zeigt sich auch darin, dass er nicht von ihm empfohlene Spielweisen ebenfalls tiefer analysiert. Anders als bei einem reinen Repertoirebuch kommt der Leser zu einem umfassenderen Einblick und zu Wahlmöglichkeiten für seine eigene Partie. Interessant ist dabei oft die Begründung für oder gegen eine Alternative, da sie zugleich auch den Blick für den Zug der ersten Wahl schärft.
Timoshchenkos Lohn für seinen enormem Arbeitsaufwand ist ein 440 Seiten starkes Buch, das ich als monumental bezeichnen möchte. Hinsichtlich der stofflichen Aufarbeitung lässt es sich als wissenschaftlich beschreiben. Wenn es ein Maß für eine vollständige und aktuelle Darstellung des behandelten Eröffnungssystems gibt, dann ist dies dieses Werk. Hätte der Autor seine Arbeit frei von der oben thematisierten offen ausgetragenen Rivalität gehalten, hätte es in meinen Augen das Potenzial zu einem „Lexikon der Sweschnikow-Variante”.
Ein Quellenverzeichnis ist nicht enthalten. Auch ein echtes Variantenverzeichnis fehlt, das aber von einem detaillierten Inhaltsverzeichnis - trotz der langen Reihe aus 200 Kapiteln und fehlenden Angaben zu Unterverzweigungen - einigermaßen ersetzt wird.
Die Buchsprache ist Englisch. Der mit einem ordentlichen Schulenglisch ausgestattete Leser wird aber bequem zurechtkommen.
Fazit: „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation: Its Past, Present and Future” ist hinsichtlich des Wertes der Eröffnungstheorie, die es zum bei uns als Sweschnikow-Variante bezeichneten System anbietet, außergewöhnlich gut. Dieses Werturteil begründet sich mit der Breite und Tiefe der Darstellung, mit der Aktualität, der Nachvollziehbarkeit der Erörterungen und nicht zuletzt mit dem Ideenreichtum, der sich in einer Fülle an vorgeschlagenen Neuerungen niederschlägt.
Wer sich ausgezeichnet für den Einsatz dieses Systems präparieren möchte, sei es für das Spiel am Brett oder im Fernschach, kommt meines Erachtens an diesem Buch nicht vorbei. Insofern kann ich eine klare Kaufempfehlung aussprechen.
Für die Vorbereitung des Spiels mit Weiß gegen das System bietet das Werk ebenfalls eine sehr gute Grundlage.
Uwe Bekemann,
Deutscher Fernschachbund
Juli 2020
Die größte Überraschung des Weltmeisterschaftskampfes zwischen Fabiano Caruana und Magnus Carlsen Ende 2018 war für mich, dass der Weltmeister gegen 1.e4 mit c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 die Sweshnikovvariante spielte und mehrfach zeigte, dass Schwarz keine großen Probleme hat. 2004 verhalf diese Eröffnung Peter Leko noch zu seinem WM-Kampf gegen Wladimir Kramnik, aber seitdem hat sie aus mir unerfindlichen Gründen an Popularität verloren. Ein schöner Zufall ist, dass Russell Enterprises kurz nach Carlsens Titelverteidigung mit "Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation: Its Past, Present and Future" von Großmeister Gennadi Timoshchenko ein monumentales Werk von 440 Seiten veröffentlicht hat, in dem nicht nur die Anfänge dieser Variante beleuchtet werden, sondern auch sehr viele Neuerungen aufgezeigt werden, die ihre Zukunft prägen sollen. Zwar heißt sie hier anders, aber das kommt bei so mancher Eröffnung vor, zum Beispiel der Spanischen Eröffnung, die im englischsprachigen Raum mit Ruy Lopez von der Region, in der sie zuerst aufkam zu einem Namen geführt wird.
Mein erster Eindruck von diesem Buch war sehr gut, aber schnell merkte ich, dass hier der Leser an der Nase herumgeführt werden soll. Da nirgends genau steht, wann das Buch geschrieben wurde, geht man schnell einmal davon aus, dass es aktuell ist, aber dem ist leider nicht so. Der erste Zweifel keimt schon auf, wenn der Autor in seiner Einleitung bemerkt, dass er die Varianten mit einem Supercomputer und einer starken Engine analysiert hat, dann aber die Begriffe Quadcore und Houdini 2 fallen. Houdini 2 erschien 2011 und viel jünger scheint auch das Buch nicht zu sein. Auch die Partiefragmente, die analysiert werden, sind meist von 2011 oder früher, nur relativ selten gibt es mal Partien von 2013.
Ok, das Buch ist also veraltet und das ist für Eröffnungsbücher schon recht schlecht, da 6 Jahre bei einer so konkreten Eröffnung doch relativ viel sind. Gleichzeitig ist aber auch das Konzept des Buches grenzwertig. Der Autor hat scheinbar recht großes Vergnügen daran, "The Sicilian Defense: The 5. ...e7-e5 Variation" von GM Evgeny Sveshnikov auseinanderzunehmen. Das Buch ist 1988!! erschienen und natürlich ist es einfach, mit der Engine diverse Varianten daraus zu widerlegen. Der Autor nimmt wirklich jede Gelegenheit dazu wahr. Scheinbar sitzt der Stachel sehr tief bei ihm, dass er zwar zusammen mit Sveshnikov diese Variante entwickelt hat, diese aber dann nur nach jenem benannt wurde. Dadurch wird die Lektüre des Buches echt zur Qual und man fühlt sich als Leser auch noch verhöhnt, da man die alten Houdini2 Analysen wohl mit jedem Smartphone plus aktueller Engine ebenfalls zerpflücken könnte. Aufgrund der fehlenden Aktualität und des Kasperletheaters bezüglich GM Sveshnikov kann ich das Buch darum in keinster Weise empfehlen! Interessenten der Eröffnung sollten sich darum besser bei den Werken von GM Vassilios Kotronias von 2014 oder, etwas einfacher verdaulich, von IM Cyrus Lakdawala von 2016 bedienen.
IM Dirk Schuh
März 2019
Auf 440 Seiten befasst sich Timoshchenko, slowakischer GM mit russischen Wurzeln, mit dem im Westen als Sweschnikow-Variante bezeichneten System, das über die Eingangszüge 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 entsteht. Es ist auch noch unter weiteren Bezeichnungen bekannt, so u.a. als Lasker-Pilnik-Variante oder als Lasker-Pelikan-Variante. In seinem Titel verwendet das Buch den russischen Namen.
Die Sweschnikow-Variante zählt heute zu den beliebtesten Spielweisen unter dem Dach der Sizilianischen Verteidigung. Dies gilt nicht zuletzt für das Fernschach. Schwarz macht aus positioneller Sicht Zugeständnisse, erlangt darüber aber zugleich aussichtsreiche Gegenchancen. Das Spiel zeigt bisweilen einen komplizierten Charakter, was erklären mag, dass manche Spielweisen im Fernschach beliebt sind, während sie im Duell Auge in Auge kaum oder nicht vorkommen. So findet man geeignete Wege, die ein Spielen auf Sieg mit einem (höher) dosierten Risiko unterstützen oder aber geeignet sind, ein weitgehend sicheres Remis anzusteuern.
Gewissermaßen seinen aktuellen Ritterschlag erhielt das System, als es 2018 im WM-Kampf zwischen Caruana und Carlsen zum Einsatz kam.
Offenkundig neidet Timoshchenko dem Namenspaten der Eröffnung, Jewgeni Sweschnikow, diese „Verewigung”. Zumindest beklagt er, dass sein eigener Name in der Bezeichnung des Systems fehlt. Für angebracht hält er eine Benennung als Sweschnikow-Timoshchenko-Variante oder in der umgekehrten Reihenfolge der Namen als Timoshchenko- Sweschnikow-Variante. Auch vor diesem Hintergrund des gewissen Neides passt das einleitende Schneewittchen-Zitat, das ich damit dann aber auch wieder in die Märchenkiste zurück verbannen möchte.
Die kritische Auseinandersetzung mit Empfehlungen anderer Autoren gehört zum Wesen eines Eröffnungsbuches. Timoshchenko aber fokussiert sich derart auf Sweschnikow und ein von diesem 1988 veröffentlichtes Buch über die Sweschnikow-Variante, dass ich es zunehmend als störend empfunden habe. Es ist schade, dass „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation (…)” teilweise wie eine Abrechnung mit einem Rivalen wirkt und dadurch Vorbehalte gegen sich selbst bei einem Leser wie mir erzeugt, weil es Zweifel an der Objektivität der Betrachtungen provoziert. Ohne das Gesamtergebnis vorwegnehmen zu wollen: Ich bin von diesem Werk sehr angetan, allerdings hätte der Autor ihm einen Gefallen getan, wenn er es menschlich neutraler verfasst hätte.
Dieses Buch ist kein typisches Eröffnungsbuch, was auch der Zusatz des Titels „Its Past, Present and Future” anzeigt. Timoshchenko befasst sich mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft der in Augenschein genommenen Spielweise. Eine Portion Vergangenheitsbewältigung ist auch damit verbunden, denn er sieht sich von den damaligen sowjetischen Funktionären benachteiligt und macht dies für einige negative Erfahrungen verantwortlich.
So erhält der Leser ein „Eröffnungsbuch XXL”, das einerseits eine monografische Darstellung der Sweschnikow-Variante anbietet und andererseits viele Informationen - von den Sichtweisen des Autors geprägt - zu ihrer Entwicklung, zu Spielern, zum politischen System der früheren Sowjetunion und zur Arbeit von Schachfunktionären usw.
Timoshchenko, Jahrgang 1949, ist fachlich sicher einer der bestgeeigneten Autoren für die Sweschnikow-Variante. Er gehört zu deren Protagonisten und hat viel zu ihrer Entwicklung beigetragen. Entsprechend kann er auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen, die sich sowohl auf die Praxis als auch die theoretische Auseinandersetzung mit den „Tücken” des Systems bezieht. Also auf den Punkt gebracht: Hier schreibt ein absoluter Insider!
Dass in diesem Werk Analyseergebnisse aus einem Erfahrungsschatz stammen, lässt sich auch als Indiz aus Timoshchenkos Angabe ableiten, dass die von ihm unterstützend genutzte Hard- und Software nicht mehr dem entspricht, was heute technisch an vorderster Front eingesetzt wird. So hat er die rechnerische Exaktheit mit Houdini 2 überprüft.
Ich halte es übrigens für unzulässig, hieraus die Unterstellung abzuleiten, das Buch sei inhaltlich veraltet. In der Hand eines Experten wie Timoshchenko und in Symbiose mit dessen herausragenden Fähigkeiten und Kenntnissen ist Houdini 2 sicherlich ein überaus leistungsstarkes Werkzeug. Natürlich stammen die Analyseergebnisse nicht zuletzt aus früheren Sitzungen; sonst wären sie wohl kaum „Erfahrung”. Und Timoshchenko würde sie wohl auch kaum über den Haufen werfen (müssen), wenn er beispielsweise Stockfish gegenrechnen lassen würde. Die menschliche Komponente, der Autor selbst, bleibt. Zudem wäre es weltfremd zu glauben, dass irgendein Autor über Jahre hinweg an einem solchen Monumentalwerk wie „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation (…)” arbeitet und dann zum Redaktionsschluss noch einmal alle Analysen mit einer inzwischen aktuell gewordenen Engine überprüft.
Ich habe die Aktualität dieses Werkes anhand der Partien der letzten Jahre im Fernschach und im Brettschach überprüft. Dabei konnte ich teilweise auf Erfahrungen aus meinen eigenen Partien im Fernschach sowie die dazu vorgenommenen Analysen zurückgreifen. Ein Zwischenfazit dazu: „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation (…)” ist eine Arbeit, die den aktuellen Stand zur Sweschnikow-Variante darstellt und die Theorie in vielen Zweigen weiterbringt (dazu weiter unten mehr).
Die exorbitant hohe Zahl an Kapiteln geht darauf zurück, dass so gut wie jeder beachtenswerte Zweig des Systems entsprechend abgesetzt behandelt wird. Dieses Vorgehen hat zwei Seiten. Die Erörterung dieses Zweigs bleibt auch dann übersichtlich, wenn sie sehr ins Detail geht und Analysen eine außergewöhnliche Tiefe erreichen. Allerdings ist das Auffinden einer gesuchten Variante etwas mühseliger, weil das Auge über viele Stationen hinwegfahren muss. Somit ist die Orientierung im Buch als solchem insgesamt etwas schwieriger.
Vorteilhaft ist die Zuordnung der Kapitel zu 12 Abschnitten im Werk. Diese sind:
1. Abweichungen von der Hauptvariante im 6. Zug
2. Weiße Möglichkeiten nach 6…d6 (ohne 7.Lg5)
3. 7.Lg5 ohne 7…a6 8.Sa3
4. 7.Lg5 a6 8.Sa3 ohne 8…b5 9.Lxf6 gxf6 10.Sa3 f5 oder 9.Sd5
5. 8…b5* 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 f5 ohne 11.Ld3
6. 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 f5 11.Ld3 ohne 11…Le6 12.0-0
7. 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 f5 11.Ld3 Le6 12.0-0
8. 9.Sd5 ohne 9…Le7 10.Lxf6
9. 9.Sd5 Le7 10.Lxf6 Lxf6 ohne 11.c3 0-0
10. 9.Sd5 Le7 10.Lxf6 Lxf6 11.c3 0-0 ohne 12.Sc2 Lg5
11. 9.Sd5 Le7 10.Lxf6 Lxf6 11.c3 0-0 12.Sc2 Lg5 ohne 13.a4 bxa4 14.Txa4 a5 15.Lc4 Tb8
12. 9.Sd5 Le7 10.Lxf6 Lxf6 11.c3 0-0 12.Sc2 Lg5 13.a4 bxa4 14.Txa4 a5 15.Lc4 Tb8.
(* Im Inhaltsverzeichnis sowie der Übersicht zum Abschnitt fehlt der Hinweis auf die Einleitung über 8…b5.)
Die Theorie wird in einem Mix aus Partiefragmenten, Analysen und Text dargestellt. Timoshchenko offeriert eine Flut von Neuerungen in den Haupt- und Nebenvarianten. Ich habe sie nicht nachgezählt, aber es sollen rund 2000 sein. Selbst der erfahrene Anwender der Sweschnikow-Variante wird auf unzählige Ideen stoßen, die neu für ihn sind und die er für den eigenen Einsatz prüfen kann. Dies gilt nicht zuletzt auch für den Fernschachspieler und für Varianten, die gerade in dieser Form des Spiels bereits zigmal ausgespielt worden sind.
Der monografische Ansatz des Autors zeigt sich auch darin, dass er nicht von ihm empfohlene Spielweisen ebenfalls tiefer analysiert. Anders als bei einem reinen Repertoirebuch kommt der Leser zu einem umfassenderen Einblick und zu Wahlmöglichkeiten für seine eigene Partie. Interessant ist dabei oft die Begründung für oder gegen eine Alternative, da sie zugleich auch den Blick für den Zug der ersten Wahl schärft.
Timoshchenkos Lohn für seinen enormem Arbeitsaufwand ist ein 440 Seiten starkes Buch, das ich als monumental bezeichnen möchte. Hinsichtlich der stofflichen Aufarbeitung lässt es sich als wissenschaftlich beschreiben. Wenn es ein Maß für eine vollständige und aktuelle Darstellung des behandelten Eröffnungssystems gibt, dann ist dies dieses Werk. Hätte der Autor seine Arbeit frei von der oben thematisierten offen ausgetragenen Rivalität gehalten, hätte es in meinen Augen das Potenzial zu einem „Lexikon der Sweschnikow-Variante”.
Ein Quellenverzeichnis ist nicht enthalten. Auch ein echtes Variantenverzeichnis fehlt, das aber von einem detaillierten Inhaltsverzeichnis - trotz der langen Reihe aus 200 Kapiteln und fehlenden Angaben zu Unterverzweigungen - einigermaßen ersetzt wird.
Die Buchsprache ist Englisch. Der mit einem ordentlichen Schulenglisch ausgestattete Leser wird aber bequem zurechtkommen.
Fazit: „Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation: Its Past, Present and Future” ist hinsichtlich des Wertes der Eröffnungstheorie, die es zum bei uns als Sweschnikow-Variante bezeichneten System anbietet, außergewöhnlich gut. Dieses Werturteil begründet sich mit der Breite und Tiefe der Darstellung, mit der Aktualität, der Nachvollziehbarkeit der Erörterungen und nicht zuletzt mit dem Ideenreichtum, der sich in einer Fülle an vorgeschlagenen Neuerungen niederschlägt.
Wer sich ausgezeichnet für den Einsatz dieses Systems präparieren möchte, sei es für das Spiel am Brett oder im Fernschach, kommt meines Erachtens an diesem Buch nicht vorbei. Insofern kann ich eine klare Kaufempfehlung aussprechen.
Für die Vorbereitung des Spiels mit Weiß gegen das System bietet das Werk ebenfalls eine sehr gute Grundlage.
Uwe Bekemann,
Deutscher Fernschachbund
Juli 2020
Die größte Überraschung des Weltmeisterschaftskampfes zwischen Fabiano Caruana und Magnus Carlsen Ende 2018 war für mich, dass der Weltmeister gegen 1.e4 mit c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 die Sweshnikovvariante spielte und mehrfach zeigte, dass Schwarz keine großen Probleme hat. 2004 verhalf diese Eröffnung Peter Leko noch zu seinem WM-Kampf gegen Wladimir Kramnik, aber seitdem hat sie aus mir unerfindlichen Gründen an Popularität verloren. Ein schöner Zufall ist, dass Russell Enterprises kurz nach Carlsens Titelverteidigung mit "Sicilian Defense- The Chelyabinsk Variation: Its Past, Present and Future" von Großmeister Gennadi Timoshchenko ein monumentales Werk von 440 Seiten veröffentlicht hat, in dem nicht nur die Anfänge dieser Variante beleuchtet werden, sondern auch sehr viele Neuerungen aufgezeigt werden, die ihre Zukunft prägen sollen. Zwar heißt sie hier anders, aber das kommt bei so mancher Eröffnung vor, zum Beispiel der Spanischen Eröffnung, die im englischsprachigen Raum mit Ruy Lopez von der Region, in der sie zuerst aufkam zu einem Namen geführt wird.
Mein erster Eindruck von diesem Buch war sehr gut, aber schnell merkte ich, dass hier der Leser an der Nase herumgeführt werden soll. Da nirgends genau steht, wann das Buch geschrieben wurde, geht man schnell einmal davon aus, dass es aktuell ist, aber dem ist leider nicht so. Der erste Zweifel keimt schon auf, wenn der Autor in seiner Einleitung bemerkt, dass er die Varianten mit einem Supercomputer und einer starken Engine analysiert hat, dann aber die Begriffe Quadcore und Houdini 2 fallen. Houdini 2 erschien 2011 und viel jünger scheint auch das Buch nicht zu sein. Auch die Partiefragmente, die analysiert werden, sind meist von 2011 oder früher, nur relativ selten gibt es mal Partien von 2013.
Ok, das Buch ist also veraltet und das ist für Eröffnungsbücher schon recht schlecht, da 6 Jahre bei einer so konkreten Eröffnung doch relativ viel sind. Gleichzeitig ist aber auch das Konzept des Buches grenzwertig. Der Autor hat scheinbar recht großes Vergnügen daran, "The Sicilian Defense: The 5. ...e7-e5 Variation" von GM Evgeny Sveshnikov auseinanderzunehmen. Das Buch ist 1988!! erschienen und natürlich ist es einfach, mit der Engine diverse Varianten daraus zu widerlegen. Der Autor nimmt wirklich jede Gelegenheit dazu wahr. Scheinbar sitzt der Stachel sehr tief bei ihm, dass er zwar zusammen mit Sveshnikov diese Variante entwickelt hat, diese aber dann nur nach jenem benannt wurde. Dadurch wird die Lektüre des Buches echt zur Qual und man fühlt sich als Leser auch noch verhöhnt, da man die alten Houdini2 Analysen wohl mit jedem Smartphone plus aktueller Engine ebenfalls zerpflücken könnte. Aufgrund der fehlenden Aktualität und des Kasperletheaters bezüglich GM Sveshnikov kann ich das Buch darum in keinster Weise empfehlen! Interessenten der Eröffnung sollten sich darum besser bei den Werken von GM Vassilios Kotronias von 2014 oder, etwas einfacher verdaulich, von IM Cyrus Lakdawala von 2016 bedienen.
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